Legislative Beschäftigungstherapie

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Vor beinahe zwei Jahrzehnten machte der Juristentag in Hannover schon einmal einen solchen Vorschlag. Nun war der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) an der Reihe und wieder konnte sich die Idee, diesmal auf der Konferenz der Fachminister in Hamburg, nicht durchsetzen. Mit acht zu acht Stimmen wurde das Vorhaben abgewendet, in Zukunft „Fahrverbote als Hauptstrafe“ zu verhängen.

Vom Ergebnis her ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Denn seit das Bundesverfassungsgericht 1977 (1 BvL 14/76) entschieden hat, dass Strafe nicht nur dem Schuldausgleich oder der Vergeltung für begangenes Unrecht diene, sondern auch „Prävention und Resozialisierung“ umfasse, kann so ein Projekt nur als Unfug bezeichnet werden. Losgelöst von jedem Berührungspunkt mit Straßenverkehr oder Fahrzeugen und als eigenständige Sanktion statt Freiheits- oder Geldstrafe wendet es sich „präventiv“ lediglich an einen zahlenmäßig beschränkten Personenkreis, den der Inhaber eines Führerscheins. So etwas kann man getrost als Willkürakt in der Diktion des deutschen Höchstgerichtes und am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Art. 3 Grundgesetz bezeichnen.

Aber es lohnt sich die Begründung zu betrachten, mit der Niedersachsen in der Sache vorgeprescht war, online nachzulesen auf der Seite des dortigen Justizministeriums. Dort wird Busemann mit den Worten zitiert: „Mit einer Aufwertung des Fahrverbots von der Nebenstrafe zur Hauptstrafe können wir die Möglichkeiten der Richterinnen und Richter zur individuellen, auf Tat und Täter zugeschnittenen Strafzumessung erweitern. Zugleich schließen wir eine Lücke zwischen Haftstrafen und Geldstrafen“. Da Fahrzeuge als „Ausweis individueller Entscheidungsfreiheit und als Statussymbol“ gelten würden, wirke „ein Entzug der Fahrerlaubnis für bis zu sechs Monate sehr einschneidend als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme.“

Bemerkenswert ist zum einen, dass der Fachminister zwei Beispiele und Begründungen zusammen nennt, die seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches 1872 als jeweils eigenständig behandelt werden und als „Zweispurigkeit des deutschen Strafrechts“ jedem angehenden Juristen bekannt sind: Auf der einen Seite die Strafe als Schuldabgeltung (dazu gehört das Fahrverbot als sog. Nebenstrafe ohnehin), auf der anderen eine sog. Maßregel der Sicherung und Besserung, die der (künftigen) Gefahrenabwehr dienen soll wie die Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Vermischung dieser Bereiche, die nicht nur formal getrennt sind, sondern jeweils eigenständige richterliche Entscheidungskriterien erfordern, in einer offiziellen Verlautbarung eines Ministers auf dessen eigener Internet-Seite hinterlässt sicher nicht nur bei einschlägig vorgebildeten Lesern eines gewissen Geschmack. Vor allem für die, die von einer Sicherungsverwahrung in die nächste gereicht werden, ist diese Argumentation eher ein Schlag ins Gesicht.

Noch realitätsferner nimmt sich die andere Begründung, die einer angeblichen Bestrafungslücke zwischen Freiheits- und Geldstrafe aus. Denn einerseits ist nicht bekannt, dass sich insoweit die Richterschaft, die es ja eigentlich am besten wissen sollte, darüber beklagt habe, zwischen Tagessätzen und bedingtem Freiheitsentzug gäbe es noch Platz auszufüllen. Andererseits sagt uns die polizeiliche Kriminalstatistik 2009, dass gerade im Bereich der Diebstähle, der seit Tagen diesbezüglich die Schlagzeilen beherrscht, wieder ein Rückgang um 4% gegenüber dem Vorjahr stattgefunden habe und „damit die niedrigste Fallzahl seit Beginn der Erhebung einer gesamtdeutschen Statistik in 1993“ vorliege. Von einem Regelungsbedürfnis kann also keine Rede sein. Vollends skurril mutet schließlich die Bemerkung des Justizministers zum „Statussymbol“ Kraftfahrzeug an. Nicht nur, weil er in einer Art selbstinszenierter Realsatire die Interessen der eigenen Landesklientel auf das falsche Korn nimmt, sondern weil die Einführung von „Statussymbolen“ als Bestrafungskriterium uns direktemang in das Mittelalter der Schandmasken für Schwätzer und üble Nachredner führt. Ob das im Interesse von Volksvertretern ist, sei dahin gestellt.

Mit Blick auf die demnächst anstehende Wahl des Bundespräsidenten muss allerdings der notwendige Ernst in der Debatte nicht nur im Ergebnis wieder hergestellt sein. Denn bei aller Repräsentation hat das Staatsoberhaupt zwei ureigene Befugnisse: Gesetze zu unterzeichnen und auf Verfassungswidrigkeit hin zu überprüfen. Letzterenfalls wird die Auffassung vertreten, es handele sich sogar um eine Pflicht. Alles in allem und bisher keine sehr große Empfehlung für Christian Wulff.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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