Piees

50 Jahre Friedenszeichen Vom Kollektivsymbol zum Warenlabel

In den sechziger und siebziger Jahren war es mehr als nur ein Erkennungszeichen. Gleich dem Kreuz, mit dem Christen gegen das Böse antreten, war das Peace-Zeichen - am Lederband um den Hals getragen, auf die damals obligatorische GI-Jacke gemalt oder an die Wand des WG-Zimmers gepinnt - eine Art Bannmal gegen den atomaren Wahnsinn, den die Zentralen der beiden Supermächte produzierten. Ein Friedenszeichen auf der mobilen Klapperkiste ließ aber auch darauf schließen, dass man als Tramper mitgenommen wurde, der Kreis mit dem stilisierten Männchen in der Mitte auf Schulbänken oder Seminarpulten hinterlassen signalisierte, dass man sich einer international verbündeten Gesinnungsgenossenschaft zugehörig fühlte, die keine Grenzen kannte und jede Kultur erreichte mit der schlichten Botschaft: Make Love No War, Krieg dem Atomkrieg.

Erfunden wurde das Peace-Zeichen wie die dazugehörige Beatmusik natürlich in Großbritannien, wo die Antinuklearbewegung ihren Ausgang nahm im berühmten Marsch der Frauen ins britische Atombombenzentrum von Aldermaston (vgl. Freitag vom 23. Mai 2008). Der britische Künstler Gerald Holtom stellte das Design 1958 dem Londoner Büro der Peace News und dem Direct Action Committee Against Nuclear War, aus dem später der Campaign for Nuclear Disarment (CND) entstand, zur Verfügung.

Später erzählte der überzeugte Kriegsdienstgegner Holtom, der den Zweiten Weltkrieg auf einer Farm in Norfolk überstanden hatte, in einem Brief, wie es zu seinem Entwurf gekommen war: "Ich war verzweifelt. Zutiefst verzweifelt. So zeichete ich mich selbst: die Repräsentation eines verzweifelten Individuums, die Hände seitlich nach unten ausgestreckt wie Goyas Bauern vor dem Erschießungskommando. Diese Zeichnung stilisierte ich zu klaren Linien, die ich mit einem Kreis umfasste."

Sowohl die phantasievoll gewandete Hippie-Bewegung als auch ihre in Modesachen eher puristischen Nachfolger in den siebziger Jahren, die das Peace-Zeichen als Erkennungsmarke übernahmen, wären wohl irritiert gewesen über die Art wie das New Yorker Nobelkaufhaus Barneys den 50. Geburtstag des Logos feiert: Unter dem Motto Have a Hippy Holiday vermarktet es das Friedenssymbol auf Schuhen, Damen- und Kinderklamotten, in Form von Love Cookies bis hin zum Ruhekissen, auf dem das Hedonistenhaupt nach der Shoppingtour Enspannung findet.

Dabei folgt Barneys nur einem Trend, den schon Tiffany eingeläutet hatte mit einem in Platin gefassten Diamantanhänger. War der Friede im Herzen und in der Welt einst nur durch politische Einsicht und Selbstbewegung zu haben, kostet er heute, auf dem Herzen getragen, schlappe 3.210 Euro. Natürlich haben sich auch andere namhafte Designer des Zeichens bemächtigt und es produktfähig gemacht wie überhaupt der "Summer of Love" wieder Einzug hält in der Modewelt. Der 1985 verstorbene Holtom hat von dieser Vermarktung übrigens nie profitiert.

Wie sinnentleert Renaissancen im Zeichen von Peace und anderen Symbolen sind, lässt sich an der viel problematischer erscheinenden Verwertung des einstigen RAF-Symbols beobachten. Friedenstaube oder Kalaschnikow, das ist, auf den Dollar oder den Euro gebracht, alles eins.

Dass das Peace-Zeichen ganz abseits von seiner Kommerzialisierung auch weiterentwickelt und mit neuen Inhalten gefüllt wurde, kann man auf der offiziellen Homepage verfolgen. Dort ist nicht nur die Geschichte des Zeichens nachzulesen, sondern es sind auch seine politischen Umdeutungen und kreativen Überhöhungen zu besichtigen.

Freies Tibet oder Drogen-Liberalisierung, die Warnung vor dem Digitalzeitalter bis hin zu "Jagermeister-peace": Einfach alles wird unter dem Zeichen fassbar. Was dafür spricht, dass aus dem Kollektivsymbol ein Kollektivlabel geworden ist.

www.happybirthdaypeace.com

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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