Wie sich die Welt vernetzt

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Jeder, der sich heute und speziell über diese Seiten informiert, hat einen Begriff davon, dass es Internet gibt und ein weltweites Netz. Da aber zurzeit immer lauter über deren Restriktion nachgedacht wird, ist es interessant, fest zu stellen, dass das www in seinen Ursprüngen einem natürlichen Informationsbedürfnis entsprach. Und zwar so sehr, dass es eigens dafür erfunden wurde.

Die Geschichte hat sehr viel mit Atom und Energie zu tun. Denn als das CERN (Akronym für die Ursprungsbezeichnung Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) in den 1950ern aus der Taufe gehoben wurde, galt das primäre Augenmerk der Erforschung der Nukleartechnik als Energieressource. Mit der Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunkts auf die Grundlagenforschung (Stichwort: Teilchenbeschleuniger) wuchs der wissenschaftliche Austausch unter den Beteiligten derart über bestehende, auch nationale Grenzen hinaus, dass eine neue Kommunikationsform unabdingbar wurde. Die von Tim Berners-Lee und Robert Cailliau auf zwei Rechnern entwickelte Plattform des www wurde aber nur deswegen ein globaler Hit, weil sich das CERN-Management dazu entschloss, das Web als public domain öffentlich zugänglich zu machen.

Wie wir heute wissen, ist die operative Einsatzfähigkeit der Kernfusion, deren Erforschung u.a. bei CERN betrieben wird, noch eine ferne Vision, während die herkömmliche Kernspaltung immer deutlicher ihre Grenzen zeigt. Vor allem die Unlösbarkeit des Dilemmas, die über Jahrtausende strahlenden Abfälle so zu behandeln, dass sie künftigen Generationen nicht zum Fluch werden, zeichnet sich mit jeder gewonnenen Kilowattstunde deutlicher ab. Einen Ausweg will Desertec zeigen, jener Zusammenschluss von Hochtechnologie- und Stromunternehmen, der in nordafrikanischen und den Wüsten des mittleren Ostens nutzbar machen will, was es dort im Überfluss gibt: Sonnenschein und Wind. Die Skepsis, die von Anfang an das Projekt begleitet, ist vor allem politischer Natur. Wie lassen sich Länder, in denen das Wort „Regieren“ noch einen sehr unmittelbaren Klang hat, in einen auf sehr lange Dauer einzurichtenden Energiekreislauf einbinden? Denn in der Projektion soll die Initiative ab 2015 von der nordafrikanischen Küste aus Strom direkt bis in das Herz Europas liefern und das permanent.

Die Sonne scheint so heiß, und keiner weiß damit etwas anzufangen

Die Probleme sind jedoch wesentlich elementarer. Das Bewusstsein, dass der zur Verfügung stehende Rohstoff ihrer Umgebung gemäß am besten nutzbar wäre, ist in den Ländern mit dem größten Eintrag an Sonnenstrahlung am geringsten entwickelt. Was u.a. zu dem paradoxen Ergebnis führt, dass Tunesien und Marokko für die kommenden Jahre den Bau von Kernkraftwerken planen. Neben dem technischen Standbein der industriellen Initiative Dii wurde Zeitungsberichten zufolge nun das Desertec University Network (DUN) eröffnet. Ziel sei es, eine Infrastruktur des Wissens und der Fertigkeiten zur Stromgewinnung aus Sonnenenergie vor Ort aufzubauen, die in ihrer Bandbreite bisher beispiellos ist. Beteiligt sind Universitäten in Ägypten, Jordanien, Algerien, Libyen, Tunesien, Marokko und Deutschland. Die Bereitschaft dieser Länder, sich an dem Projekt zu beteiligen wird vor allem damit begründet, dass deren Energieinfrastruktur mit dem Wirtschaftswachstum nicht Schritt hält. Die Gewinnung sauberer Energie verhält sich dabei zu Atomstrom wie der Igel zum Hasen. Die Inbetriebnahme des ersten tunesischen Reaktors ist für 2020 geplant. Wie lange es dauern wird, dafür ein Problembewusstsein zu entwickeln, ist noch nicht ausgemacht. Der Aufbau eines Wissensnetzwerks ist jedenfalls ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Dass sich an Desertec Stromgiganten wie E.oN oder RWE beteiligen, zu deren Gunsten gerade eben Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke in Deutschland beschlossen worden sind, mag als Widerspruch erscheinen, wie er häufig kolportiert wird. Es zeigt andererseits, dass die Staaten und ihre Gemeinschaften gerade wegen der politischen Implikationen nicht bereit oder in der Lage sind, eine globale Antwort auf ein globales Problem zu geben. Und das lautet: Ohne Strom funktioniert kein www. Und sonst auch nicht viel.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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