WDR 3-"Reform" zwecks besserer "Durchhörbarkeit" trifft auf Kritik

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Nach den Erfahrungen mit Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder spitzt so mancher ängstlich die Ohren, wenn das Wort “Reform” fällt. Vor Schröders Regierungszeit verbanden wohl die meisten Menschen – ob nun berechtigt oder nicht – dieses Wort mit zu erwartenden Verbesserungen. Nach Schröder sind Viele klüger. Auch WDR-Mitarbeiter und deren Hörerinnen und Hörer. Mit Skepsis blickt man auf eine geplante WDR 3 -Reform. Man will vor dem Schaden klug sein. Deshalb haben sich die “Radioretter” aufgestellt. Viele Menschen unterstützen sie mit ihrer Unterschrift. Inzwischen haben den "Offenen Brief" über 15.600 Menschen unterschrieben.

Den Hintergrund für die Proteste erläuterte die Autorin Erika Fuchs auf den NachDenkSeiten

Im WDR gärt es, und zwar seit langem. Ob es um die schleichende Boulevardisierung des Fernseh-Nachrichtenmagazins Aktuelle Stunde geht oder den Abbau von lokaler Berichterstattung im Hörfunk: vor allem die Mitarbeiter des Senders, die ihre Aufgabe als kritische Wächter in Nordrhein-Westfalen noch ernst nehmen wollen, fragen sich, ob sie den richtigen Beruf gewählt haben. Die größte ARD-Anstalt verliert unter der Ägide ihrer Intendantin Monika Piel (Jahresgehalt 2009: 308.000 Euro) immer mehr an Anspruch und journalistischem Profil. Gleichzeitig scheint es, als räume Monika Piel als derzeitige ARD-Vorsitzende auch noch bundesweit wichtige Bastionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugunsten der privaten Verleger.

„Hans“, geboren 1948, ist angestellter KFZ-Meister. „Leicht übergewichtig und mit hohem Blutdruck“ lebt er mit Hund („Molli“) und Frau („Brigitte“) in einem Reihenhaus in Hagen. Seinen Partykeller hat er schon lange nicht mehr benutzt. Allerdings fährt er einen Opel Vectra (Stufenheck) und geht kegeln. In der Erotik mit seiner Frau Brigitte (die 57-Jährige ist im Übrigen „topfit“, hat aber „gelegentlich Migräne“) ist er „aufgeschlossen, aber diskret“. Hans und Brigitte gibt es nicht wirklich. Aber sie sind – kein Witz – die prototypischen Hörer der Hörfunkwelle WDR4. Für diese Zielgruppe gilt es Programm zu gestalten. Da heißt es dann in einer senderinternen Anweisung an die Programmmacher: „Wir wollen nicht zu viel voraussetzen und Fremdwörter meiden.“ Ähnlich geht der WDR auch mit seinem dritten Fernsehprogramm und den anderen Hörfunkwellen um. Sogar das Multikulti-Programm „Funkhaus Europa“ hat seine Musterhörer: „Carla“ und „Sami“. Die beiden sind „zielstrebige Trendsetter“ und „moderne Kulturorientierte“. Nicht mehr Bildung, Information und Unterhaltung (wie die BBC das definiert) für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger ist der Auftrag, obwohl er so im Gesetz steht. Nicht mehr das, was die Redakteure und Autoren für wichtig halten, hat im Quotendenken von Monika Piel eine Chance. Entscheidend sind Stromlinienförmigkeit, „Durchhörbarkeit“ und das Vermeiden von allem, was sperrig oder gar anspruchsvoll sein könnte. Für Letzteres werden kleine (Programm-)Inseln geschaffen („Politikum“ auf WDR 5 beispielsweise), auf die die Hausspitze dann bei etwaiger Kritik als Alibi verweisen kann.

„Der Fisch stinkt vom Kopf her“, sagt einer der WDR-Mitarbeiter, die „auf gar keinen Fall“ namentlich zitiert werden möchten. Die WDR-Chefin gilt als äußerst nachtragend, humorfrei und zutiefst intellektuellenfeindlich: „Sie ist gegen alles, was sie einfach nicht versteht, und das ist viel“. Die Stimmung im Haus, in dem Misstrauen und Unsicherheit hierarchisch streng von oben nach unten durchgereicht werden, ist entsprechend angespannt. Statt den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag ernst zu nehmen, reduzieren die Verantwortlichen die WDR-Programme auf ihren jeweiligen „Markenkern“.

Das Wort “Durchhörbarkeit” läßt die Alarmglocken schrillen

Die Befürchtungen der WDR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich der geplanten WDR 3-Reform zwecks einer besseren “Durchhörbarkeit” (!) scheinen nicht unbegründet zu sein. Und die hohe Zahl der Menschen aus allen Teilen Deutschlands und wohl auch aus dem Ausland, die bislang den “Offenen Brief” auf den Seiten der “Radioretter” untschrieben haben, zeigt dass das öffentliche Interesse an der Geschichte hoch ist.

Schließlich erlebten in den vergangenen zwei Jahrzehnten (und davor seit Installation des Privatfernsehens) viele Menschen, dass sich die öffentlich-rechtlichen elektronischen Medien mehr und mehr der Seichtigkeit und Beliebigkeit in Sachen Programm den Privaten anpassten, statt auf ihre bewiesene Kernkompetenz zu setzen und dem Informations- und Bildungsauftrag vollumfänglich in bestmöglicher Programmqualität zu entsprechen.

Angesichts dessen sind nun gewiss diejenigen zu verstehen, bei denen, wenn sie ein Wort wie (bessere) “Durchhörbarkeit” lesen, die Alarmglocken schrillen. Und: “Wir wollen nicht zuviel voraussetzen und Fremdwörter vermeiden.” [sic!] Da kann man sich schwer helfen: Das klingt ziemlich genau nach mehr Dudelfunk oder gar nach “Tittytainment”.

Auch die Kritik an einer “Boulevardisierung” des Abendmagazins “Aktuelle Stunde” dürfte berechtigt sein. Wer dieses werktäglich doppelmoderierten NRW-Nachrichtenmagazin täglich sieht, kann die Kritik nachvollziehen. Es ist zwar nicht immer so; dennoch erlebt man desöfteren, dass da plumpe Klischees bedient oder holzschnittartige Erklärungen formuliert werden. Auch das Tralala bei der Moderation hat zugenommen. Wer es nicht besser wüsste, könnte beim Ansehen der “Aktuellen Stunde” durchaus denken, die Sendung käme aus dem Hause RTL. Niemand – auch die senderinternen Kritiker nicht – dürften nun für ein Abendmagazin aus der Fernsehmottenkiste mit stocksteifen Moderatoren plädieren: Allein man will die Qualität erhalten bzw. wiederherstellen, die man von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwartet und mit Verlaub: auch erwarten darf und aus diesem Grund vehement einfordern muss!

Die Initiatoren des “Offenen Briefes” an die WDR-Intendantin Monika Piel sind erfreut, dass ihre “Initiative einen wachsenden, aber bislang stumm gebliebenen Unmut” bis dato über 15.000 Unterstützer gefunden hat. An die gerichtet heißt es: ” (…) die Entwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den letzten Jahren rufen Kritik, Besorgnis, oft aber auch Resignation hervor. Diese Initiative ist die Chance, daraus eine große öffentliche Kraft zu machen, die mit ihrem (den UnterstützerInnen; d. Autor) Protest und ihren Forderungen der Tendenz zur Verarmung und Reduzierung entgegen tritt – für ein künftiges Kulturradio auf der Höhe der Zeit: den Menschen und der Welt zugewandt, kritisch, intellektuell anregend und streitbar, lebendig, auf Verständigung bedacht, mit Zeit und Raum für Refexionen und Einordnungen. (…)”

Eine Empörung und die Aufforderung zum Handel – möchte man meinen - ganz in Sinne des großartigen Stéphane Hessel (“Empört euch!”), der gestern Abend noch zu Gast in der WDR-Talkshow von Bettina Böttinger war.

Der Stand der Dinge

Aktuell gilt: Die WDR-Geschäftsleitung hat angekündigt, dass am 20. März im Programmausschuss versuchen wird, ihre “WDR 3-Reform” durchzusetzen.

Bereits für den kommenden Montag, den 19. März, hat die “Initiative für Kultur im Rundfunk” gemeinsam mit einigen NRW-Kulturschaffenden die Mitglieder des WDR-Programmausschusses zu einem Gespräch in das Kölner Museum Ludwig geladen hat.

Photo/Quelle: Marx Wagenknecht via Pixelio.de

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Readers Edition

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Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

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