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Politik : Durchkreuzter Versuch

In Gießen müssen sich zwei Gegner von Gentechnikversuchen für eine “Feldbefreiung” verantworten. Vor Gericht drehen die Angeklagten den Spieß um

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Im Gießener Landgericht kann man in diesen Tagen ungewöhnliche Szenen erleben: Angeklagte, die in bester antiautoritärer Tradition dem Richter das Aufstehen versagen. Oder Zuschauer, die mit hochgehaltenen Schildern den Verlauf der Verhandlung ironisch kommentieren: „Ach so.“ Auch scheinen in diesem Verfahren die üblichen Rollen vertauscht: Statt der Angeklagten Jörg Bergstedt und Patrick Neuhaus sah sich der als Zeuge geladene Vizepräsident der Universität Gießen von Fragen bedrängt. Seinen hochroten Kopf hat er auch der sorgfältigen Vorbereitung Bergstedts zu verdanken.

Dabei geht es hier keineswegs um eine Posse – sondern um einen Prozess mit einiger Bedeutung. Im Juni 2006 hatten die beiden Angeklagten zusammen mit zwei weiteren Mitstreitern das nur knapp zehn Quadratmeter große Feld der Universität Gießen gestürmt und teilweise zerstört. Als Grund gaben sie an, von den hier angebauten Pflanzen gehe eine erhebliche Gefahr für Mensch und Umwelt aus. Die so genannte Grüne Gentechnik, ein weiteres Argument der Kritiker, führe weltweit zu finanzieller Abhängigkeit der Bauern.

Schlampereien und Verflechtungen

Die beiden Feldbefreier waren in der ersten Instanz zu je sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Der Staatsanwältin war das noch zu wenig, sie legte umgehend Berufung ein – und sitzt nun den Angeklagten erneut gegenüber. Doch während der Richter aus erster Instanz alle Fragen zur Gentechnik im Gerichtssaal unterband, stehen diese nun im Mittelpunkt des Prozesses. In ihm werden nun die Gefahren der Grünen Gentechnik ebenso ans Licht befördert wie Schlampereien und Verflechtungen zwischen Wissenschaftlern, Gentechnik-Lobby, Wirtschaft und Behörden.

Wie sich zeigte, war der Freilandversuch mit Gen-Gerste von zahlreichen Fehlern und Pannen begleitet. Im Antrag an das zuständige Verbraucherschutzministerium behauptete Professor Karl Heinz Kogel zum Beispiel, dass es in einem Radius von vier Kilometern um das Versuchsfeld keine landwirtschaftlichen Nutzflächen gäbe. In Wahrheit befand sich jedoch schon anderthalb Kilometer weiter ein Feld mit Wintergerste, von den nur 100 Meter entfernten Wiesen ganz abgesehen.

„Natürlich“ passiert nichts

Versuchsleiter und Uni-Vizepräsident Kogel will dem „keine Relevanz“ beimessen. Weder hält er den von der Gengerste ausgehenden Pollenflug noch deren Auswirkung auf Nagetiere oder gar den Menschen für gefährlich. „Man kann damit Brot backen, Sie können es essen und es passiert nichts.“ Tierfütterungsversuche mit Kleinsäugern hätten, so Kogel, „natürlich“ nichts ergeben. Natürlich? Nicht gerade ein Beweis für wissenschaftliche Unvoreingenommenheit.

Offenbar sind bei dem Versuch auch Sicherheitsauflagen nicht beachtet worden: Nachdem die Umweltaktivisten das Feld soweit zerstört hatten, dass der Versuch nur noch begrenzt ausgewertet werden konnte, sollten die Genpflanzen eigentlich vernichtet werden. Einen Monat später jedoch entdeckte der zuständige Beamte des Regierungspräsidiums auf der Versuchsfläche neu gewachsene Gerstenpflanzen. Ein Aktenvermerk legt nahe, dass dies auch den Mitarbeitern der Universität nicht verborgen geblieben war. Eine Information der Gentechniküberwachungsbehörde fand dennoch nicht statt. Die Panne wiederholte sich sogar ein Jahr später nach einer weiteren „Feldbefreiung“ durch Gentechnikgegner.

Abwehr einer größeren Gefahr

Denen geht es nun darum, nachzuweisen, dass sie zu ihrem Handeln keine Alternative gehabt haben. Für den Angeklagten Bergstedt steht fest, dass die Verflechtungen zwischen Wissenschaft, Industrie, Lobbyverbänden und Behörden so eng sind, dass andere Wege, den Gießener Gentechnik-Versuch zu verhindern, verstellt blieben.

Der Vorsitzende Richter hat dem 45-jährigen Angeklagten bisher nicht nur die geheime Regie im Gerichtssaal überlassen. Er schmunzelte gar über dessen Fachwissen. Womöglich wird erstmals in Deutschland in einem Feldbefreiungsprozess anerkannt, dass Gentechnikgegner einen Freilandversuch zerstört haben, um eine größere Gefahr für sich und andere abzuwehren.

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