Bei Diaspora sollen Nutzer ihre eigenen Daten kontrollieren können. Gründer Maxwell Salzberg erklärt, wie’s geht und wie sich die Plattform von Facbeook unterscheidet
Der Freitag: Diaspora – eine Art Facebook für die Smarten oder für die Paranoiden: Was passt besser?
Maxwell Salzberg:
Keines von beidem. Wir entwerfen ein soziales Netzwerk für diejenigen, die menschlich behandelt werden wollen. Eines, das bietet, was Facebook auch hat, aber dabei respektvoll mit den Nutzern umgeht. Facebook eignet sich die Daten aller Nutzer an und verkauft sie an Firmen, die dann personalisierte Werbung schalten. Vielleicht sind wir wirklich paranoid, denn wir wollen keinem Unternehmen unsere Daten anvertrauen. Deshalb schaffen wir das, was Facebook von Anfang an nicht sein wollte: Ein dezentrales Online-Netzwerk, das die Privatsphäre der Nutzer respektiert.
Glauben Sie, es stört Facebook-Nutzer, wenn die Werbeabteilung von
Privatsphäre der Nutzer respektiert.Glauben Sie, es stört Facebook-Nutzer, wenn die Werbeabteilung von tui deren Karibik-Fotos sieht? Soll das ein Grund sein, zu Diaspora zu wechseln?Es geht um Privatsphäre und das bedeutet mehr, als Geheimnisse zu hüten. Es geht um die Selbstkontrolle über meine Daten. Facebook überwacht jeden Schritt der Nutzer und hat die Verwertungsrechte. Ich möchte den Leuten ein Tool geben, mit dem sie ihre Daten so austauschen, dass sie selber davon profitieren und nicht andere damit Geld machen.Wie soll das funktionieren?Diaspora wird über eine ‚Freedom Box’ laufen: Diese hat jeder Nutzer auf seinem eigenen Rechner, sie verschlüsselt das Backup der Daten und reicht sie nur an die Freunde weiter, für die jene Daten freigegeben sind, ohne dass eine zentrale Server-Instanz sie abgreifen könnte. Ich will den Leuten nicht vorschreiben, dass sie Facebook verlassen sollen – aber es gibt viele, die Facebook kritisieren und nur dort bleiben, weil es alternativlos ist. Wir bieten ihnen ein Netzwerk, in dem sie mit ihren Daten machen können, was sie wollen. Sie können sogar ihre eigenen Daten verkaufen, wenn sie das wollen. Sie sind einfach selbstbestimmter.Ist es möglich, samt der eigenen Daten von Facebook zu Diaspora zu wechseln?Das ist ganz leicht. Wir ermöglichen den Leuten, ihre Fotos und alle gespeicherten Informationen mit einem einzigen Klick einfach zu Diaspora mitzunehmen. Alles, außer das bereits bestehende Freundesnetzwerk, kann man exportieren.Man muss also alle Freunde neu anfragen. Klingt ziemlich aufwendig. Reicht wirklich allein das moralische Argument, um Facebook ernsthaft Konkurrenz zu machen?Daran arbeiten wir. Beim Social Networking geht es bekanntlich ums Teilen, um den Austausch von Informationen. Ich glaube aber, dass man auf Facebook nicht alles postet, was einen beschäftigt. Diese Barriere fällt weg, wenn es keine externe Überwachung mehr gibt und man bestimmte Geschichten, Bilder oder Links nur mit ausgewählten Vertrauten teilen kann. Dass man das Freundesnetzwerk nicht automatisch zu Diaspora übertragen kann, ist für uns aber auch eine Chance.Inwiefern? Wir haben sooo viele „Freunde“ auf Facebook. Man kann kaum wissen, wer das liest, was man postet. Durch diese Unübersichtlichkeit haben wir Teile unserer Privatsphäre selbst abgeschafft. Wir möchten bei Diaspora dagegen transparent machen, wohin welcher Post geht und wer was sehen kann. Wir stellen ein Tool zur Verfügung, mit dem man sich wieder an kleinere Gruppen von Leuten wenden kann.Das hat Facebook auch, das eigentlich Neue ist doch: Es wäre mit Diaspora erstmals möglich, alle im Netz verteilten Daten auf dem eigenen Rechner unter Kontrolle zu behalten und dann in verschiedenen Rollen unterwegs zu sein?Genau, man hat dann einen Kreis, mit dem man gern Party-Bilder austauscht, einen, an den man Jobangebote weiterleitet und mit dem man politische Ideen diskutiert – und ein paar Leute, die man wirklich Freunde nennt, denen man Persönliches erzählt. Wir können Facebook auch nur schlagen, wenn wir das Spiel ein bisschen mitspielen. Und gleichzeitig einen von außen unkontrollierbaren Austausch für die Nutzer bieten.Nicht nur Diaspora ist dezentral aufgebaut – auch dessen Herstellung ist ziemlich demokratisch organisiert: Sie haben vor ein paar Monaten die Rohfassung online gestellt und jeder konnte sie mit verbessern.Wir suchten die Unterstützung anderer Programmierer, um das beste Internet-Angebot zu schaffen, das Privatleuten je geboten wurde. Solche Open-Source-Communities sind toll: Wir hatten die Idee, haben die Basis geschaffen, aber jeder darf sie jetzt weiterentwickeln. Wenn jemand einen Fehler entdeckt und repariert oder eine neue Funktion kreiert, dann kann er uns eine Nachricht schicken und vorschlagen, dass wir das integrieren.Diese so genannten Developer könnten Ihnen einfach den Code klauen und das Projekt als eigenes Netzwerk selber veröffentlichen.Klar, aber davor haben wir keine Angst. Am Ende geht es darum, welches Netzwerk besser ist. Das zeigt sich auch darin, wer am meisten daran arbeitet, Zeit und Ideen investiert, um das Projekt bestmöglich zu gestalten. Gerade sind wir das, weil wir den Einfall hatten und für dessen Umsetzung viel Geld bekommen haben, so dass wir täglich daran arbeiten können. Je mehr Leute ernsthaft mithelfen, Diaspora zu entwickeln, desto besser wird es.Sie arbeiten immer weiter?Die erste Version des Sozialen Netzwerks, die wir jetzt veröffentlichen, sieht zwar schon fertig aus und kann benutzt werden. Aber wir werden versuchen, sie weiter auszubauen und zu vereinfachen. Nur, wenn die Leute meckern, wissen wir, was wir ändern müssen. Ein Open-Source-Code ist niemals fertig – und wir sind es auch nicht. Wir sind gerade gut genug für das Jetzt.Sind Sie antikapitalistisch?Ich bin nicht antikapitalistisch, aber ich interessiere mich für Netzwerke, in denen es mehr um Menschen geht als um potenzielle Kunden. Wer mit menschenunwürdigen Geschäftsmodellen im Netz Erfolg hat, dem verderben wir gerne den Spaß.Das Gespräch führte Carolin Wiedemann, 27. Sie promoviert gerade über digitale Netzwerke. In ihrem Buch Selbstvermarktung im Netz analysiert sie Facebook