Auf der Schlossfreiheit I

Heimatlos: Erinnerung an das Ende des Neuen Bauens

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Dieser Blog kommt aus der Zukunft. 08.07.20?? Rem Koolhaas ist vorbeigekommen. Er sitzt mit Mies drüben am Rand der Schlossfreiheit. Das Plateau liegt etwas höher, man hat einen guten Überblick. Sie angeln. „Warum bist Du damals aus Deutschland weggegangen?“ fragt Rem. Mies blinzelt in die Sonne, zieht noch ein, zwei mal an der Havanna. Er dreht sie zwischen den Fingern und betrachtet sie nachdenklich. Vielleicht weiß seine Zigarre die Antwort, denkt Rem noch kurz: „Wenn Du nicht darüber reden magst...“

Mies räuspert sich: „ Mein Denken treibt in die Räume,“ sagt er dann leise, „in jedem Wort warten etliche Fallen..... ich habe nicht Wörter, sondern Steine geschlagen, .....gespitzt, geschliffen, poliert und gesetzt..... Stahlglieder geordnet, Wände gespannt, dazwischen fließt der Raum....“ er verstummt wieder. „ Deinen Barcelona-Pavillon liebe ich sehr,“ sagt Rem in das Schweigen. Mies freut sich darüber und er öffnet sich jetzt in die Erinnerung: „Wir lebten in einer großen Zeit, alle zusammen waren wir auf der Suche nach einem Weg in eine bessere Zukunft!“

Marlene steigt aus dem archinaut: und ruft fröhlich über den Platz zu Mies und Rem: „Jungs, habt ihr etwas für die Kaninchen geholt?“ Sie kommt zu den beiden herüber, Ernst Jünger trägt ihr einen Klappstuhl nach. „Die Fische beißen nicht in Berlin,“ stellt Rem fest. Marlene betrachtet spöttisch die beiden Architekten: „Fressen niederländische Kaninchen Fisch?“ „ Nur die Männchen,“ erwidert Rem, „ sie müssen besonders fruchtbar sein und weit über die Polder schwimmen!“ Er lacht, kommt dann zum Thema zurück: „Man kann Euch beneiden um Eure große Zeit. Die Welt war so jung damals!“

„Rem will wissen, warum wir aus Deutschland weggegangen sind," Mies lässt die Havanna sachte glimmen. Marlene überlegt nicht lang: „In Deutschland kann man nicht wachsen.... Du musst immer den Platz nehmen, den sie Dir geben, willst Du einen besseren, musst Du Dir neue Freunde suchen.“

„Das stimmt nicht ganz,“ sagte Mies, „ ich konnte sehr wohl in Deutschland wachsen, mit jedem Haus, mit jedem Bauherrn habe ich einen neuen Raum erobert, aber ich hatte Glück dabei. Sie haben mich gefördert, und ich habe ihr Geld in schöne, wahrhaftige Formen gegossen. Bauen ist teuer wie Rauschgift oder Pferdewetten, nur große Gärten sind noch verheerender für die Finanzen. Meine Bauherrn hatten die gleiche Sehnsucht wie ich und wagten sich auf Expeditionen zu den Schönheitsidealen der neuen Freiheiten.....“ „Du bist ja schrecklich romantisch heute, lieber Mies, so kenne ich Dich gar nicht,“ kommt die Nachfrage von Marlene, „warum bist Du denn gegangen?“

„Wir bauen nach Brot,“ sagt Mies jetzt leise, „wir sind wie Huren, die ständig die Träume ihrer Freier bedienen müssen.“Rem folgt dieser Wendung gerne: „Du hast recht, wir erfinden aufreizende neue Attraktionen wie Designer-Drogen und präsentieren sie auf rotem Samt in den Fenstern am Achterburgwal!“ „Damals haben sie das Demonstrationsrecht abgeschafft, musst Du wissen, die Harzburger Front machte sich einunddreissig langsam breit, im nächsten Jahr kam eine Delegation zu uns nach Dessau, die NSDAP hat unsere Schließung beantragt..... furchtbare Angst hatte ich, ich musste kämpfen wie ein Bär und schaffte es mit Glück, in Berlin eine neue Schule einzurichten ..... in Dessau haben sie dann nach einem großen Fest unsere Studenten inhaftiert, darauf haben wir eine Versammlung mit allen Meistern abgehalten, wir haben unsere Auflösung beschlossen....“ wie von fern kommen seine Sätze über die Kapitulation der Legende.

„Das Volk heult gern im Rudel...“ kommentiert Jünger trocken, „und die neuen Freier haben dem falschen Hund das Brot verwehrt, wenn ich mich recht erinnere.“


Hier endet der 6. Eintrag: Dieser Blog ist fiktiv und getrieben von automatischer Niederschrift. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO: Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleiben Sie dran.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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