Der gefährlichste Job

Menschenrechte Im Iran werden Menschenrechtsanwälte inhaftiert, um die Oppositionsbewegung zu schwächen. Shirin Ebadi erinnert an das Schicksal ihrer Kollegin Nasrin Sotoudeh

Vor nicht allzu langer Zeit war meine Kollegin Nasrin Sotoudeh noch die Anwältin, die viele Menschenrechtsaktivisten anriefen und um Beistand baten, wenn die Regierung sie drangsalierte. Leider sitzt sie seit September selbst im Gefängnis. Die Regierung wirft ihr unter anderem vor, sie habe der „nationalen Sicherheit“ entgegengearbeitet und „Propaganda gegen den Staat“ betrieben. Auch ihre Mitgliedschaft im 2001 gegründeten Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte sowie ihre Weigerung, einen Hijab zu tragen, wurden ihr zur Last gelegt. In einigen dieser Anklagepunkte wurde sie schuldig gesprochen und zu elf Jahren Haft sowie 20 Jahren Berufsverbot verurteilt.

In Einzelhaft

Die couragierte 45-jährige Mutter zweier Kinder ist eine von vielen Frauen, die im Iran dafür bestraft werden, dass sie sich für die Rechte anderer einsetzen. Nur allzu oft entlädt sich der Zorn des Regimes an ihnen, wie wir es vom Fall Sakineh Mohammadi Ashtianis wissen, die zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde, weil sie angeblich Ehebruch begangen haben soll. Nasrins Fall ist deshalb von Bedeutung, weil er die Frage nach der Zukunft des Iran aufwirft. Wer soll für Werte wie Gleichheit und Gerechtigkeit eintreten, wenn Menschenrechtsanwälte wie Sotoudeh nicht ihrer Arbeit nachgehen können?

Die iranischen Behörden verhafteten Nasrin im September 2010 im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis, als sie gerade einen ihrer Klienten besuchte, der aus politischen Gründen dort inhaftiert ist. Seitdem hat sie die Zeit größtenteils in Einzelhaft verbringen müssen. Um gegen ihre illegale Verhaftung zu protestieren, ist sie bereits mehrmals in einen Hungerstreik getreten. Die iranischen Behörden haben ihr untersagt, mit einem Anwalt zu sprechen, auch durfte sie während des ersten Monats in Gefangenschaft keine Besuche aus ihrer Familie empfangen, mit den Angehörigen nicht einmal telefonieren. Die Behörden nahmen zeitweilig sogar ihren Ehemann fest, weil der öffentlich über die Inhaftierung seiner Frau gesprochen hatte.

Keine Berufung

Warum hat die iranische Regierung solche Angst vor Nasrin Sotoudeh? Ganz offenbar ist man in Teheran erbost darüber, dass eine iranische Frau die erbärmliche Menschenrechtslage des Landes beleuchtet. Nasrin ist unerschrocken und nimmt Fälle an, denen andere Anwälte sorgsam aus dem Weg gehen. Dieses Verhalten hat ihr überall auf der Welt Anerkennung verschafft. Sie verteidigte Zahra Bahrami, die neben der iranischen auch die niederländische Staatsangehörigkeit besaß und im Juni 2009 wegen der Teilnahme an Demonstrationen und Rauschgiftbesitzes verhaftet wurde. Der Beschuldigten wurde das Recht auf Berufung verwehrt. Trotz einer Intervention der niederländischen Regierung und der EU wurde sie am 29. Januar hingerichtet.

Nasrim hat auch mich schon vertreten, als ich Strafanzeige gegen die konservative Zeitung Kayhan stellte und der Staat 2009 mein Vermögen einfror. Sie hat auch Fälle angenommen, bei denen es um die Exekution von Kindern ging. Der Iran ist eines der wenigen Länder, in denen dies immer noch praktiziert wird. Nasrins Fall macht mit anderen zusammen zunehmend deutlich, wie wenig grundlegende Menschenrechte im Iran gelten. Aus diesem Grund drängen einige Länder auf eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates zur Untersuchung der dortigen Menschenrechtssituation. Ein solches Vorgehen wäre ermutigend, doch fehlen für eine Mehrheit im Rat noch einige Länder.

Vor der Verhaftung zitierten die Behörden Nasrin ins Finanzamt und froren ihr Vermögen ein. Als sie dort war, bekam sie mit, dass noch 30 ähnliche Verfahren gegen andere Anwälte liefen. Wenn Iran seine Menschenrechtsanwälte einsperrt, müssen die internationalen Bemühungen verstärkt werden. Solch konkrete Maßnahmen wären nach meiner Auffassung die beste Art und Weise, meine Kollegin Nasrin zu ehren.

Für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte wurde Shirin Ebadi 2003 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Shirin Ebadi | The Guardian

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