Die PR-Branche feiert sich als Krisengewinner. Schließlich lassen sich auch schlechte Nachrichten gut verkaufen. Der Abbau von Jobs heißt dann einfach nur "Wandel"
Griffige Slogans zu finden ist sein Job, und deshalb hat Alexander Güttler stets hübsche Bilder parat, wenn er die Stimmung in seiner Branche beschreibt. „Wenn manche Unternehmen in der Krise mit Peanuts Top-PR kaufen wollen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn nur Affen den Job machen.“ In der Krise setzten seriöse Kunden auf Substanz, sagt der Geschäftsführer der Kommunikationsagentur komm.passion. Wer die biete, meint Güttler, ein jungenhafter 50-Jähriger, erhalte auch Aufträge.
Die PR-Branche hat 2009 im Vergleich zum Vorjahr 3,4 Prozent weniger umgesetzt. „Viele Konzerne haben ihre Marketingausgaben mit dem Rasenmäher gekürzt“, sagt Güttler. Besonders in der Technik- und Automobilbranche seien Auftr
tler. Besonders in der Technik- und Automobilbranche seien Aufträge weggebrochen. Als Krisengewinnler sehen die PR-Leute sich trotzdem, lebt die Branche doch davon, eine vielschichtige Wirklichkeit auf jene eine Dimension zu reduzieren, die den Kunden ins rechte Licht rückt. Und wenn, wie dieser Tage, Unternehmen vom Missmanagement früherer Tage eingeholt werden, bedarf es Profis, die den Scheinwerfer so hell aufdrehen, dass selbst Schattenseiten leuchten.So ließen etwa die Wadan-Werften in Rostock ihre Pleite unter dem Motto „Kommunikation in rauer See“ begleiten, die Bundesagentur für Arbeit hatte eine PR-Agentur mit der Vermarktung des Kurzarbeiterprogramms beauftragt. „Krisenkommunikation ist ein Wachstumsmarkt“, sagt Michael Kalthoff-Mahnke, Geschäftsführer der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).Paintball-Verbot verhindertDie Aufgabe der Marketingstrategen besteht dabei nicht allein darin, missliche Lagen schönzufärben. Krisenkommunikation, schreibt das Branchenblatt PR Report, sei auch die Entwicklung von „Strategien, um Gerichtsverfahren zu vermeiden oder zu gewinnen“. Welche Macht PR auf staatliche Institutionen ausüben kann, zeigt eine Kampagne der Agentur Edelman: Die PR-Strategen verhinderten im Auftrag des Forums Pro Paintballsport, dass das umstrittene Spiel nach dem Amoklauf von Winnenden verboten wurde. Unter anderem mobilisierten sie über soziale Netzwerke viele Paintball-Fans, die ihren Bundestagsabgeordneten mahnende Mails schrieben.Einen Ruf zu verlieren hatten in letzter Zeit auch Firmen, die qua Branche als Umweltrabauken gelten. Der österreichische Mineralölkonzern OMV zum Beispiel geriert sich neuerdings als Kämpfer gegen den Analphabetismus. Was das mit Öl zu tun hat? Nicht viel. Erklärtes Ziel ist auch nicht, möglichst vielen Kindern Lesen beizubringen. Vielmehr solle „alles beim Kunden ankommen, der das soziale Engagement des Mineralölmultis spüren sollte“, erklärt der PR Report.Dass der Markt für guten Spin mitnichten am Boden liegt, zeigen auch die Awards, die das Branchenblatt vergangene Woche in Berlin verlieh. Die Branche, sonst für die Inszenierung anderer zuständig, inszenierte sich an diesem Abend selbst. Große Gala im Vier-Sterne-Hotel, Sektempfang, Smokings, Abendkleider. Man speiste Kaninchenrücken und Perlhuhn „Supreme“. 600 PR-Profis waren gekommen. 21 Preise wollten an die Agentur gebracht werden. Viel Zeit für Details blieb Moderator und ZDF-Gute-Laune-Mann Markus Lanz da nicht: Die Anmoderation abspulen, den Sponsoren schmeicheln, ein paar Sekunden mit dem Preisträger plauschen, Erinnerungsfoto – der nächste, bitte. Dem Krisenmanagement galten gleich mehrere Preise – zum Beispiel in der Kategorie „Wandel“: Wenn Unternehmen im großen Stil Kosten senken, ist ein Geschäft drin für Marketingleute. Sie überzeugen Öffentlichkeit und Beschäftigte möglichst elegant davon, das Sparprogramm eines Unternehmens sei in Wirklichkeit ein Quell der Innovation. Im anglophilen PR-Sprech gern als „Change“ tituliert, das klingt nach Obama, Tatkraft, einer besseren Welt.PR-Profis halten sehr branchentypische Sätze bereit, um diesen Eindruck zu unterstreichen. Es gehe darum, sagt DPRG-Geschäftsführer Kalthoff-Mahnke, Veränderungen im Unternehmen nach innen zu kommunizieren, die Mitarbeiter mit auf die Reise zu nehmen. „Das schließt auch die Kommunikation von Entlassungen nicht aus.“ Den Angestellten schonend beizubringen, dass sie demnächst gefeuert werden – ein Feld der PR, bei dem die Kunden zurzeit nicht sparen.Der „Wandel“-Preis ging dann auch an eine Kampagne der Versicherungsgruppe Wüstenrot Württembergische, die ein gemeinsames Selbstverständnis der fusionierten Unternehmen schaffen sollte. Dazu sei man, so die Würdigung der Jury, unter anderem „Kegeln oder Grillen“ gegangen. Seit 2006, als die Kampagne anlief, hat der Versicherer aber auch 1.000 Stellen abgebaut.Fertige Interviews frei HausAuf einem anderen Feld steht die PR-Branche ebenfalls als Gewinner da: Die Redaktionen, durch Sparprogramme oft ausgedünnt und chronisch unterbesetzt, werden zunehmend empfänglich für hübsch aufbereitete Werbetexte. „Es ist leichter geworden, Themen in den Medien zu platzieren“, gibt Güttler zu. „Bei manchen Interviews recherchieren wir die Themen und müssen den Journalisten sogar die Fragen formulieren“, sagt eine Frau aus der Branche.Doch statt ihren wachsenden Einfluss zu bejubeln, machen die PR-Leute auf treuherzig: „Ein funktionierender Medienapparat ist das Beste, was uns passieren kann“, beteuert Güttler. Allzu einseitige Hurrarufe brächten seinen Kunden zwar kurzfristig Aufmerksamkeit. Langfristig aber verspielten sie so Vertrauen. Die Leser, erklärt Güttler diese Dialektik, seien ja nicht blöd.Bisweilen erkennt die Branche tatsächlich die Grenzen ihrer Macht, denn eines ist selbst den PR-Profis nicht gelungen: Die Verursacher der Finanzkrise in gutem Licht erscheinen zu lassen. Der Preis für Kapitalmarkt-PR wurde in diesem Jahr nicht vergeben – die Jury befand keinen Bewerber der Auszeichnung würdig.