Der Jurist aus Heidelberg Christoph Ahlhaus (40) hat in Hamburg eine bemerkenswert schnelle Karriere gemacht: 2001 an die Elbe gezogen, steigt er nun zum Bürgermeister auf
So sieht Generationenwechsel bei der Union aus: Da geht Ole von Beust, der mit seiner etwas heiseren, stets leicht vernuschelten Stimme und dem jugendlichen Auftritt neun Jahre lang Sympathien jenseits der CDU wecken konnte. Der pragmatische, schwule und lernfähige Bürgermeister, der auf halber Amtsstrecke zugab, dass er nun erst erkenne, dass die Menschen in den armen Vierteln an ihrer Armut nicht Schuld seien.
Da kommt Christoph Ahlhaus, nach Geburtstermin 15 Jahre jünger und doch mit jeder Faser mindestens 15 Jahre älter, ein neuer Bürgermeister mindestens für
destens für ein Interregnum, der in allem an die hanseatische CDU vor von Beust erinnert.Zuletzt machte Ahlhaus Schlagzeilen mit dem Erwerb einer 300-Quadratmeter-Villa in Elbnähe. Die edle Immobilie musste mit einer Million Euro Steuergeld innensenatorengerecht rundum gesichert werden. Früher, als innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft von 2004 bis 2006, war er sich für keine klassische Hardliner-Parole zu schade, schwärmte vom „schärfsten Polizeigesetz der Republik“, das noch zu absoluten CDU-Mehrheitszeiten aufgelegt wurde. Bei der Law punktete er damit, dass er vom eigenen, wenn auch parteilosen Innensenator mehr und zügigere Abschiebungen verlangte – etwa von Afghanen. Als Innensenator ab 2008, zu Zugeständnissen an die GAL im schwarz-grünen Bündnis gezwungen, machte er dennoch den stets die politfolkloristischen Fronten nur verfestigenden Vorschlag, die Stadtteilparty „Schanzenfest“ zu verbieten, weil sie wie immer nicht offiziell angemeldet (aber wie immer angekündigt) war.Um Stammwähler wirbt man nichtDas schwarz-grüne Modell hat in den Augen vieler Unionspolitiker nun bereits ausgedient. In Hessen rückt dem Ministerpräsidenten Roland Koch der sechs Jahre ältere Innenminister Volker Bouffier nach, ein LawOnly-Kandidat sozusagen, der im Unterschied zum LawPlus-Kandidaten Koch noch nicht einmal mehr Wirtschaftskompetenz verströmt. Stefan Mappus in Baden-Württemberg wurde von vielen Konservativen in der Südwest-CDU als Erlösung vom stets zu liberal wirkenden Günther Oettinger begrüßt. Ob der moderne Umweltminister Norbert Röttgen oder der Integrationspolitiker Amin Laschet es schaffen, den filzigen nordrhein-westfälischen Landesverband zu übernehmen, ist offen. Könnte es sein, dass die Liberalisierung der CDU durch Angela Merkel schon wieder ins Stoppen gerät?Die stets um einen schwammigen Kern von Werten und Moral kreisende Identitätsdebatte der Union hat dank der Öffnung der Partei zur städtischen und weiblichen Klientel schon einige neue Runden gedreht. Doch hatte Merkel bis September 2009 immerhin Erfolge vorzuweisen. Das Prinzip, wonach man um das Stammpublikum nicht zu kämpfen braucht, um sozialdemokratische und grüne Wähler aber wohl, überzeugte jedoch schon diesen Januar nicht mehr alle. Da legte die CDU-Spitze als Antwort aufs desaströse Prozentergebnis der Bundestagswahl eine „Berliner Erklärung“ vor, die mehr desselben, sprich weitere Avancen nach links ankündigte.Seither hat die Koalition die Mehrheit in den Umfragen klar verloren. Umso drängender fragen viele Leitartikler mittlerweile nach dem Wesenskern der Union, und was sie denn sei, wenn schon nicht mehr konservativ. Vielen scheint allein in Männern wie Friedrich Merz ein Funke zu stecken, der Begründungszusammenhänge ersetzt: Charakter statt Argumente. Mancher jüngere Thinktanker wie Daniel Dettling dagegen mahnt: Die Union müsse die Chance in der Finanzkrise erkennen, den neoliberalen Kurs aufzugeben. Dieser frisst auch nach Meinung vieler Konservativer ihre eigene ideologische Basis, den familiären und nationalen Zusammenhalt, schlicht auf, verlangt er doch bloß nach dem flexiblen, egoistischen Arbeitskraft-Multiverwerter.Die Macht der InnenpolitikerEs mag nun keine Absicht sein, dass mit Ahlhaus oder Bouffier ausgerechnet Innenpolitiker zu Landesfürsten berufen werden. Doch liefert deren Kür einen Hinweis, wie die Union ihre Identitätskrise vorübergehend überbrücken könnte – mit dem schönen Thema Innere Sicherheit. In Hamburg hatte diese noch stets ihre ganz eigene Konjunktur. Doch eignet sich die politische Wirtschaft mit den Ängsten der Menschen auch andernorts immer noch dafür, sowohl aus verdecktem Rassismus Kapital zu schlagen, als auch autoritäre Stärke zu demonstrieren. Pate der Bewegung wäre natürlich Wofgang Schäuble. Er ist schon seit Jahrzehnten eine der überzeugendsten konservativen Figuren der Republik, hatte als Innenminister auch ein wesentlich deutlicheres Profil denn als Sparkommissar.Auch ein ganz besonderer Vorteil der Recht lässt sich an Schäubles Vorbild ablesen: Es reicht in der Regel vollkommen, mit düster orakelnden Gefahrenbeschwörungen Sicherheitsforderungen zu erheben. Reden reicht. Nach der Umsetzung fragt meist keiner. Oder wer erinnert sich noch an Schäubles Idee von Internierungslagern für islamistische Gefährder? Auch sein Leib- und Magen-Projekt, der Bundeswehreinsatz im Innern, kam nicht, ohne dass dies als Scheitern gegolten hätte. Richtig widersprüchlich darf der Kurs freilich nicht sein: Roland Koch nutzte sich im Wahlkampf 2008 nicht, als er die Abschiebung „junger krimineller Ausländer“ verlangte sowie schnellere und härtere Strafen für Kinder. Umgehend kam heraus, dass niemand so viele Stellen in der Justiz abgebaut hatte wie er selbst.Ahlhaus hat das Schanzenfest am Ende dann natürlich auch nicht verboten. Und die Afghanen konnten auch bleiben. Ob er bleibt, entscheiden die Hamburger. Entweder bei Neuwahlen demnächst, oder eben turnusgemäß 2012.