Amokläufer, Sendboten der Innenwelt einer eingebunkerten Außenwelt?

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Amokläufer, die, von allen guten und Bösen Geistern radikalisiert ausgewilderter Sendboten der Innenwelt einer Außenwelt, die unabdinglich nur noch nach Einem streben, einem "Rettungs- Fangschuss" Ende ohne Aussicht auf Wiederkehr?

Ob Ines Geipels These, dass Amokläufer einen "Krieg gegen alle" führen, zutrifft, bleibt n. m. E. unbelegt.

Ines Geipel bietet mit den Ergebnissen ihrer ,global ausgrichtet, wissenschaftlichen Forschungen ihres neuesten Buches
"Der Amok-Komplex"
interessante Gedankenstränge an, den Amok Code zu entschlüsseln.
Da geht es von der Idee "Amokläufer seien Sendboten aus der Innenwelt einer hermetisch eingemauert "bürgerkriegsführenden" Außenwelt in gesellschaftlichen Schichten der materiellen Überversorgung bei gleichzeitig emotionaler Unterversorgung bis Verkümmerung",
über die Andeutung von politischer Korruption, die sich, wie das Unrechtsbewußtsein vernebelnder Morgentau auf die Gemüter ganzer Gemeinwesen, Bundesländer legt, bis in Landesregierungen hinaufreicht, sich mit Klarnamen verbindet, für viele Begüterte in gefühlten "No Go Areas" zu einem Leben in Hochsicherungstrakten hinter Mauer Stacheldraht, Überwachungskameras auf Privatem Familien Anwesen führt, ohne dass Ines Geipel diesen Gedankenstrang vertiefend weiter verfolgt:

Ines Geipel Orginaltext:

"Bernhard Vogel, Jg. 1932, Karl Heinz Gasser, Jg. 1944, Manfred Ruge, Jg. 1944, Richard Dewes, Jg. 1948, Dieter Althaus, Jg. 1958. Drei Männer aus dem Westen, zwei aus dem Osten. Fünf Einheitsmacher. Im Nachwende-Thüringen: Ministerpräsidenten, Innenminister, Justizminister, Oberbürgermeister. Kriegskinder und Nachkriegskinder. Mauerkinder.

"Manfred Ruge: Erfurter Oberbürgermeister von 1990 bis 2006. Zu den Hintergründen der kalabrischen ‘Ndrangheta befragt, äußert er in der ZDF-Dokumentation „Im Netz der Mafia“ von 2008: „Überlegen Sie mal, Sie sitzen an einem Schreibtisch als Oberbürgermeister und haben einen Packen voll Probleme, also wirklich Rucksäcke voll. Und da kommt jemand und sagt: Ich nehme Ihnen die Last ab. Wir machen das, wie Sie es haben wollen. Na, da sind Sie doch glücklich.“ Schon 2000 schrieb das BKA: „1996 wurden mehrere Restaurants in Erfurt eröffnet. Als Geschäftsführer wurden nur Personen angestellt, die entweder verwandt oder Mitglieder des Clans sind.“ Nachdem bekannt geworden war, dass Mafiamitglieder ganze Straßen von Erfurt angekauft hatten, entgegnete Ruge, dass auf der Stirn der Männer ja nicht geschrieben gewesen sei, aus welcher Organisation sie kamen." (Zitat Ende)

Andere Gedankenstränge greift Ines Geipel nicht auf, wie das Vorhandensein von rigiden Schul-, Familien-, Vereinssystemen, in denen Heranwachsende nicht, wachstumsorientiert, gefordert, gefördert sind, auch nur, eigene Meinungen, Wünsche zu formulieren, zu erklären, geschweige denn respektiert, gar erfüllt zu erleben, wenn es um emotionale, statt materielle Belange geht, sondern in einem direkten wie indirekten Kommunikationsmilieu von Unterwerfung, Drill, Befehl, Gehorsam geht.

Die Rede von pathologisierenden Familiensystemen erspart sich Ines Geipel ganz, in denen jede eigenständige Meinung, Wünsche in emotionalen Angelegenheite als System- Kränkung, Affront, als Illoyalität, gar Verrat gegenüber der Familie kommuniziert werden, wie man diese eher nur in mafiosen Strukturen von Clans vermutet?
Jeder schweigt über etwas anderes und alle wissen, worüber er, sie, es schweigt und schweigen beredt ermunternd hier, verstörend da, mit.

Was ganz unerwähnt bleibt, sind de medialen Bombardements mit sogenannten Leitbildern von Supermen, Terminators auf die Internetportale in die Stuben der Buben, die Fernseher in die Wohnräumen der Familien, bei denen es niemals um Fairplay, Solidarität mit Schwachen, um lösugsorientert gleichberechtigt Handelnde geht, sondern ausschließlich um hegemonial asymmetrische Beziehungsverhältnisse von hochgerüsteten Tätern hier, heillos wehrlos ausgelieferten Opfer da, bei der Vorteilsnahme, Übervorteilung, im Sinne von Sieger und Besiegten, am besten zu Lasten, wie Gunsten zusätzlich namenlos Dritter von Höchstem Range geht

Ob Ines Geipels These, dass Amokläufer einen "Krieg gegen alle" führen, zutrifft, bleibt n. m. E. unbelegt.

Ich vermute eher, dass Amokläufer, als lichterloh brennende Sendboten der fragilen Innenwelt einer bizarr eingebunkerten Außenwelt, beim emotional gepanzerten Showdown ihres Endkampfes, sowohl zielgerichtet als auch im Ergebnis wahllos einen Krieg mit jenen führen, die sie, todbringende Aggressionen verstrahlend, zufällig antreffen und auf ihrem Höllenritt in die Ewigen Jagdgründe unabdinglich mörderisch mitreißen?

Hans Magnus Enzensberger kündet in seinem Essay aus dem Jahre 2006
"Schreckensmänner, Versuch über den radikalen Verlierer"
am Beispiel von Selbstmordattentätern, Suhrkamp Verlag)
vom Innenleben radikaler Verlierer, ohne die Dynamik der systemischen Radikalisierung von Verlieren, die von guten wie bösen Geistern gleichermaßen ausgewildert, zum letzten Gefecht aufbrechen, Gewichtung einzuräumen.

Erleben sich Amokläufer womöglich, emotional radikalisiert, als Revisoren von systemisch eigenen Gnaden, die die asymmetrischen Verluste an Emotionen in den Systembilanzen ihrer Familie, Schule, Hochschule, Verein, Kommune, Gemeinde, Partei, Gewerkschaft, Kirche, Verband, Stiftung, Arbeitsplatz, "Abschreibungen" durch zielgerichtete wie wahllose Menschenopfer exekutierend, für die Übriggebliebenen als ihres eigenen Wahnsinns verzweifelte Beute ins Lot zu bringen gedenken?

JP

siehe:
www.freitag.de/wochenthema/1215-der-amok-code

Todesschüsse | 13.04.2012 08:00 | Ines Geipel
Der Amok-Code
Warum bleiben auch Jahre nach den beiden deutschen Schulattentaten von Erfurt und Winnenden die wichtigsten ­Fragen weiterhin offen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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