Nazi-Morde Sogar Hans-Christian Ströbele denkt jetzt über ein NPD-Verbot nach. Wer die Nazi-Attentate und Geheimdienstpannen aufklären soll, bleibt dagegen unklar
Nein, die bisherigen Erkenntnisse über die Nazi-Mordserie fügen sich auch knapp einen Monat nach der Entdeckung deren T
Neue Erkenntnisse über das horrende Ausmaß an Bewaffnung in der neonazistischen Szene. Und ein Netz an Unterstützern der Nazi-Attentäter, zu dem mehrere NPD-Mitglieder wie der mittlerweile in Haft sitzende Ralf Wohlleben gehören sollen.Nein, die bisherigen Erkenntnisse über die Nazi-Mordserie fügen sich auch knapp einen Monat nach der Entdeckung deren Täter nicht zu einer nachvollziehbaren, eindeutigen Geschichte über deren Hergang. Stattdessen: Immer neue Spekulationen, vage Anhaltspunkte, vermeintliche Verstrickungen.Kein Wunder also, dass der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele seine Äußerungen vor der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am Mittwoch mit einem Verweis auf deren sehr kurzfristiges Zustandekommen versah: „Mein Resümee der letzten Stunden“, begann Ströbele, „ist, dass ein Untersuchungsausschuss immer dringender wird.“"Unfruchtbare Zuständigkeitsdiskussionen"Doch sehen das nicht alle so. „Hässliche und unfruchtbare Zuständigkeitsdiskussionen“ sah Michael Hartmann (SPD) mit einem solchen Untersuchungsausschuss schon heraufdämmern – ohne zu bemerken, dass er sich damit bereits selbst in derartige Diskussionen begeben hatte. Vor der „Ultima Ratio Untersuchungsausschuss“ soll Hartmann zufolge eine „klug eingesetzte Kommission“ stehen, klug besetzt mit „Experten, die der Politik nahe stehen, aber nicht in deren Tagesgeschäft stecken“. Völlig unbrauchbar, entgegnete Wolfgang Nešković (Linke). Solch eine Kommission hätte keinerlei Sanktionsmöglichkeiten und würde höchstens helfen, das Thema schnell zu beerdigen. Nešković will wie Ströbele den Untersuchungsausschuss, und vorher noch einen Sonderermittler für das Parlamentarische Kontrollgremium, um dessen Mitglieder zu unterstützen. Der CDU-Politiker Peter Altmaier indessen steuerte zum Aufklärungs-Tableau die Anregung bei, das Gremium solle sich auf weitere Sondersitzungen, notfalls in der sitzungsfreien Zeit, einstellen.Fraktionsübergreifend einhellig war hingegen der Ärger über die Landesinnenminister, die ihren Verfassungsschutzbehörden untersagt hatten, Vertreter in den Kontrollausschuss des Bundestages zu entsenden. „Ein Skandal“, die Aufklärung werde so behindert, beschwerte sich der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff. Die Länder hatten ihre Beamten mit der Begründung entschuldigt, diese müssten erst einmal den eigenen Untersuchungsgremien, eben denen der Länder, zur Verfügung stehen, um dort Sachverhalte aufzuklären.NPD-Mitglieder im UnterstützernetzwerkDen interessantesten Sachverhalt gibt es in Thüringen zu klären: In jedem der dort in den vergangenen Jahren verfassten Landesverfassungsschutzberichte taucht der Name Ralf Wohlleben auf; der einstige stellvertretende Landesvorsitzende und Pressesprecher der Thüringer NPD war nicht nur zivilgesellschaftlichen Kreisen und bestimmten Medien, sondern auch dem Geheimdienst bestens bekannt. Trotzdem soll er die NSU ungestört mit Waffen und Munition versorgt haben, weswegen ihn die Bundesanwaltschaft am Dienstag verhaften ließ. Heute wollen die Ermittlungsbehörden in einer im Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz genauere Erkenntnisse bekannt geben. Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums erfuhren schon am Mittwoch, dass die bisher Inhaftierten nicht die einzigen NPD-Mitglieder des NSU-Unterstützer-Netzwerks sind, wie der Vorsitzende des Gremiums Thomas Oppermann (SPD) nach der Sondersitzung sagte.Die Erkenntnisse vom Mittwoch reichen aus, um in Sachen NPD-Verbot sogar Grünen-Politiker Ströbele zum Umdenken zu bewegen. Ströbele war zuletzt einer der wenigen, die ein solches Verbot „auch aus politischen Gründen“ ablehnten. Am Mittwoch sagte er: „Wenn ein Landesverband der NPD direkt eine terroristische, rassistische Gruppierung unterstützt hat, dann ist das Verbotsverfahren unumgänglich und dann kann das auch sehr schnell gehen.“ Schließlich könne sich ein Verbotsantrag dann auf Ermittlungsergebnisse des Bundeskriminalamtes und des Generalbundesanwalts stützen und bräuchte die Geheimdienstquellen dafür nicht mehr.Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Verfassungsschutzbehörden diese Entwicklungen erleichtert zur Kenntnis nähmen. Denn damit bliebe die V-Mann-Praxis im Allgemeinen wohl unangetastet. SPD-Mann Hartmann meinte jedenfalls: „Wer jetzt noch glaubt, er müsse lange über V-Leute diskutieren, um ein Verbotsverfahren einzuleiten, der irrt sich.“
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