Unsere Kolumnistin setzt für 2012 auf die weiblichen Stimmen - etablierte wie Adele, gerade erst hochgeschossene wie Lana del Rey und neue wie Azealia Banks
Der Jahreswechsel ist die Zeit der Rückblicke und Vorschauen.
Was die musikalischen Prophezeiungen angeht, hat seit Jahren die BBC „Sound of...“ Liste den Riecher vorne. Dort wurden Adele, Little Boots oder Ellie Goulding schon gehypt, bevor der Mainstream überhaupt nur deren Namen gehört hatte. Selbst 50 Cent hat es dort mal an die Spitze geschafft. Aber generell beweist die BBC tatsächlich Geschmack in ihrer Auswahl. In diesem Jahr scheinen vor allem Ren Harvieu und Azealia Banks gute Aussichten auf ein erfolgreiches 2012 zu haben.
Die 21-jährige Ren Harvieu hat als Tochter eines Musikers schon früh an Noten geschnuppert. Das Repertoire ihres Vaters an irischen Folksongs mag sie genauso beeinflusst haben wie die Liebe ihrer Mutter zu Stevie Wonder
hres Vaters an irischen Folksongs mag sie genauso beeinflusst haben wie die Liebe ihrer Mutter zu Stevie Wonder und John Cooper Clarke. Dazu kam noch die eigene Begeisterung für Künstlerinnen wie Joni Mitchell und Joan Baez, aber auch The Smiths. Mehr über ihre musikalischen Einflüsse erzählt die Musikerin im Interview mit Tim Jones im Videoblog des britischen Guardian. Harvieus eigener Sound haftet der Glitter vergangener Glamourshows an, vom streichergetränkten Soul einer Dusty Springfield bis zum cinematisch-melancholischen Pop der Walker Brothers, heißt es bei der BBC. Ansonsten glaubt man, dass die junge Musikerin, deren Kindheit bereits von Talentshow-Auftritten geprägt war, auch in die Fußstapfen Duffys oder gar Adeles treten kann. Und das obwohl ihre Stimme ein viel weicheres und anschmiegsameres Timbre hat, als die Organe der Retro-Soul-Ladies. Noch heißer als Ren Harvieu wird Azealia Banks gehandelt. Die 20-jährige Amerikanerin macht seit vergangenem Dezember die Blogs nervös, nachdem sie mit „212“ ihre MC-Qualitäten unter Beweis gestellt hat. Die BBC hält es außerdem für ein Qualitätssiegel, dass Banks auf der selben Highschool wie einst Al Pacino war. Der britische NME kürte sie gar zur "coolest person of 2011" und Anfang dieser Woche sorgte ihr Videoauftritt bei den Scissor Sisters für Gesprächsstoff, auch beim Internetblog Pitchfork. Ebenfalls unter den vielversprechenden Anwärtern für 2012 sieht die BBC das New Yorker Quintett Friends, auf das auch schon das Stereogum in der Kategorie „Bands To Watch“ ein Auge geworfen hat.2010 fand sich die Band aus Brooklyn für ihren „weird pop“ zusammen – nach einer durchjammten Nacht im Apartment von Sängerin Samantha Urbani. Als „organisch“ bezeichnen Friends ihr musikalisches Zusammenwachsen. Professionalität scheint wie nebenbei zu passieren, Hauptsache, das gemeinsame Abhängen macht Spaß. Zur ersten Single „I'm His Girl“ lässt sich deshalb gleichermaßen gut die Tanzfläche betreten wie lässiges Danebenstehen praktizieren. Das fiel auch der New York Press auf, die über Friends Live-Gig urteilen, sie seien in ihrer Feierstimmung hochgradig ansteckend. Diese Fröhlichkeit dürfte auch Weird Popper und Gute-Laune-Löckchen Darwin Deez gefallen haben, der die Band bereits als Support für seine US-Shows einlud. In Deutschland erscheint ihr Debüt Ende April.Auf meiner persönlichen Newcomer-To-Go-Liste steht auch das Berliner Duo Me And My Drummer. Charlotte Brandi und Matze Pröllochs nennen ihren Sound Indie-Dream-Pop und arbeiten gerade fleißig mit Klez.e-Mastermind und Kettcar Produzent Tobias Siebert am Debüt. Den ersten Eindruck von ihrem harmonisch ineinander greifenden Keyboard-Percussion-Spiel konnte ich mir beim letztjährigen Reeperbahnfestival verschaffen. Dort war es bei ihrem Auftritt so überfüllt in der, zugegeben, kleinen Location, dass ich nur von draußen ein paar Songs verfolgen konnte. Derzeit sind sie aber wieder auf Tour und ihr aktuell veröffentlichtes Video zur Single „Runner (Reprise)“ auch bei Tonspion verlinkt."Runner (Reprise)" by Me And My Drummer from Sinnbus on Vimeo.Frau-Mann-DuoIcona Pop„Almost Famous“Guardianexklusiven TrackNoch mehr Newcomer sind ab nächste Woche beim Eurosonic Festival vertreten, das vom 11. bis 14. Januar in Groningen stattfindet und traditionell den Run der Hoffnungsvollen auf die begehrten vorderen Plätze des aktuellen Musikjahres eröffnet. Und wer keinen Bock hat auf unbekannte Bands, der lässt sich von Stereogum die Aussicht auf neue Veröffentlichungen von Cat Power, Madonna, Santigold oder The XX erhellen. Außerdem muss die Frage beantwortet werden, ob Lana del Rey, die in den letzten drei Monaten aufgeheizte Erwartungshaltung an ihrer Person mit ihrem Debüt befriedigen kann. Ich bin überzeugt, sie kann. Am 27. Januar erscheint „Born To Die“, das Video zur dritten Single und der Titeltrack kam noch im Dezember raus – bombastischer Kitsch, mal nicht aus selbst zusammen geschnittenen Super8-Filmchen bestehend, sondern von Fotograf und Regisseur Yoann Lemoine in Szene gesetzt. Der Franzose hat übrigens selbst ein Bandprojekt: Woodkid – auch das soll 2012 ganz groß rauskommen.