Voll militarisierte Zone

Natogipfel Gut zwei Wochen vor dem NATO-Gipfel in Straßburg und Kehl nimmt die Mobilisierung Fahrt auf – sowohl bei den Sicherheitskräften als auch bei den Gipfelgegnern

Es könnte ein Plakat aus dem letzten Sommer sein: Das Bild von Barack Obama, getaucht in Rot, Blau und Weiß – die Farben der amerikanischen Flagge. Als der damalige Präsidentschaftskandidat im letzten Sommer Berlin besuchte, war das mittlerweile zur Ikone gewordene Bild überall in der Stadt zu sehen. Auch die Überschrift könnte noch aus dieser Zeit stammen: „Obama kommt“, steht über dem Gesicht den neuen US-Präsidenten. Der Bruch folgt weiter unten: „Wir auch“ heißt es da.

Anders als in Berlin dürfte Barack Obama in Straßburg nicht nur mit offenen Armen empfangen werden. Denn gegen den NATO-Gipfel macht die linke Szene mobil. Für die geplante Kundgebung der Gegner am letzten Gipfeltag rechnet die Polizei mit rund 40 000 Teilnehmern – und das trotz einer äußerst restriktiven Sicherheitspolitik vor Ort.

Personenkontrollen bereits zehn Tage vorher

So wurde die Demonstration aus dem Stadtzentrum heraus verbannt. Die Proteste müssen mit dem Straßburger Stadtrand vorlieb nehmen, während gleichzeitig die angereisten Staats- und Regierungschefs einen Fototermin in der gesperrten Innenstadt abhalten. Zufahrtsstraßen zu den Tagungsorten werden gesperrt und der öffentliche Nah- und Fernverkehr wird massiv eingeschränkt. Und schon über zehn Tage vor der Gipfeleröffnung beginnt die Polizei mit Personenkontrollen. „Während des Gipfels sollten sich nur die Personen in Straßburg bewegen, die es müssen", fasst der Präfekt des Elsass, Jean-Marc Rebière die Situation zusammen.

Zu diesen Personen zählen sich natürlich auch die Gipfelgegner. In mehreren Camps einige Kilometer südlich des Stadtzentrums sollen die Demonstranten aus aller Welt buchstäblich ihre Zelte aufschlagen. Hier soll nicht nur geschlafen und gegessen werden. Das Camp will vielmehr auch kulturelles Zentrum sein. Jeden Abend werden Bands spielen, Filme gezeigt – oder ein Techno-DJ legt auf.

Einstimmung auf die Gipfeltage

Das Programm dient allerdings nur der Einstimmung auf die an den Gipfeltagen geplanten Aktionen. Neben der großen Demonstration sollen schon vor der Eröffnung des Gipfels Aktionstage in den Tagungsorten Straßburg und Kehl stattfinden. Wenn die Tagung im Straßburger Kongresszentrum dann schließlich eröffnet ist, wollen die Gegner versuchen, sie möglichst effektiv zu stören, unter anderem durch die Blockade der Zufahrtswege zu den Tagungsorten.

Um darauf effektiv vorbereitet zu sein, hat das Aktionsbündnis bereits Trainings angeboten. Hier sollten Demonstranten lernen, wie sie durch gezielten zivilen Ungehorsam und gewaltfreie Aktionen den NATO-Gipfel stören können. Außerdem im Angebot: Mediationstraing, um Konflikte schnell lösen zu können.



Den intellektuellen Überbau zum Protest auf der Straße soll ein Gegengipfel liefern. Er wird wie der NATO-Gipfel am 3. April eröffnet und ebenfalls in Straßburg stattfinden – allerdings in einem Gymnasium recht weit außerhalb des Stadtzentrums. In Arbeitsgruppen will man sich kritisch mit der Geschichte des Nordatlantikpakts sowie mit dessen derzeitigem Engagement im Krieg gegen den Terror auseinander setzen. Außerdem wird sich der prominente Linguist und Globalisierungskritiker Noam Chomsky per Videobotschaft an die Gipfelteilnehmer wenden.

In diesem Rahmen könnten auch die ideologischen Unterschiede zwischen den NATO-Gegnern zur Sprache kommen. Denn der Widerstand rekrutiert sich aus vielen Richtungen. Es ist ein Mix aus Friedensbewegung, Globalisierungskritikern, Anarchisten, Gewerkschaftern und auch religiös motivierten Aktivisten, der in Straßburg, Kehl und Baden-Baden auf die Straße gehen will. Den einen geht es um Pazifismus, andere sehen durch die NATO das Gewaltmonopol der UNO bedroht. Wieder andere nehmen die NATO als eine imperialistische Gewaltmaschine oder schlicht als Unterdrückungsapparat wahr.

Diese Unterschiede werden für die Zeit des Gipfels überdeckt sein von dem gemeinsamen Ziel, die NATO abzuschaffen. Entsprechend wurde das Motto des Protests gewählt: NATO versenken.



Präsident Obama darf sich also auf einen deutlich kühleren Empfang einstellen als im letzten Sommer in Berlin. Zwar plant er nach Medienberichten in Straßburg eine große Rede an die „Völker Europas“ zu halten, doch während sich im letzten Jahr kein nennenswerter Protest gegen Obamas Auftritt regte, ist die Szene diesmal mobilisiert. Die restriktive Politik der Sicherheitsbehörden vor Ort dürfte ein Übriges tun, um die Kluft zwischen Gipfelteilnehmern und Gegnern weiter zu vertiefen.

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