Die KUNSTZEITUNG- Qualität umsonst

Durchblick Kunst Die KUNSTZEITUNG Gabriele Lindingers und Karlheinz Schmids liegt fast überall herum. Wahrscheinlich ist sie deshalb so gut!

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Die „KUNSTZEITUNG“- Qualität umsonst

In Zeiten, in denen selbst kritische und allumfassende Genregrößen des Pressewesens zu Fachblättern für Pimmellängen mutieren („Tageszeitung“), fällt es schwer noch an Zeitungsköpfe und Titel zu glauben. Auch der Preis eines Presseproduktes sagt längst nichts mehr über seine Qualität.

Ich erlaube mir daher, einmal eine Überprüfung an einem unverfänglichen, weil gratis feil gebotenen, Zeitungsprodukt. Die „KUNSTZEITUNG“ liegt in Museen und Galerien aus und hat eine Auflage von 200.000 Exemplaren. Man kann sie sich auch nach Hause schicken lassen, dann kostet sie 37 € im Jahr.

Ich lasse es mir nicht nehmen und nehme sie, bei passender Gelegenheit, immer gratis mit. Das geht, weil hinter der „KUNSTZEITUNG“ der Verleger und Herausgeber Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid ein Verlag steht, der auch Reihen zur zeitgenössischen Kunst („Statement“), zum Kunstbetrieb und seinen Spielregeln (Ratgeber Kunst) , Jahresüberblicke zur aktuellen bildenden Kunst („Kunstjahr“) anbietet und einen Brancheninformationsdienst (Informationsdienst KUNST) betreibt. - Die reichliche Anzeigenakquise prägt manche Seite des auf einfachstem Zeitungspaier gedruckten Blattes. Zugleich arbeitet die Firma Lindinger + Schmidt aus Regensburg als Presse und PR-Agentur für Kunstveranstaltungen ( www.lindinger-schmid.de/index.html ).

Hier soll es aber ausschließlich um die öffentlich ausliegende Zeitung, gehen. Was wird also geboten "für lau"? Was steht geschrieben in der Ausgabe 12-2009:

Animalische Kunsthändler

Claudia Steinberg liefert den „Aufmacher“. Ein, zwischen leicht verschleierter Bewunderung und sachlicher Beschreibung der Business-Willkür changierendes Porträt des Galeristen Larry Gagosian, Spitznamen „Go-go“, der sich ab 1980 vornahm, es in zwei Jahren (sic!) zu Geld und Ruhm zu bringen. Er hat es dann noch schneller geschafft. Acht Galerien gehören ihm heute. Bedeutende Künstler küssen das Monster. Sie wollen auch reich werden. Sein "Einstieg" gelang durch den Kontakt zu Aufgestiegenen. Der Milliardär Eli Broad und der Kunsthändler Leo Castelli bahnten ihm den Weg. Sie bewunderten Gagosians „Umtriebigkeit“.

Eines seiner „Verfahren“: Lasse dich von vermögenden und besitzenden Sammlern einladen, dokumentiere was sie in Tresoren bunkern und entlang ihrer Hausflure hängen und teste dann, wer dafür eventuell bereit sein könnte, sehr, sehr viel Geld zu zahlen. Dann überrede sie, deinen ehemaligen Gastgebern Angebote zu machen, von denen sie bisher nie zu träumen wagten. - Das ist die Formel, „Mache Angebote, die sie nicht ablehnen können“.

Wenn das kein interessanter Auftakt für eine Kunstzeitung ist, dann weiß ich es nicht! Selbstverständlich hat so einer auch den Generalbundesanwalt wegen Steuerhinterziehung auf den Fersen und wird von „renommierten Kunstkritikern“ als „Hai und Genie“ gefeiert. Offenbar kann Herr Gagosian Austellungen insszenieren, die „museumsreif“ sind und den Kunstmarkt, wie einen Ersatzaktienmarkt befeuern.

Blauglocken vor Steinkunst

Seite 2 widmet sich meinem Frankfurter Lieblingsmuseum, dem altehrwürdigen, nun zum Zwecke der Sakralisierung der Kunstbetrachtung entrümpelten, Skulpturenmuseum Liebieghaus am Frankfurter Schaumainkai, genannt „Museumsufer“.

Mitnichten sehen die Besucher nunmehr mehr aus dem Depot der 3000 Exponate, so, wie es Dorothee Baer-Bogenschütz, vom Umbau enthusiasmiert, fantasiert.

Ein Besuch dort, lohnt jedoch allemal. Schon allein wegen des urtümlichen Altbaus, in dem, nach vielen Treppenstufen, Angelika Kauffmanns Porträt des Johann Joachim Winckelmann im Halbdunkel eines getäfelten und Vitrinen bestandenen Zimmerchens wartet, schon allein wegen der unverschämten Chance an einem Nachmittag einen Überblick zur Kunst der Plastik durch die Jahrtausende mitnehmen zu können.

Zuletzt, es fasziniert der Ort selbst, diese Industriellen-Villa mit ihrem großen Blauglockenbaum (Paulownia Tomentosa) im Kaffeehof und einem kleinen Gründerzeit-Garten. Es ist einfach angenehm dort Zeit zu verbringen und hebt sich wohltuend ab, vom ganzen Auftrieb rund um das Städel in der nächsten Nachbarschaft. - Die Geschichte der Paulownie in Frankfurt und Darmstadt, das wäre ein eigenes, spannendes Kapitel!

Überall Urheberrechte

Auf der gleichen Seite, ein Editorial mit Brisanz: „Kämpferisch“ klagt da Karlheinz Schmid, der Chefredakteur, die „VG-Kunst“, also die Interessenvertretung der Künstler (und vor allem der Galeristen) in Sachen Bildrechte-Verwertung (also Honorare) verlange vor Drucklegung der aktuellen „KUNSTZEITUNG“ ganze Seitenlayouts zur Kontrolle und Genehmigung und bestehe auf den Austausch von Abbildungen. Die Bildredakteurin, Frau Hoyer, wird zitiert. Es gäbe in letzter Zeit vermehrt solche „Kontrollversuche“. - Kennen „Der Freitag“ und seine Leser diese Diskussion nicht ?

Digitale Moderne und Postmoderne verfallen gemeinsam

Was passiert mit der nicht lange haltbaren Video- und Medienkunstartefakten, fragt Matthias Weiß auf Seite 3.

Nicht nur die aktuelle, längst massenhafte Produktion der digitalen Kunst ist in Gefahr, nein, die Frühformen, auf Tonbändern, Videos, ersten 5-1/4 Zoll Disks und Bandlaufwerken für große Server ist extrem bedroht. Vor allem trifft es interaktive Installationen, bei denen mit heute unvorstellbar primitiver Technik eine „Schnittstelle“ zum Betrachter und Nutzer der Kunst hergestellt wurde. Das war damals kostspielig, und wird heute noch unbezahlbarer, weil es auch zu wenige kenntnisreiche Restauratoren und Instandhalter gibt. Firmen, die die damals höchstleistenden Computer herstellten, gingen längst in Konkurs und Nachfolgeprogramme wurden nicht geschrieben.

An den großen staatlichen Museen und Archiven (Bayrische Staatgemäldesammlung, Stiftung Preußischer Kulturbesitz) scheint man sich bisher nicht allzu intensiv damit zu befassen, vielleicht weil man schon mit der Sicherung der alten Kulturtechniken und Kunstformen genug zu tun hat.

So erwarb die Kunsthalle Bremen eine Arbeit Herbert W. Frankes und seiner Mitstreiter, auf Papier gedruckt, „Porträt Albert Einstein“ (1972), die nur einen „Ausdruck“ einer frühen PC- Arbeit darstellt.

Von 250 Werken in der Jubiläumsaustellung des ZKMs in Karlsruhe können nur 80 noch original präsentiert werden. Die digitale und mediale Kunst hat eine beachtliche Verfallsrate, selbst nach der Musealisierung und Archivierung!

Welche Bemühungen im darauf spezialisierten Doerner-Institut zu München, am >>DAM<<, dem noch virtuellen Digital Art Museum zu Berlin, oder bei der Medienkunstsammlung des ZKM in Karlsruhe, an der staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart, zur Konservierung und Restaurierung unternommen werden, das lese man in dem dichten Artikel nach. - Ich bin jedenfalls positiv überrascht. - Eine Seite weiter geblättert, steht (fast) alles zur aktuellen Schau des ZKM.

Vielleicht lassen sich ja in Zukunft mehr Leute in Stuttgart und anderswo zu „Preservation Managern“ ausbilden.

Kasper König

Auf Seite 6 folgt ein Geburtstagsporträt zu Kasper König, aus der Feder des Chefredakteurs. Für meinen Begriff zu metaphernlastig, zu sehr um die „Schmuckierung“ bemüht, aber doch so faktenreich, das selbst absolute Museen- und Galerienverweigerer etwas über den Kölner Direktor des Museum Ludwig erfahren können.

Kunst und Mathematik:

Stiller geht es auf Seite 7 zu. Da wird von der Preisverleihung des Konrad- von- Soest- Preises des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe an Rune Mields berichtet. Eine Künstlerin, die Mathematik und bildende Kunst seit Jahrzehnten verbindet und von sich sagt, sie betreibe „visuelle Mathematik“. Ihre Formel: „Wenn etwas richtig ist, dann ist es auch schön.“ - Abgebildet im Halbporträt, erscheint mir Frau Mields wie eine Bella Block der Kunst, d.h. sie wirkt ein wenig wie „die Hoger“, auf der Fahndungsspur nach der Lösung unerklärlicher Mordfälle.

Wiederrum kann ich nur staunen, über die leicht geschriebene, aber treffende und doch verständliche Ansprache des Artikelschreibers Jörg Restorff.

Kunstbetrieb und eigene Kinder

„Geräuscharm die Pflicht erfüllen?“ - Was machen Frauen und ein paar wenige Männer im Kunstbetrieb, wenn eigene Kinder kommen und bleiben? Dieser Frage geht Dorothee Baer-Bogenschütz nach. Das Problem scheint mir auf der Ebene der Commerzbank Kuratorin Astrid Kießling eher ein Luxusproblem zu sein. Ebenso da, wo Kunst auf dem Hintergrund anderer Geschäftstätigkeiten, der Gattin oder des Gatten, betrieben wird. Da gibt es dann ein psychologisches Problem der „Freiräume“ und „Zeiten“ mit den Kindern und die einigermaßen utopische Hoffnung, dass die Fantasie und Entdeckerlust der Kinder, ihre Drastik und Unverstelltheit, irgendwie dem Werk zu neuen Sichten verhelfen.

Eigene Kinder brechen ein in den oftmals selbstgewählten Autismus kreativer Menschen. Der Artikel zu dem so spannenden Thema wirkt ein wenig lustlos und hangelt sich vorwiegend am „Zeitmanagement“ entlang, ohne allzu viele tiefer schürfende Fragen zu stellen, wie es denn um Unbedingtheit mancher KünstlerInnen, ihrer GaleristInnen und der anderer „Marktteilnehmer“ bestellt ist, wenn die Kinder eine Familie, Nähe und viel Anleitung brauchen. Der Artikel hat zu viel vom „Burda-Bunte“-Tonfall, aber die Idee, dazu überhaupt zu schreiben, die ist bestechend gut.

Jenny Holzer

Auf Seite 9 ist nicht nur eine „Indianerin“ des Kunstbetriebs, Jenny Holzer, abfotografiert, -Sie sieht auf dem Bild so aus, wie der streng-mild und undurchsichtig lächende Sitting Bull oder der verklärte Tecumseh.-, es wird auch zu einer großen Retrospektive berichtet.

Solche Artikel sind manches Mal heikel, weil sie kaum fassen können was solche Retrospektiven ausmacht. - Dankbar darf man aber sein, wenn der Schreiber Hans-Joachim Müller nicht in reine Lobhudelei verfällt, sondern zugibt, nicht jeden Laufbandtext noch lesen zu wollen. Und doch möchte ich direkt nach Basel fahren um einen Blick auf das schwarze „Waterboarding“ der Holzer zu werfen.

„Sechs Enttäuschungen“, nicht unbedingt nur künstlerisch

Es folgt Seite 10, ein „Highlight“ dieser Ausgabe, weil hier die Redaktion „Sechs Enttäuschungen“ präsentiert, die sehr schön die ewige Prosecco-Laune der Kunstmarkt Briefmarkensammler konterkariert . Trotzdem wird auf Seite 11 kräftig mitgefeiert. - So lebt der Mensch.

Die „Enttäuschungen“ reichen vom privat als Glück empfundenen, zur Muße genutzten Bänderriss, bis zu Hinweisen auf überschätzte „Neo Rauch- Wolken“ in und um Leipzig und den notorisch schlechten Einfluss, den die „Witwen und Witwer“ der Kunstwelt auf die Verbreitung und Präsentation der Werke ihrer verstorbenen Partner nehmen können. Ein weites Feld, hier abgehandelt am Kampf der Eva Beuys um die Werke aus der Sammlung Hans und Franz Joseph van der Grinten auf Schloss Moyland bei Bedburg-Hau. - Weiß überhaupt einer der Berliner Kulturschaffenden, wo das liegt, oder wissen das nur Narren?

Boris Groys und warum Harald Schmidt über ihn sprach

Auf der Dutzendseite bringt die KUNSTZEITUNG ein Interview Johanna Di Blasis mit Boris Groys. Entgegen der Absicht, die Marotte deutscher Universitäten zu kritisieren, ihre Professoren mit 65 Jahren in die Pension zu schicken. - Das stimmt ja so nicht! Ausnahmen erlauben es, die ordentliche Professur bis auf das vollendete 68. Lebensjahr auszudehnen, emeritierte Professoren bleiben an der Hochschule und verfügen dann nur nicht mehr über den Apparat an Zuarbeitern und Mitarbeitern, könnten sich aber freiwillig in Projekte und Arbeitsgruppen einbinden und weiterhin Promovenden betreuen. - Entlarvt das Interview mit einem Satz auch das wahre „Niveau“, auf das Boris Groys mehr wert legt, das allerdings mit Universität wenig zu tun hat:

„Johanna Di Blasi: Welches Thema bearbeiten Sie gerade?

Boris Groys: „Ich werde in letzter Zeit mehr und mehr zu Konferenzen und Symposien eingeladen, die diskutieren, was das Gegenwärtige an der Gegenwartskunst ist, und allgemeiner, ob man sagen kann, dass die Gegenwart eine kulturelle Formation ist, die der Moderne und der Postmoderne folgt.“

Ich finde, es ist reichlich selbstentlarvend, wenn man nur noch als „Guru“ tätig ist und solche Sprechblasen absondern muss.

So geht das weiter auf 27 Kunstzeitungsseiten.

Also, was so gratissime daher kommt, das lohnt einen Blick und lohnt das Lesen. Halten Sie Ausschau beim nächsten Besuch im Museum um die Ecke, greifen Sie zu, wenn viel Information für wenig Geld oder gar keines geboten wird.

Grüße

Christoph Leusch

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