Chaotischer Schmetterlingsflügel

Insel Berlin - als wir auf der Mauer getanzt haben

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Früh in’s Bett am 9. November 1989: zufällig mit einem Seitenblick die Fernsehnachricht gestreift, ein rätselhafter Moment, Schabowskis Zettel aus der Jackentasche .... das Knistern nicht gehört, tauber Schlaf traumlos bis etwa halb vier Uhr morgens unser Telefon klingelt. Eine Stimme, zu hören als etwas ältere Dame, hat jemand anders an diesem Anschluss erwartet. Sie entschuldigt sich: „Ich bin ja so aufgeregt!“ Hätte ich gefragt warum....

Auch in Berlin-Schöneberg konnte man mit dem Radiowecker die Sender der Hauptstadt der DDR empfangen, der Zufall hatte vor einigen Wochen die Senderwahl in eine Ostberliner-Frequenz getrieben, der Weckspruch kam also mit den 7-Uhr-Nachrichten: „In der Nacht und in den frühen Morgenstunden nutzten mehrere tausend Bürger der Deutschen Demokratischen Republik die neuen Reiseregelungen.....“

Geweckt immerhin mit überraschenden Ankündigungen, aber noch immer halb träumend, zum Kudamm in den Büroalltag, und dann schließlich die Einsicht in den Ernstfall: es gab kein Vor und kein Zurück mehr, viersitzige Plastewanderer verstellten jeden Weg und jede Fläche, ihre vielköpfigen Besatzungen eroberten still und machtvoll einen neuen Raum.

Alle Tore dicht umlagert, am Brandenburger treffe ich dann einen früheren Kommilitonen mit leuchtenden Augen, atemlos: „Wir waren heute Nacht drüben..... wir sind vor bis zur Friederichstrasse.... auf der Mauer haben wir getanzt....Grenzer und Vopos haben nur zugesehen....von beiden Seiten sind die Menschen dazugekommen!“

Schabowski fand den Schmetterlingsflügel der Chaostheorie. Erst später habe ich verstanden, dass in jener verblassenden Nacht die Berliner Insel unserer Jugend untergegangen ist im salzigen Meer wie das oft besungene Atlantis. Sind wir erwachsen geworden?

Der Vater meiner Liebsten starb unerwartet, ein knappes Jahr nach dem Mauerfall gab sie unserer ältesten Tochter das Leben: beinahe zum Tag der ersten Einheitsfeier. Mächtig kommt der November.......

Hier endet der 25. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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