Gegen die Neugier

Überwachung Die diesjährigen Big Brother Awards zeigen: Auch wenn sich Politiker zuweilen über Facebook echauffieren, das Datensauger-Prinzip haben sie längst für sich übernommen

Es ist einer dieser Preise, den keiner haben will, die aber gut für alle sind. Der Datenschutzverein Foebud hat am Freitag in Bielefeld die Big Brother Awards 2012 an "Firmen, Organisationen und Personen" vergeben, die die Privatssphäre von Menschen besonders bedrohen. In den vergangenen Jahren hat sich der Preis als verlässlicher Indikator dafür erwiesen, wo die größten Gefahren für den Datenschutz lauern. 2011 noch hatte etwa das soziale Netzwerk Facebook einen Award für die Ausbeutung privater Daten für eigene Zwecke erhalten. Damals bezeichneten selbst Mitglieder der Bundesregierung dieses Prinzip als bedenklich. Die diesjährige Verleihung beweist allerdings: Inzwischen ist das Datensauger-Prinzip von Facebook längst in der Politik angekommen.

Besonders auffällig bewies das zuletzt der CSU-Politiker Hans Peter Friedrich, Bundesinnenminister und Big-Brother-Preisträger in der Kategorie "Politik": Ohne den Bundestag zu fragen, richtete er ein Cyber-Abwehrzentrum ein, in dem Geheimdienste, Zoll und Polizeibehörden gemeinsam im Netz herumschnüffeln. Gleiches gilt für das Gemeinsame Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus, das Friedrich ebenfalls am Parlament vorbei etablierte. Außerdem plant sein Ministerium noch eine gemeinsame zentrale Datenbank - vorerst nur, um gewalttätige Rechtsextremisten zu erfassen. "Mit der Datei und den neuen Abwehrzentren werden Polizei, Geheimdienste und teilweise das Militär unter Missachtung des historisch begründeten Verfassungsgebotes, nach dem diese Sicherheitsbehörden strikt voneinander getrennt arbeiten müssen, vernetzt und verzahnt“, kritisieren die Datenschützer.

Dass es schon ausreicht, gegen Nazis zu demonstrieren, um in Visier des Staates zu kommen, hat nach Ansicht des Foebud auch das sächsische Innenministerium gezeigt und verlieh dem Innenminister den Award in der Kategorie "Verwaltung". Das Ministerium verwendete Daten aus einer Massen-Funkzellenabfrage von einer Demo gegen Rechts am 19. Februar 2011 auch in Strafverfahren, "für die man sicher keine Funkzellenabfrage genehmigt bekommen hätte", schreibt der Foebud.

In der Kategorie „Kommunikation“ dagegen geht der Award in diesem Jahr an einen Trend: die Cloud. Fast alle Anbieter für Cloud Computing seien US-amerikanische Firmen – und laut dem Foreign Intelligence Surveillance Act dazu verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf die Daten zu geben, heisst es in der Urteils-Begründung.

Den Award in der Kategorie „Technik“ erhält die deutsche Niederlassung der Gamma Gruppe in München für ihre Spionage-Software „FinFisher“. Bis vor kurzem warb die Firma noch damit, Regierungen könnten das Schnüffelprogramm über Schein-Updates zum Beispiel für das Musikprogramm iTunes auf fremden Rechnern installieren. Dissidenten sollen einen Vertrag über die Lieferung von FinFisher Software bei der Erstürmung des ägyptischen Innenministeriums gefunden haben.

Außerdem wurde die Firma Bofrost für die „rechtswidrige Ausforschung von Daten auf einem Betriebsratscomputer“ ausgezeichnet, ebenso wie die Wasserfilter-Firma Brita. Sie verteilt mit Funkchips verwanzte Wasserflaschen an Schulen, die sich berührungslos auslesen lassen. Einen Rüffel bekam auch die Firma Blizzard Entertainment, die unter anderem das beliebte Online-Spiel "World of Warcraft" vertreibt. Blizzard erfasse derart viele Daten von ihren Spielern, dass das Unternehmen inzwischen Charakterstudien und Persönlichkeitsprofile von ihren Kunden erstellen könne.

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Geschrieben von

Jacques Kommer

Journalist. Bloggt unter www.jacqueskommer.de zum Thema künstliche Intelligenz.

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