Ich, die Basis

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Gestern gegen Mittag, als man mir, der Basis, (maximal) zuhauchte, dass die SPD sich dazu durchgerungen hatte, dem Internetsperrgesetz zuzustimmen, brachen in mir gleich mehrere Welten zusammen. Das hat vor allem damit zu tun, dass ich aus einer klassisch rot eingefärbten Familie komme. Diese ist allerdings schon länger vom guten Glauben abgekommen, so dass mir als rebellischem Sohn nichts anderes übrig blieb, als das Fähnchen hoch zu halten und ganz konservativ beizutreten. Was sollte auch das linksbürgerliche Gebrabbel über grüne Politik, Soziales und Protest?

Diesen Schritt in die Partei habe ich bis dato nie bereut. Als Volkswirt und Marketingfetischist war ich begeistert von Gerhard Schröder, ich gestehe. Mir machte es Spaß, dabei zuzusehen, was er unter populärer Wahlpolitik verstand und wie er als Popstar des Genres auf den letzten Metern immer wieder die Konkurrenz schockte. Das war groß, ein bisschen so wie der BVB Mitte der 90er Jahre. Mit welchen Mitteln diese Größe erreicht wurde, ist für den Fan in der Momentaufnahme immer nebensächlich.

Und wenn man sich mal gar nicht mehr sicher war, dann konnte man sich darauf verlassen, dass man mit der SPD im Zweifelsfall die "gute" der zwei großen Volksparteien unterstützte. Das war ein beruhigendes Gefühl, eines, das einem Halt auf einem unüberblickbaren Feld aus Interessen, Lobbys, Macht, Lobbys und Lobbys gewährleistete. Klar war man gegen den Irakkrieg, vor allem, wenn es ein Pulle Bier dazu gab.

Für mich waren es diese zwei Gebote, auf die man bauen konnte: Entweder die SPD macht populäre Politik, um den "Guten", also sich selbst, zum Wahlerfolg zu verhelfen, oder man propagierte zumindest das Richtige, so dass am langen Ende behauptet werden konnte: "Na, wir wussten schon immer, wie der Hase läuft, aber ihr an der Basis, ihr wolltet uns ja nicht."

Diese Zeiten - vor allem die der bedingungslosen Loyalität - sind für mich als Basis persönlich vorbei. Die SPD hat mich mit ihrer Entscheidung ins Mark getroffen, mein Verständnis von Haltung, Gerechtigkeit und Angemessenheit erschüttert. Und vor allem hat sie ihren Pfiff verloren. Denn helfen kann ihr die Zustimmung zum Gesetz nicht. Weder kurz- noch langfristig. Das Gegenteil wird der Fall sein.

Dieser Tage ist die SPD weder eine strategisch denkende, intelligente noch eine Partei, die für Bürger und ihr Recht eintritt. Sie ist gar nichts mehr. Zumindest nichts, was ich, die Basis, entgegen besseren Wissens in mein Herz schließen kann und will. Eigentlich war in der Hinsicht schon Kurt Beck eine Zumutung, aber jetzt mache ich Schluss. Ich will nicht mehr.

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Dieser Beitrag beruht auf zu viel Koffein und Albernheit. Ein bisschen.

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Geschrieben von

Jan Jasper Kosok

Online-Chef

Jan Jasper Kosok studierte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, verdingte sich im Nachtleben und gründete 2007 mit Teresa Bücker das Blog Knicken // Plakative Platzierungen, welches sich mit Musik und Popkultur beschäftigte. 2009 kam er zum Freitag, um beim Aufbau des Webauftrittes zu helfen. Seit 2011 ist er verantwortlicher Redakteur für Online und Community und hat seitdem mehrere Relaunches begleitet. Er beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen von zu hohem Internetkonsum und fürchtet sich davor, nicht verhindern zu können, ein alter weißer Mann zu werden.

Jan Jasper Kosok

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