Der Fall scheint erledigt

Strauss-Kahn Die jähe Wendung in der Strafsache DSK bedarf keiner Verschwörungstheorien, um erklärt zu werden. Die Ereignisse um den Ex-IWF-Chef sprechen für sich

Noch ist die Klage nicht annulliert, noch könnte es einen Prozess geben – doch darf der Fall Dominique Strauss-Kahn (DSK) bei aller juristischen Restlaufzeit als vorläufig abgeschlossen gelten. Die politische Schlussbilanz liegt vor und lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Sie ist von einer Wirkung, als hätte es Anklage, Prozess und Urteil gegeben. Strauss-Kahn hat als IWF-Direktor abdanken müssen. Er ist als Aspirant auf die französische Präsidentschaft erledigt, als Hoffnungsträger der Sozialistischen Partei nicht mehr vermittelbar, um seine Reputation gebracht und politisch kaum mehr satisfaktionsfähig. Nach fünf Jahren Sarkozy winken Frankreich noch fünf Jahre Sarkozy. Es riecht nach einer Ära – 2007 bis 2017.

Die New Yorker Justiz scheint sich darauf verständigen zu wollen, nie ganz aufklären zu können, was am 14. Mai im Sofitel-Hotel an der 44. Straße wirklich passiert ist. Das mag unbefriedigend sein, andererseits haben Richter, Staatsanwälte und Polizei getan, was sie konnten, damit an politischen Kollateralschäden kein Mangel herrscht. Das sei nicht als Absicht unterstellt. Eindrucksvoll ist es allemal. Wozu also Verschwörungstheorien bemühen? Kapriziöse, verstiegene, zweifelhafte Spekulationen werden nicht gebraucht. Es reicht, sich daran zu halten, was die New Yorker Behörden nicht schuldig blieben, als sie DSK behandelten, als sei bei ihm jedes Recht verhöhnt, sollte die Unschuldsvermutung gelten. Wie ein bereits überführter Verbrecher wurde der Untersuchungshäftling auf Rikers Island im East River weggesperrt, mit 14.000 Gefangenen eines der größten Gefängnisse weltweit. Wer wollte, konnte sich an die Botschaft halten: Die Hölle auf Erden für den ins Bodenlose gestürzten Direktor eines Finanzinstituts, dem es schon gegeben war, Regierungen zu stürzen. Der brillante Kopf Strauss-Kahn hat zu Angela Merkel fliegen wollen und landet im Arrest. Man darf ihm das verstörte Gesicht schon glauben, wenn er unrasiert, auf Handschellen gesetzt und von Kameras wie Bewachern eskortiert, vor seine Untersuchungsrichter tritt.

Doch was wollten die wirklich? Dass er die Wahrheit sagte, ein Geständnis ablegte und bekannte, ein Vergewaltiger zu sein? Vielleicht reichte es seinen Anklägern, wenn er ihre Macht zu spüren bekam, hinter der sich die Macht der Vereinigten Staaten verborgen hielt, ohne wirklich versteckt zu sein. Diese Macht hatte kein Problem damit, in ihrem prominenten Gefangenen weiter den brillanten Kopf zu sehen, bei dem die Andeutung lohnte: Auch Ohnmacht kann sich rechnen, falls man damit umzugehen weiß. Strauss-Kahn war streng isoliert. Aber kaum hatte er aus seiner Zelle, dem IWF einen Brief geschickt und sich als Direktor verabschiedet, verstand ein Untersuchungsrichter den Freiheitsdurst diese Häftlings sehr wohl. Es gab nach der Entlassung beim IWF eine Haftentlassung auf Kaution und die streng bewachte Freiheit im Luxusappartement. DSK war damit nicht rehabilitiert, aber wieder standesgemäß untergebracht. Die wiederhergestellte bürgerliche Fassade konnte als erste Haftentschädigung gelten. Weitere sollten folgen. Keine 72 Stunden, nachdem sich der Internationale Währungsfonds mit einer neuen Direktorin versorgt hatte, entdeckte die Staatsanwaltschaft – mit der Hauptbelastungszeugin kann man vor Gericht nur durchfallen – und zog die Konsequenzen.

Was bleibt vom Fall, von der Affäre DSK? Auf jeden Fall bleiben die Arrangements, denn die gelten weiter. Ist das Ganze ein Justizdebakel? Nicht unbedingt, die New Yorker Autoritäten haben nachgewiesen, wie sie durchgreifen können. Dominique Strauss-Kahn wurde am 14. Mai nur Stunden nach der mutmaßlichen Vergewaltigung aus dem Verkehr gezogen und mit ihm ein Projekt zu Fall gebracht, das eine Zeitenwende im IWF und der internationalen Finanzwelt heraufbeschworen hätte. Der 26. Mai 2011 sollte der Stichtag sein, um eine neue internationale Reservewährung zu etablieren und den Dollar weiter zu entmachten. Ein Vorhaben, das in den USA kurz vor Erreichen der staatlichen Höchstverschuldung von 14,3 Billionen Dollar zu Recht als worst case erkannt wurde und auf wenig Gegenliebe stieß. Wie gesagt, Verschwörungstheorien sind nicht nötig. Man sollte sich an die Fakten halten, an den 14. Mai 2011 und die Tage danach.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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