Die Kriegsfurie grast weiter

Sudan Das Land könnte seine territoriale Integrität verlieren, sollte sich der Süden bei einem für Anfang 2011 anberaumten Referendum für die Unabhängigkeit entscheiden

Das umfassende Friedensabkommen, das einen 22-jährigen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan beendete, jährt sich am 9. Januar zum fünften Mal. Noch 2010 soll gewählt werden und in genau einem Jahr ein Referendum über eine mögliche Sezession des Südens entscheiden. Je näher dieses Votum rückt, desto mehr warnen Beobachter vor einem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges im größten Land Afrikas – ein Konflikt, der einst zwei Millionen Menschen das Leben kostete. Ganze Dörfer verschwanden durch Vormärsche, Gefechte und Massaker von der Landkarte. Die Weiten und die Abgelegenheit vieler Regionen des Landes verbargen diese Gräuel vor den Augen der Welt.

350.000 wurden vertrieben

Die Veröffentlichung einer gemeinsamen Studie von zehn im Land tätigen Hilfsorganisationen – Rescuing the Peace in Southern Sudan – sowie ein am 9. Januar in mehreren Städten stattfindender Aktionstag verfolgen beide das Ziel, die Weltöffentlichkeit auf die Lage im Sudan aufmerksam zu machen, vor einem Scheitern des Friedensabkommens zu warnen und die internationale Staatengemeinschaft aufzufordern, alle diplomatischen Mittel auszuschöpfen, um dies zu verhindern.

Verglichen mit den Zeiten des Bürgerkrieges scheinen die Opferzahlen der jüngsten Vergangenheit gering. Doch die in Rescuing-the-Peace-in-Sudan aufgeführten 2.500 Sudanesen, die im Vorjahr Scharmützeln und anderen gewalttätigen Eruptionen zum Opfer gefallen sind, stellen die Waffenruhe ernsthaft in Frage. Unterdessen wurden weitere 350.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben.

Hilfsorganisationen ausgewiesen

Während sich die Verhältnisse im Süden stetig verschlechtert, vegetieren in der westlichen Provinz Darfur und im benachbarten Tschad auch sieben Jahre nach dem Ausbruch des Konfliktes in diesem Teil des Sudan Millionen Menschen in Flüchtlingslagern. Diese vermeintlich sicheren Orte sind von Milizen umgeben, die Frauen werden auf der Suche nach Feuerholz vergewaltigt, die Hoffnung auf Rückkehr verringert sich mit jedem Jahr.
Die Lage wird zusätzlich dadurch erschwert, dass der sudanesische Präsident Omar al-Bashir auf eine gegen ihn gerichtete Anklage wegen Kriegsverbrechen vor dem internationalen Strafgerichtshof reagiert hat, indem er mehrere Hilfsorganisationen aus Darfur ausweisen ließ – genau dort, wo humanitärer Beistand am dringendsten gebraucht wird.

Die Fronten sind durch viele komplexe Faktoren verwischt. Öl ist einer davon. Sollte das Land nach dem Referendum 2011 in zwei Teile aufgeteilt werden, liegen 87 Prozent der Ölvorräte im Süden. Ob Khartum diese Ölfelder wirklich preisgeben wird, ist fraglich? Ein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges hätte aber nicht nur für den Sudan schlimme Folgen. Die Regierung in Khartum wird politisch und militärisch von China unterstützt, das viele der Ölfelder ausbeutet, während sich der Süden weitgehend auf die USA und andere westliche Ländern verlässt. Viele Sudanesen sind heute der Auffassung, dass es für Barack Obama an der Zeit sein sollte, sich seinen Friedensnobelpreis zu verdienen. Dabei verlangen sie weder nach Friedenstruppen noch nach Wirtschaftssanktionen – die Sudanesen wissen, dass nur ein Dialog sie vor einer definitiven Rückkehr des Krieges bewahren kann.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Ros Wynne-Jones, The Guardian | The Guardian

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