Der Niedergang der rechtsextremen Parteien bei Wahlen hat sich am Sonntag fortgesetzt. Mit der Krise von DVU, REP und NPD könnte die Gewaltbereitschaft zunehmen
„Was liegt näher, als der längst überfällige Durchbruch nationaler Politik für Deutschland?“, fragte die NPD noch vor wenigen Tagen auf ihrer Internetseite. Offenbar eine ganze Menge. Gerade einmal 1,5 Prozent der Wähler gaben der neonazistischen Partei bei der Bundestagswahl am Sonntag ihre Stimme. Den rechtsextremen Gegenspielern der DVU und der Republikaner (REP) erging es noch schlechter. Nach den vorläufigen Zahlen kamen sie auf 0,1 und 0,4 Prozent und blieben damit sogar noch unter der Schwelle zur Wahlkampfkostenerstattung.
Landtag in Brandenburg ohne Rechtsextreme
Bei den gleichzeitig abgehaltenen Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein sah es für das extrem rechte Lager nicht viel besser aus. Mit 2,6 Prozent scheiterte
haltenen Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein sah es für das extrem rechte Lager nicht viel besser aus. Mit 2,6 Prozent scheiterte die NPD deutlich bei dem Versuch, die DVU-Fraktion im Potsdamer Landtag zu beerben. Die hatte hier immerhin für zwei Legislaturperioden die Stellung gehalten. Am Sonntag jedoch fiel sie in der Wählergunst um 4,9 Prozent und landete in ihrer bis dato einzigen und jetzt einstigen Hochburg bei mageren 1,2 Prozent. Die REP mussten sich mit nur 0,2 Prozent zufrieden geben.Fast völlig frei von Brauntönen war das Bild, das sich am Wahlabend im hohen Norden bot. Die NPD schaffte es hier gerade auf 0,9 Prozent, obwohl die Konkurrenz aus dem rechten Lager aufgrund fehlender Strukturen und knapper finanzieller Mittel gar nicht erst angetreten war.Am Ende des Superwahljahres stehen die Parteien der extremen Rechten damit vor einer entscheidenden Wegmarke. Besonders kritisch ist die Situation bei der DVU und den REP. Ihre Krise hat fraglos existenziellen Charakter. Sie sind programmatisch und personell schlecht aufgestellt. Seit Jahren laufen Wähler wie Mitglieder in Scharen davon. Im Ergebnis hat ihnen die vergleichsweise agile NPD inzwischen fast überall den Rang abgelaufen.Schon vor der Bundestagswahl hatten beide Parteien deshalb angekündigt, sich in Zukunft neu positionieren zu wollen. Als Vorbilder dienen die FPÖ, der Vlaams Belang und andere erfolgreiche Rechtsaußenparteien in Europa. Deren Abgrenzungskurs zum militanten Neonazi-Spektrum bei gleichzeitiger Beibehaltung einer aggressiven Rhetorik gegenüber Migranten, Linken und dem politischen Establishment gilt als Erfolgsmodell – nicht zuletzt, um jenseits des rechten Randes auch in nationalkonservative bürgerliche Schichten eindringen zu können.Doch weder die völlig überalterte Phantompartei DVU noch die auf mehrere Tausend Anhänger geschrumpften REP dürften, für sich genommen, über die nötigen Kraftreserven für eine solche Neujustierung verfügen. Einem gemeinsamen Projekt aber stehen fortdauernde Parteiegoismen und die traditionelle Rivalität rechter Führungsfiguren entgegen. Über Appelle und fruchtlose Sondierungsversuche ist man deshalb, zumindest bisher, nicht hinausgekommen.NPD radikalisiert sichKeinerlei Interesse an einer derartigen Sammlungspartei hat derzeit aber vor allem der NPD-Führungszirkel um Parteichef Udo Voigt und seinen Stellvertreter Jürgen Rieger. Sie setzen auf eine weitere Radikalisierung der NPD und die unbestrittene Dominanz im rechtsextremen Spektrum. Eine, zumal gleichberechtigte Kooperation mit DVU und REP liefe diesem Ansinnen diametral entgegen. Weshalb beiden so bald als möglich der Garaus gemacht werden soll, wie Voigt unverhohlen nach der Europawahl im Juni klarstellte.Dieses Vorgehen hat durchaus auch innerparteiliche Implikationen. Denn besonders dem Voigt-kritischen so genannten realpolitischen Flügel der Partei um die Sachsen-NPD und ihre Landtagsfraktion unter Führung von Holger Apfel wird nachgesagt, die Debatte um eine Öffnung hin zum nationalkonservativen Spektrum dazu nutzen zu wollen, die Machtfrage in der NPD erneut zu stellen.Kein Durchbruch im WestenTatsächlich bewegt sich Voigt seit Jahren auf dünnem Eis. Die Euphorie und Aufbruchsstimmung nach dem Einzug in den sächsischen Landtag im Jahre 2004 und zwei Jahre später ins Parlament von Mecklenburg-Vorpommern ist längst verflogen. Der inzwischen aufgekündigte Deutschlandpakt mit der DVU, der Konkurrenzkandidaturen ausschließen und rechte Wählerstimmen auf eine Partei lenken sollte, zeitigte nicht die gewünschten Erfolge. Der Durchbruch im Westen blieb weitgehend aus, die Ergebnisse im Osten stagnieren seit geraumer Zeit. Allein aufgrund des schlechten Abschneidens im Superwahljahr dürfte die chronisch klamme Partei künftig rund 250.000 Euro pro Jahr aus Mitteln aus der Parteienfinanzierung verlieren.Personalquerelen, der zwischenzeitliche Schlingerkurs gegenüber dem militanten Kameradschaftsspektrum und die anhaltende Finanzmisere taten ein Übriges, um Voigts Position innerhalb der Partei zusätzlich zu schwächen. Eine neuerliche Palastrevolte scheint deshalb nur eine Frage der Zeit zu sein.Zuflucht in militanten GruppenEiniges spricht dafür, dass die NPD sich auf eine Situation wie nach ihren großen Erfolgen Ende der sechziger Jahre zubewegt. Damals war sie zunächst in mehrere Landtage eingezogen. Die eigenen und die an sie gestellten Erwartungen waren dementsprechend groß – konnten letztlich aber nicht erfüllt werden. Bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Binnen kürzester Zeit wandte sich daraufhin das Gros der Mitglieder und Wähler frustriert von der Partei ab. Lediglich ein kleiner aber stabiler Kader blieb zurück und sicherte der NPD über viele Jahre den Fortbestand.Ein Teil der ehemaligen Anhängerschaft suchte damals sein Heil in militanten Gruppen. Rechtsterroristische Anschläge waren die Folge, die Ende der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre ihren Höhepunkt erreichten und insgesamt mehr als 20 Menschen das Leben kosteten. Eine solche Entwicklung ist auch heute nicht auszuschließen, wie die jüngsten Sprengstofffunde in Süddeutschland zeigen. Dabei ist die Gewaltbereitschaft der Szene bereits jetzt eklatant. Wurden vom Bundeskriminalamt im Jahre 1998 noch 708 Fälle rechtsextremer Gewalt registriert, waren es im Jahr 2008 bereits 1.042 Taten – darunter auch zwei vollendete und vier versuchte Tötungsdelikte.