Herbst heißt Kartoffelpüree

Koch oder Gärtner Der Koch hat Pfanni satt und stampft seine Kartoffeln nun wieder selber. Er würzt das Püree mit Meerrettich und Roter Bete, statt Milch nimmt er lieber Brühe

Dieses Rezept stammt von 1822, aufgeschrieben hat es Karl-Friedrich von Rumohr, ein Kunsthistoriker aus Sachsen und der Begründer der Gastrosophie:

„Vorzüglich kommt es aber auf ein starkes Auswässern, Verkochen und Ausdünsten an bey dem Kartoffelbrey, der im nördlichen Deutschland die beliebteste Volksnahrung ist. Man schäle und zerschneide die Kartoffeln, wässere sie mehrere Stunden lang und erneuere das Wasser mehr als einmal, damit sie ihren schädlichen Saft möglichst auslaugen. Man verkoche sie dann mit häufigem Salze in Wasser bis zum Zerfallen, und gieße demnächst das etwa übrige Wasser völlig ab. Man lasse sie darauf noch eine halbe Stunde unweit des Feuers, und rühre sie von Zeit zu Zeit, damit sie alle übrige Feuchtigkeit verdunsten. Endlich verdünne man sie mit Milch oder Fleischbrühe, setze Butter hinzu, und gebe ihnen die Form und Würze, welche man liebt.“

Ich finde, eine faszinierende Anleitung: In ihr liest man zwar noch den zu Anfang des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Verdacht, die Kartoffel sei mäßig giftig, doch darauf kommt es nicht an, nur auf den letzten Halbsatz. Besser und kürzer lässt sich das Universum des Kartoffelbreis nämlich nicht beschreiben, das sich einem Koch eröffnen kann, wenn er es bei Kartoffeln-Milch-Butter einfach nicht belassen will. Karl-Friedrich von Rumohr gibt in seinem Buch Vom Geist der Kochkunst(im September erscheint eine Neuauflage bei Insel Taschenbuch) bereits eine Ahnung davon. Er empfiehlt als „Würze“ Parmesankäse und eine Mischung feiner Kräuter.

Gerührt, nicht gekleistert

Mit dem Frühherbst beginnt bei mir die Kartoffelbrei-Saison, vor allem seitdem ich mich von der Methode Pfanni verabschiedet habe. Die Kartoffeln werden gerührt, fast so wie Rumohr es empfiehlt. Allerdings benutze ich eine Küchenmaschine, auf der kleinsten Stufe, sonst hat man am Ende Kleister. Sind die Kartoffeln zerstampft, rühre ich mit der Hand einen kleinen Schuss Milch, gut Butter, Salz und Muskat unter. Das ist mein Basis-Rezept: Ein Püree mit vielen Kartoffel-Stücken. Es passt zu fast allem. Gibt es keine Soße zu meinem Gericht, mache ich kleine Ergänzungen.

Es gab eine Zeit, da dachte ich, Kartoffelbrei mit Soße ist ein Widerspruch. Selbst fade, machte er die Tunke nur langweilig. Ich verschlang schnell die Pampe, und ließ mir dann Zeit, die Soße zu löffeln. Heute weiß ich: Zu viel Milch und zu wenig Salz ergeben eine Mischung, die sich wie Mehltau über einen Teller legen kann. Und wie gesagt: Kartoffelbrei kann so lecker schmecken, da braucht es keine Sauce.

Hier sind meine Favoriten: Zuerst die Kartoffelschalen selbst. Ich putze die Knollen gut und schneide die Kartoffeln in dünne Scheiben. Das vermindert nicht nur die Kochzeit (5 Minuten), die Streifen geben dem Püree auch einen zarten erdigen Geschmack. Wenn ich viel Zeit habe, kommen die Kartoffeln in den Ofen. Bei einem Püree mit den süßen Röstaromen aus den gebackenen Schalen wird alles andere auf dem Teller zur Beilage.

Brühe statt Buttermilch

Kartoffelstampf mit Knoblauch, pro Knolle kommt eine Zehe mit ins Kochwasser – ist auch eine Wucht. Keine Angst vor Blähungen oder Mundgeruch: Gegarter Knoblauch verliert seine Garstigkeit.

Oft hebe ich auch Olivenscheiben unters Püree, Sardellen, frisch geriebenen Meerrettich oder kleingeschnittene Rote Bete. Bei Kräutern gibt es gar keine Verbote. Das ist die Würze, von der Rumohr spricht. In Form bringe ich das Püree mit Flüssigkeit. Milch kommt mir nur noch selten unter, Brühe oder Buttermilch passen besser, und statt Butter nehme ich oft Olivenöl. Das können Sie alles auch mit Pfanni versuchen. Ich verspreche Ihnen aber: Das haben Sie bald satt.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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