Virtuelle Sheriffs

Internet Die USA testen im Kampf gegen Drogengangs und illegale Immigration an der Grenze zu Mexiko eine neue Idee. Freiwillige, die per Webcam die Grenze am Computer überwachen

Jeder, der über einen Internetanschluss verfügt, kann jetzt zur Überwachung der 2.000 Kilometer langen Grenze der USA zu Mexiko beitragen. Möglich macht dies ein Netzwerk von Webcams, die der Öffentlichkeit Bilder zur Überprüfung auf verdächtige Aktivitäten liefern. Einmal eingeloggt, verbringen schon jetzt Freiwillige Stunden damit, die Landschaft zu studieren – fallen ihnen Personen auf, die sich zu Fuß, in einem Fahrzeug oder Boot von Mexiko aus US-amerikanischem Territorium nähern, bitten die US-Behörden um Benachrichtigung per E-Mail.

Mehr als 100.000 Internet-User haben sich bereits online für das Amt des virtuellen Grenz-Sheriffs eingeschrieben, berichtet Don Ready, der Geschäftsführer der "Texas Border Sheriffs Coalition", die zwanzig Landkreise vertritt, in denen illegale Grenzüberquerungen und Drogen- und Waffenschmuggel grassieren: „Wir bekommen E-Mails von Leuten, die schreiben: ‚Hey Kumpels, wir überwachen eure Grenze aus einer Bar in Australien.’“

Seit im November 2008 die ersten fünfzehn der geplanten 200 Kameras in Betrieb genommen wurden, haben die eingegangen E-Mail-Tipps laut US-Behörden zur Beschlagnahmung von über 907 Kilogramm Marihuana geführt. Darüber hinaus konnte in dreißig Fällen eine „erhebliche Zahl“ von Menschen bei dem Versuch, illegal die Grenze zu überqueren, ausgemacht und abgefangen werden. Einige der Hinweise kamen aus Europa, Asien und anderen fernen Regionen, die meisten der Online-Grenzpolizisten sitzen allerdings in Texas, New Mexico und Arizona, drei der vier US-Bundesstaaten, die an der Grenze zu Mexiko liegen.

Die auf privatem Land aufgestellten Kameras stehen an Stellen, die von illegalen Immigranten und Drogenschmugglern bevorzugt werden. Sie werden aus staatlichen Zuschüssen in Höhe von zwei Millionen Dollar bezahlt. Damit wird auch die zum Projekt gehörige Internetseite bezuschusst, die im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft von dem Social-Networking-Unternehmen BlueServo betrieben wird.

Zwei Millionen Dollar für drei Festnahmen

Die Gegner des Projektes sagen, die Kameras könnten wenig gegen kriminelle Aktivitäten ausrichten und bezeichnen das Projekt als „die perfekte Google-Grenze“. „Für die Grenzüberwachung braucht es ausgebildetes Personal, keine Kneipengänger in Perth,“ sagt Eliot Shaleigh, ein demokratischer Senator aus El Paso, Texas. Er behauptet, das Programm habe bisher nur zu drei Festnahmen geführt: „In Bezug auf das erklärte Ziel des Gouverneurs ist es vollkommen uneffektiv, spielt Extremisten und ihren politischen Absichten in die Hände. Außerdem wurden die zwei Millionen Dollar für drei Festnahmen nicht wirklich gut genutzt.“

Shaleigh hat angekündigt, er und andere Demokraten würden sich gegen eine Weiterfinanzierung des Programmes stellen, über die Ende diesen Jahres entschieden wird.

Der pensionierte Kapitän des US-Küstenschutzes Bob Parker hingegen, der bis zu acht Stunden am Tag von seinem Computer aus nach Mexiko späht, findet es wichtig, die Grenze im Auge zu behalten: „Das ist ein wildes Land da draußen mit all der Drogengewalt,“ sagt er „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das auch hierher kommt.“

Virtuelle Sheriffs

Texas Border Sheriffs Coalition

Repräsentiert zwanzig Landkreise entlang der 2.000 Kilometer langen Grenze zwischen Texas und Mexiko und betreibt ein Netz von fünfzehn feststehenden Kameras, deren Aufnahmen jedem zugänglich sind, der sich mit seiner E-Mail-Adresse registriert um ein virtueller Sheriff zu werden.

Kosten: Zwei Millionen US-Dollar

Angebliche Erfolge seit der Inbetriebnahme (November 2008): Beschlagnahmung von 907 Kilogramm Marihuana; erhebliche Anzahl von abgefangenen und zurückgeschickten illegalen Immigranten.

American Border Patrol

Eine aus Freiwilligen bestehende Gruppe aus Arizona, deren Kameras bis zu eine Meile in mexikanisches Gebiet hinein reichen. Die Anzahl der Kameras gibt die Gruppe nicht bekannt. Nur ausgebildete und registrierte Mitglieder dürfen die Aufnahmen in Schichten zu dreißig Minuten überwachen.

Einige der Kameras sind mobil, bei allen ist die Steuerung und Zoomen durch den Benutzer möglich, um verdächtige Bewegungen entlang des 583 Kilometer langen Grenzabschnittes zwischen Arizona und Mexiko unter die Lupe nehmen zu können. Hinweise werden telefonisch direkt an die US Border Patrol weitergeleitet.

Kosten: 100.000 US-Dollar

Angebliche Erfolge seit der Inbetriebnahme (April 2008): Die Gruppe behauptet, den Grenzübertritt von tausenden illegalen Immigranten verhindert zu haben, die sich zu Fuß näherten.

Department of Homeland Security

Diese mehrfach verschobene Initiative für sichere Grenzen (Secure Border Initiative) der US-Regierung sieht Videoüberwachung, Radar- und Bewegungsmelder vor um die Aktivitäten an der Grenze zu kontrollieren. Das Pilotprogramm wurde 2007 wegen Budgetüberschreitung eingestellt, außerdem hatte die überempfindliche Technik auf vom Wind verwehte Büsche und Äste angeschlagen.

Der Hauptvertragspartner Boeing wird im April damit beginnen, die ersten achtzig Kilometer der Grenze zwischen Arizona und Mexiko mit Sensoren zu bestücken.

Kosten: geschätzte acht Milliarden (sechs Milliarden Euro)

Erfolge: Bislang noch keine


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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Richard Luscombe, The Guardian | The Guardian

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