Schönheit als Horror und die Neuinterpretation der Gebrüder Grimm
In The Ugly Stepsister erforsche ich die Tyrannei der Schönheit und deren Auswirkungen auf junge Frauen. Das übergeordnete Konzept, das ich als „Beauty Horror“ bezeichne, wurde vom Body-Horror-Genre und der misogynen Doktrin „Wer schön sein will, muss leiden“ inspiriert. Es ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, nachdem ich selbst jahrelang mit meinem Körperbild zu kämpfen hatte und meinen Platz in der Frauenwelt erst finden musste. Mit dieser Geschichte möchte ich das Publikum in Elviras Erfahrungen eintauchen lassen und Mitgefühl, Unbehagen und Reflexion auslösen. Indem ich ihre schmerzhaften Empfindungen in den Körpern der Zuschauer spiegele, hoffe ich, eine instinktive Verbindung herzustellen, die zum Nachdenken anregt.
Elviras Reise verdeutlicht die Qualen, die das Festhalten an unerreichbaren körperlichen Normen verursacht. Ich habe mich von David Cronenbergs Ansatz für das Genre inspirieren lassen: Körperliche Verwandlungen dienen bei ihm als Metaphern für die Schwächen, Dilemmata und inneren Ängste seiner Figuren, oder als politischer Kommentar über den Einfluss der Gesellschaft auf das Individuum.
Außerdem greift die Erzählung auf die reichhaltige Welt von „Aschenputtel“ zurück, insbesondere auf die ursprüngliche Version der Gebrüder Grimm, in der die Stiefschwestern ihre Füße verstümmeln, um in den Schuh zu passen. Dieses zeitlose Märchen existiert in unzähligen Variationen – von biblischen Bezügen über chinesischer Folklore, die bekannten französischen und deutschen Nacherzählungen bis hin zu der obskuren tschechischen Adaption Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973) aus den 1970ern, die in Norwegen und Deutschland sehr populär ist. Anstatt mich an eine einzige Vorlage zu halten, habe ich mich dazu entschlossen, die Elemente, die mir gefallen, miteinander zu verweben und meine eigene Interpretation hinzuzufügen. Letztendlich sind das alles ausgedachte Geschichten, Volksmärchen, die von Generation zu Generation mündlich weitergegeben wurden, um zu unterhalten, aber auch Werte zu vermitteln.
Obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, eine moderne Aschenputtel-Geschichte zu schreiben, habe ich mich von Anfang an dafür entschieden, diese Geschichte in der unbestimmten „Einst- Zeit“ anzusiedeln. Diese Entscheidung unterstreicht auch die Zeitlosigkeit der Motive im Film, die zwar unsere heutigen Problemen ansprechen, aber letztlich nur eine Weiterführung kultureller Traditionen sind, die schon seit jeher die Wahrnehmung von Schönheit und Identität formen.
Visueller Stil und Drehorte
Die Ästhetik des Films ist stark an die osteuropäischen Märchenfilme der 1960er- und 1970er-Jahre angelehnt, die für ihren düsteren Realismus, ihre gotischen Kulissen, ihre praktischen Effekte und ihre natürliche Beleuchtung bekannt sind. Diese Filme schaffen ein einzigartiges Gleichgewicht zwischen dem Realen und dem Irrealen und erzeugen einen unheimlichen, verzauberten Realismus, der wegweisend für The Ugly Stepsister wurde.
Noch bevor ich mit Manon Rasmussen an den Kostümen gearbeitet habe, war ich maßgeblich an der Gestaltung der Garderobe beteiligt. Mode ist eine Leidenschaft von mir und ich habe frühzeitig umfangreiche Recherchen angestellt, um Silhouetten, Epochen und Details zu definieren, die zu meiner Vision des Films passten. Ich habe mich sogar mit der Mode-Ikone Lady Amanda Harlech ausgetauscht. Während manche Designer meinen Beitrag als unkonventionell empfanden, war Manon von Anfang an begeistert. Ihr legendäres Fachwissen, das durch ihre Arbeit an allen Filmen von Lars von Trier und den Gewinn von 17 dänischen Oscars geprägt ist, verlieh jedem Stück eine bodenständige Authentizität. Sie hat ein unübertroffenes Talent für Kostüme, die sich wie eine Erweiterung des Charakters anfühlen, indem sie abgenutzte, zusammengeflickte Materialien einbezieht, damit sich die Schauspieler in ihren Rollen wohlfühlen. Gemeinsam spielten wir mit den ikonischen Disney-Silhouetten für Aschenputtel und ihre Stiefschwestern und knüpften diese Entwürfe an die Zeit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts an, als die Schönheitschirurgie in der medizinischen Praxis aufkam.
Obwohl es ein Traum gewesen wäre, auf Film zu drehen, war es aufgrund der logistischen und finanziellen Anforderungen dieses Debütfilms – mit einer großen Besetzung, Schlössern, Tieren, praktischen Effekten und einem großen Ball – nicht umsetzbar. Glücklicherweise hat mein Kameramann Marcel Zyskind sein Faible für Zelluloid auf das digitale Format übertragen und mit Hilfe von speziellen Kameratechniken, der Arbeit mit starken Filtern und Experimenten mit Vaseline und Zooms eine taktile, filmähnliche Qualität erreicht.
Die Suche nach den richtigen Drehorten war ein kleines Abenteuer. Am letzten Tag der Recherche entdeckten wir das bezaubernde Schloss Gołuchow in Polen, das im Mittelpunkt des Films steht. Die Suche nach dem Schloss des Prinzen war noch schwieriger, aber wir haben schlussendlich den atemberaubend schönen Ballsaal einer Zisterzienser-Klosterruine in der Nähe des polnischen Dorfs Lubiaz gefunden. Wir hatten Glück, dass Polen großen Aufwand bei der Restauration seiner architektonischen Schätze betreibt. Die Wandmalereien von Schloss Gołuchow beispielsweise wurden von den Nazis geraubt und dann von Künstlern aus der Gegend in den 1950er- und 1960er-Jahren in mühsamer Handarbeit wiederhergestellt. Ich war über die große Bedeutung der Instandsetzung alter Gebäude für meinen Film überrascht. Der Film hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns um unser kulturelles Erbe kümmern und dass wir dabei fehlerfrei arbeiten müssen, um diese Meisterwerke nicht zu schädigen.
Die Entdeckung von Lea Myren
Da wir es mit einem Märchen zu tun haben, suchte ich nach Schauspielerinnen und Schauspielern mit großer emotionaler Bandbreite, die in der Lage sind, ihre Rollen mit einer Portion Absurdität und überzogenem Gefühlsausdruck zu spielen, ohne dass die Figuren dabei ihre Bodenhaftung oder Menschlichkeit verlieren. Ich gehe immer völlig unvoreingenommen an ein Casting heran. Ich habe keinerlei Vorstellungen, wie die Charaktere aussehen sollen. Für mich entsteht dieses Bild erst während des Vorsprechens durch die Interpretationen der Darstellerinnen und Darsteller. Der Casting-Prozess für die Hauptrollen war eine Herausforderung – bis plötzlich die richtigen Leute auftauchten.
Die herausragende Entdeckung war, wenig überraschend, Lea Myren als Elvira, die Stiefschwester. Schon bei ihrem ersten Vorsprechen war ich gefesselt; zum ersten Mal konnte ich Elvira wirklich sehen. Leas unprätentiöse Körperlichkeit, ihr präzises komödiantisches Timing und ihre unerschütterliche Hingabe ließen sie sofort als die perfekte Besetzung erscheinen. Aber was für ein Geschenk sie ist, wurde mir erst später klar. Ihre furchtlose und aufrichtige Darstellung von Elvira – die sich zwischen Unschuld und Träumen bewegt und in Wahnsinn, Schmerz und sogar viszeralen Momenten wie Erbrechen abtaucht – ist unvergesslich und bahnbrechend. Lea verkörpert all das, was ich mich als junge Frau gern getraut hätte zu sein, frei von den Zwängen des Kampfes um das Körperbild. Sie ist nicht nur ein unglaubliches Talent, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für zukünftige Generationen von Frauen und Mädchen.
– Emilie Blichfeldt, Regisseurin