We are all open. Pluralismus in der deutschen Blogosphäre

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Stunden später lichtet sich das Chaos in der Kalkscheune, einem der beiden Veranstaltungsorte der re:publica11. Die meisten TeilnehmerInnen sind zum Internetstar Sascha Lobo und seinen "Erkenntnissen der Trollforschung" in den Friedrichstadtpalast geströmt, sodass ich mehr oder weniger ungehindert Workshop 1 betrete. Thema der Session: "Guck mal, wer da spricht. Wie viel Pluralismus kann die deutsche Blogosphäre?" Da ich erst gestern zu dem Thema geschrieben habe fiel die Entscheidung nicht allzu schwer.

Moderiert von Verena Reygers (maedchenmannschaft.net) unterhalten sich dort Sebastian Mraczny, Kübra Gümüsay (ein-fremdwörterbuch.blogspot.com) und Urmila Goel (andersdeutsch.blogger.de) über die vermeintliche Offenheit der deutschen Blogosphäre, über Ausgrenzung und Wege zu einer größeren Vielfalt.

Kübra Gümüsay trägt Kopftuch und ist damit vermutlich die einzige auf einer Veranstaltung, die Spiegelbild deutscher BloggerInnen sein soll. Sie erzählt von Blitzlichtgewittern und beidseiteigen Berührungsängsten während man im selben Moment das Gefühl bekommt, dass auch hier mindestens die Hälfte der Anwesenden gekommen ist, um Fotos zu schießen. Und Urmila Goel antwortet auf die Frage, ob sie sich mit ihrem antirassistischen Blog überhaupt als Teil der deutschen Blogosphäre sieht mit der Gegenfrage, was das denn überhaupt sei, die deutsche Blogosphäre. Worauf eine Zusammenkunft wie die re:publica antworten könnte - aber oft angesichts der Komplexität in engen Dimensionen selbstreferenziell verharrt.

"Ich sehe mein Blog in erster Linie als Teil des antirassistischen Diskurses in Deutschland", so Goel. Und sofern es Definitionsmerkmale dieser Blogosphäre gibt, so befinden sich diese irgendwo entlang von Themen wie Netzpolitik, die sich als Mainstream durchgesetzt haben. Und oftmals ist die eigene Blogroll Ebenbild dieser Entwicklung: Nischenblogs sind selten vertreten oder vertreten sich bestenfalls gegenseitig.

Liegt darin eine weitere Krux des Pluralismus? Urmila Goel verortet das Problem dort, wo Privilegierte aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung zu bequem sind, sich mit Rassismus, Frauenthemen oder Sozialpolitik auseinanderzusetzen. Gümüsays These hingegen geht eher dahin, dass auch von Seiten der Nischenblogs zu wenig Bereitschaft bestehe, sich dem Mainstream zu öffnen. Man sei so sehr damit beschäftigt, sich in der eigenen Nische auszukennen, dass andere Diskurse überhaupt nicht mehr wahrgenommen würden.

Mraszny hingegen findet: "Das ist noch keine Diskriminierung, wenn ich Sascha Lobo nicht in meiner Blogroll habe." Auch sonst kommen aus seiner Ecke sowohl reflektierte Diskussionsbeiträge und als auch manche steile These. Letzteres als selbsterklärtes Spezialgebiet.

Zum Schluss bleiben wie so oft mehr Fragen als Antworten und ein Vorschlag zur Güte - Aktionen wie Ein Herz für Blogs zugunsten der Vielschichtigkeit.

Nachdem ich dem Friedrichstadtpalast zum Powerpoint-Karaoke mit Holm Friebe noch einen kurzen Besuch abgestattet habe verlasse ich die #rp11 zum Treffen mit der Girls on Web Society. Face to face ist eben manchmal fast besser als Twitter.

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Geschrieben von

Eva Ricarda Lautsch

Cocktailkirschen zwischen dem Papier // Studentin, Bloggerin, Schreibtischgast @derfreitag.

Eva Ricarda Lautsch

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