Unvergesslich, die erste Afrikareise von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2009 - damals erzählte er dem am stärksten von der weltweiten HIV/Aids-Krise betroffenen Kontinent, die Krankheit ließe sich durch striktere sexuelle Moral bekämpfen. Die Verteilung von Kondomen hingegen „vergrößere das Problem“. Es hatte nicht den Anschein, als hätte der Pontifex Maximus die Ausmaße der Pandemie im subsaharischen Afrika – wo in jenem Jahr 75 Prozent aller weltweiten auf HIV zurückgehenden Todesfälle zu verzeichnen waren – erkannt. Ebenso wenig schien er daran interessiert, die religiöse Doktrin mit einer barmherzigen Strategie für die Volksgesundheit zu versöhnen.
Nun, im Juni 2011, in dem sich die Anfänge der Ai
nge der Aidspandemie zum dreißigsten Mal jähren, legt der Heilige Stuhl wieder los.Gestern wurde die UN-Vollversammlung zum Thema Aids in New York City eröffnet. Dort sollen die Fortschritte der Organisation im Umgang mit der Pandemie in den zurückliegenden fünf Jahren ausgewertet und die Agenda für das kommende Jahrzehnt gesetzt werden. Serra Sippel, dem Präsident des Center for Health and Gender Equity (Change) zufolge, „entscheidet sich bei diesem Zusammenkommen, wie ernst es uns mit dem Vorhaben ist, HIV zu besiegen und wie ernst es uns mit der Gleichberechtigung der Frauen ist.“ Der Heilige Stuhl jedenfalls hat keine Zweifel daran gelassen, wie er zu beidem steht.Seit Monaten bereits versucht dessen rein männlich besetzte Delegation, jeden Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte aus der Erklärung der Vollversammlung zu streichen und jede Erwähnung von Aufklärung und Prävention jenseits von Ehe und Treue zu beseitigen. Außerdem besteht man darauf, die Wortwahl von „Familien“ durch „die Familie“ zu ersetzen, als ob ein solcher Monolith überhaupt existierte oder eine Art magischen Schutzschild gegen HIV biete.Entweder begreift der Heilige Stuhl nicht, dass diese Hardliner-Strategie in keinerlei Hinsicht „pro-life“ ist, oder es ist ihm egal. Er will, dass aus Paragraph 60 der Erklärung, in dem es um die Erforschung und Entwicklung von Behandlungs- und Heilungsmöglichkeiten für HIV geht, jede Erwähnung der „von Frauen kontrollierten Verhütungsmitteln“ herausgenommen wird. Und das, obwohl Frauenkondome und die allem Anschein nach vielversprechenden Mikrozide, die derzeit entwickelt werden, nichts mit Abtreibung zu tun haben und die Maßnahmen sind, die weltweit die meisten Frauen vor einer Infektion schützen könnten.Gleiches gilt für Paragraph 58, der das höchst wichtige und vollkommen vernünftige Versprechen macht, die UN werde „sich dafür einsetzen, dass die nationalen Umgangsweisen mit HIV und Aids den spezifischen Bedürfnissen von Frauen und Mädchen entsprechen“. Gemeinsam mit der afrikanischen Delegation und dem Iran erbittet der Vatikan die Streichung genau jenes Satzes, in dem erläutert wird, was dies bedeutet:„indem sichergestellt wird, dass Frauen und Mädchen ihr Recht ausüben können, in Zusammenhang mit ihrer Sexualität stehende Angelegenheiten, einschließlich ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheit, frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt zu bestimmen und hierzu frei und verantwortlich zu entscheiden, um sich selbst besser vor einer HIV-Infektion schützen zu könnn.“Der Himmel verhüt's.Es handelt sich hier nicht um eine theoretische Debatte oder einen Krieg der Worte. Anne Starrs von der NGO Family Care International weißt darauf hin, dass Frauen und Kinder „die Hälfte der HIV-Neuinfektionen und 60 Prozent der an HIV infizierten Bevölkerung im subsaharischen Afrika ausmachen.“ Treue zu predigen, wird keine der Frauen dort (oder irgendwo anders) schützen, da das Hauptrisiko sich mit dem Virus anzustecken, wohl der ungeschützte Geschlechtsverkehr mit dem Ehemann sein dürfte.Kann der Heilige Stuhl nicht irgendwie einsehen, dass HIV weltweit die Haupttodesursache für Frauen im reproduktiven Alter ist und zwar nicht zuletzt, weil bis zu siebzig Prozent von ihnen zu ungeschütztem Sex gezwungen wurden? Verstehen diese Männer, dass die Frauen in der Demokratischen Republik Kongo, die in der Armut ihres Landes durch Sexarbeit überleben, Frauenkondome tragen, wenn sie auf Reisen gehen, weil sie „davon ausgehen, vergewaltigt zu werden“?Daran, dass die Führung der katholischen Kirche die Ideologie über die Gesundheit und das Wohlergehen von Frauen stellt oder so tut, als seien Ehe und Familie an sich eine Art Kondom, ist nichts Neues. Doch sollte diese politische Hardliner-Haltung um so mehr schockieren, als dass wir alle um die Auswirkungen der Pandemie für Frauen und Mädchen wissen.Kann das bitte auch mal jemand dem Papst sagen?