Dümmer werden

Sozialdemokraten Im Fall Sarrazin hat sich die SPD-Spitze auf den Basar des Opportunismus begeben. Als es einst gegen Linke ging, fiel ihr der Rauswurf leichter

Weil die SPD-Spitze meint, es wäre klüger, den Thilo Sarrazin nicht loszuwerden, wird sie nun den Thilo Sarrazin nicht los. Und etwas anderes hat diese sozialdemokratische Führung auch nicht verdient.

Nein, der frühere Bundesbanker hat keineswegs „seine sozialdarwinistischen Äußerungen relativiert“, wie Andrea Nahles behauptet. Und mit „Meinungsfreiheit“ und Satzungskonformität lässt sich die Rücknahme des Ausschlussbegehrens auch nichts schönreden. Hier regierte das nackte Kalkül, ein Rauswurf oder ein langwieriger Schiedsstreit könnten mehr Stimmen kosten als der „kluge Weg“, von dem die Generalsekretärin nun spricht. Sarrazin hat nicht „Missverständnisse ausgeräumt“, sondern darf mit der Erklärung SPD-Mitglied bleiben, er glaube weiterhin, sein Buch Deutschland schafft sich ab habe gar „keine Veranlassung gegeben“, dass sich irgendwer in seinem sozialdemokratischen Verständnis beeinträchtig fühlen müsse.

Im Berliner Aufruf, unter dem die Zahl der Kritiker des faulen Kompromisses seit Wochenbeginn schnell wächst, wird auf das „Grundwertekorsett“ der SPD verwiesen, jenen „äußersten Meinungsrahmen“, der für eine Partei „nicht verhandelbar“ sein dürfe. Im Fall Sarrazin hat die SPD-Spitze die verbliebenen Reste ihres Unterkleids auf dem Basar des Opportunismus verscherbelt.

Man könne nicht einfach jemanden aus der Partei werfen, sagt Nahles, „auch nicht, wenn er sich noch so kontrovers verhält“. Kann man nicht? Die Biegsamkeit solcher Formeln ist es, welche die SPD erkennbar macht. Denn während der eine bleiben darf, obwohl er nicht Sozialdemokrat ist, mussten andere gehen, weil sie Sozialdemokraten bleiben wollten. Karl-Heinz Hansen zum Beispiel, der rausflog, als der eine SPD-Regierung kritisierte. Oder Klaus Uwe Benneter, der erst wiederkommen durfte, als er nicht mehr der linke „Bürgerschreck“ war. Und andere Ungezählte.

„Wir werden auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer“, lautet eine von Sarrazins kruden Thesen. Bei der SPD sind es politische Gründe. Dem Teil der Partei, der da nicht mitgehen möchte, sei ein Rat aus dem Internet empfohlen: kollektiv aus Sarrazin austreten.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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