Filmfestivals für Poser: die Internationalen Hofer Filmtage 2011 (2)

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Teil 1 hier ...

Freitag, 28. Oktober
Wir frühstücken, packen und fahren zu unserem diesjährigen Stammquartier in Wölbattendorf, um die Schlüssel zu besorgen und unser Gepäck unterzubringen. Dabei verfahren wir uns etwas und kommen in Zeitdruck. Die erste Vorstellung beginnt um 12:00 Uhr und wir möchten noch ein paar Eintrittskarten besorgen.

Wir frühstücken, packen und fahren zu unserem diesjährigen Stammquartier in Wölbattendorf, um die Schlüssel zu besorgen und unser Gepäck unterzubringen. Dabei verfahren wir uns etwas und kommen in Zeitdruck. Die erste Vorstellung beginnt um 12:00 Uhr und wir möchten noch ein paar Eintrittskarten besorgen.

12:00 Uhr im Casino SPREAD
aus der David-Mackenzie-Retro
USA 2009, 35mm, englische Orginalfassung
Ein gut aussehender Möchtegern-Schauspieler verdankt sein Highlife im sonnigen L.A. den reichen Frauen, mit denen er schläft. Seine Welt gerät aus den Fugen, als er sich in eine hinreißende junge Frau verliebt, die ihm beim Abzocken ebenbürtig ist – eine Komödie.

Mackenzies einziger US-Film hat als Hauptdarsteller Ashton Kutcher, Kommödien-Prollstar und Ex-Gatte von Demi Moore. Wir sind nicht begeistert, behalten die Karten aber und sind angenehm überrascht. Ashton Kutcher, den ich ausschließlich als Darsteller mit limitiertem Schauspieltalent kenne, überzeugt als A***loch, das die Frauen sexuell und finanziell ausbeutet. Anne Heche spielt die Frau, die ihn in ihrer Millionenvilla aushält, und ist großartig. Trotz gelungener und sehenswerter Schauspielleistung bekommen alle Darsteller/innen die Schau von einem Ochsenfrosch gestohlen, der in der Schlussszene bzw. im Abspann eine tote Ratte hinunter würgt, bis auch der kahle Rattenschwanz verschwunden ist.
Note = 2

Mittagshappen im Filmtagecafé, welches früher Brasserie hieß. Hier kann man manchmal Stars und Sternchen und solche, die welche werden wollen, bestaunen. Bis 2004 musste sich hier nur jemand niederlassen und bekam sämtliche nicht-alkoholischen Getränke kostenlos (!) serviert. 2009 war in den Förder- und Sponsorentöpfen immer weniger Geld vorhanden und die Getränke waren zu bezahlen – nein, ich beschwere mich nicht; so, wie es davor war, zahlte ich die Rechnung nur über Umwege. Teller mit Kuchen, Puddingstückchen oder Minibrezeln konnten immer noch kostenlos leergegessen werden und wurden regelmäßig ausgetauscht. Neu war 2009, dass an jedem zweiten Tisch jemand mit Laptop saß.
Es ist fast leer. In früheren Jahren war um die Zeit alles voll.

14:30 Uhr im Central
CODE BLUE
von Urszula Antoniak, Niederlande / Dänemark, niederländische Originalfassung mit deutschen Untertiteln, 35mm


Im Krankenhaus, jenem dunklen Bereich zwischen Leben und Tod, widmet sich Marian, eine strenge, vierzigjährige Krankenschwester mit Leib und Seele den Schwerkranken und Sterbenden und gibt ihnen - oft zum letzten Mal - die Wärme eines menschlichen Körpers. Ihre Hingabe treibt sie manchmal dazu, die Rolle des Erlösers zu übernehmen, indem sie den Leiden der Todgeweihten ein Ende setzt und sie zu einem friedlichen Ende führt. Für Marian sind diese Momente, die sie als letzte Intimität versteht, von größter Bedeutung. Außerhalb des Krankenhauses führt Marian, bestimmt von ihrem Wunsch nach Perfektion und Kontrolle, ein zurückgezogenes Leben. Doch manchmal lassen sie die Gefühle, die sie zu unterdrücken versucht, aus ihrer Routine ausbrechen: So trifft sie eines Tages in einem Bus einen Fremden, dem sie spontan in ein Videogeschäft folgt und der fortan ihre Phantasie beschäftigt. Als Marian den Mann wiedertrifft, teilt sie unfreiwillig eine voyeuristische Erfahrung mit ihm. Diese plötzliche Intimität stößt sie zunächst ab, um sie dann zu faszinieren und zu lähmen und ihr schließlich Angst zu machen. Mit ihren unterdrückten Gefühlen konfrontiert, begreift Marian, dass sie ihr Verlangen akzeptieren muss, egal wie hoch der Preis dafür ist …

Ein sehr unerfreulicher und unangenehmer Film. Zwischenzeitlich schlafe ich mehrfach ein, was leider auch daran liegt, dass der Film uninteressant erzählt wird. Zwei mal wache ich auf und erlebe eine Vergewaltigungsszene und eine Einstellung, in der sich die Krankenschwester Sperma aus dem aufgesammelten Vergewaltigungskondom über ihren entblößten und mit Schnittverletzungen entstellten Unterleib gießt. Das ist mir zu unappetitlich und ich verlasse das Kino, kehre noch rechtzeitig zum Gespräch mit der Regisseurin, die den Film wohl ihrem an Krebs verstorbenen Vater widmet. Was ich noch verpasste, ist eine Szene, in der dieser Mann, der eigentlich im Nachbarhaus wohnt, bei der Krankenschwester zu Hause onaniert. Diese Szene war wohl nicht gestellt sondern echt und bis zum letzten Tropfen Saft mitgedreht. Müssen wir so etwas sehen?
Note = 6

17:00 Uhr im Central
PERFECT SENSE
von David Mackenzie, Großbritannien 2011, englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln, 35mm


Ein Koch und eine Naturwissenschaftlerin verlieben sich, während die Welt rund um sie her zusammenbricht – eine Science-Fiction-Romanze, positiv und lebensbejahend.

Im Internet steht als Produktionsland “D”, was natürlich nicht stimmt und nicht die einzige Ungereimtheit in Katalog und Internet ist.
Durch eine ominöse Seuche verlieren die Menschen weltweit nacheinander sämtliche Sinnesorgane, was zu menschlichen und zwischenmenschlichen Tragödien und und zum Ende der Zivilisation in bekannter Art führt. Großartig gespielt und überwiegend mitreißend erzählt unterhält der Stoff interessanterweise, ohne zu deprimieren oder zu schockieren.
Die Hauptrollen spielen Ewan McGregor, Eva Green (das erste Bond-Girl von James Bond Nummer 5 in CASINO ROYAL) sowie Ewen Bremner, der seinen Durchbruch gemeinsam mit McGregor in TRAINSPOTTING hatte.
Der unterhaltsame Umgang mit menschlichen Tragödien wird sich noch häufiger als eine Begabung dieses Regisseurs herausstellen.
Skurillerweise wurde dieser Film am Tag zuvor in einem der kleinsten Kinos gezeigt, war natürlich ausverkauft und wird in der Wiederholung im größten Kino des Kinocenters gezeigt. Das muss man auch begreifen.
Note = 2-

Zwischenzeitlich haben wir genug Zeit für einen Fraß beim Billigchinesen, der mir schwer im Magen liegt, ohne satt zu machen.

19:15 Uhr im Central
SILVER TONGUES
von Simon Arthur, USA, DCP

Ein Pärchen reist von Stadt zu Stadt. An jedem neuen Ort wechseln die beiden ihre Identität. Sie werden von einem perversen Vergnügen an Veränderung getrieben, ohne Rücksicht auf Konsequenzen manipulieren sie Fremde, die ihren Weg kreuzen, spielen mit ihnen und verändern deren Leben für immer. Aber mit jedem neuen Auftritt gerät ihr hinterlistiges Spiel zunehmend außer Kontrolle. Eine Lüge führt zur nächsten und macht schließlich ein Entkommen unmöglich.

Das Psychodrama ist interessant erzählt und gut gespielt. Warum der Schotte allerdings dazu in den USA drehen musste, verstehe ich nicht.
Der Film wird in einer armseligen Digitalprojektion gezeigt, die nicht nur die einzelnen Zeilen auf der Leinwand sehen lässt sondern auch zu langsam abgespielt wird. Die Figuren agieren in leichter Zeitlupe und die Dialoge klingen, als ob sie von Betrunkenen vorgetragen werden. Mehrere Kinobesucher einschließlich mir wollen bescheid sagen, aber niemand weiß, wo der Filmvorführer steckt. Ein Mann, der sich mit Projektion auskennt vermutet ein US-amerikanisches NTSC-Format, das auf dem hier vorhandenen Digitalprojektor nicht richtig abgespielt wird. Nach einer halben Stunde wird die Projektion unterbrochen und kurz danach richtig fortgesetzt.
Als ich das später anspreche erklärt der Regisseur, die Filmrolle auf 35mm sei beim Transport verschwunden und durch einen Digitalträger ersetzt worden. So etwas kann vorkommen und ich nehme es niemandem übel, aber über so etwas muss das Publikum vorher von der Festivalleitung – also Ansagerin oder Ansager - informiert werden. So ist es mehr als unprofessionell und auch für den Filmemacher eine unschöne Erfahrung.
Note = 3

22:00 Uhr im Scala
YOU INSTEAD
aus der David-Mackenzie-Retrospektive, Großbritannien 2011, englische Originalfassung, 35mm

Eine energiegeladene romantische Punkrock-Komödie, die im Schlamm und Trubel eines Musikfestivals spielt – gedreht unter wahnwitzigen Bedingungen bei T in the Park, dem größten Festival in Schottland.

Am Vortag konnten wir erleben, was herauskommt, wenn ein paar deutsche Dilletanten drauf losdrehen und improvisieren. Hier erleben wir, wie ein paar britische Könner drauf los drehen und improvisieren.
Ausgerechnet beim T-in-the-park-Festival mit über 100.000 Besuchern wollten sie eine Romantikkomödie im Musikzirkus drehen, mussten feststellen, dass weder Drehplan noch Drehbuch unter diesen unkalkulierbaren Bedingungen eingehalten werden konnten und ließen der Ausgangssituation ihren Lauf.
Eine Musikerin und ein Musiker, die sich eigentlich nicht besonders mögen, werden von einem örtlichen Polizisten mit Handschellen aneinander gefesselt. Die Auftritte, die Bewegung auf dem Festivalgelände, der nächtliche Schlaf und auch Toilettengänge stellen bisher unbekannte logistische Probleme dar. Schließlich kriegen sie sich doch. Was banal klingt und eigentlich ist, wird mit Tempo, Spielfreude, elektrisierenden Musikeinlagen und skurillen Eindrücken aus dem Festivalbetrieb erzählt. Die beiden Darsteller spielen in je einer Band mit. Da mussten sie weder Musikern das Schauspielen noch Schauspielern das Singen beibringen. Die weibliche Hauptdarstellerin Natalia Tena spielte bei Harry Potter die freche Punk-Hexe Tonks.
Ein sehr lustiger Partyfilm, der einfach für gute Laune sorgt.
Note = 1

Mitternacht im Central
EXTINCTION – THE G.M.O.-CHRONICLES
von Niki Drozdowski (anwesend), Deutschland 2011, englische Originalfassung, DCP

Eine Handlung bleibt uns auf der Internetseite erspart. Im Katalog lesen wir von einem Retrovirus, welches ursprünglich als Werkzeug industrieller Gentechnik konzipiert war, außer Kontrolle gerät, für die Apokalypse sorgt und seine Opfer entweder tötet oder zu Mutationen aus Mensch, Tier und Pflanze macht. Hmmm, da war ich wohl im falschen Film. Hier gibt es keine Tier- oder Pflanzenmutanten. Das hier ist nämlich ein – Verzeihung, aber höflicher geht es nicht - banaler Zombiefilm für die Videothek und die Kaufhaus-Grabbeltische. Die Handlung erspare ich mir jetzt ebenfalls im Wesentlichen. Es werden halt Überlebende gesucht, Zombies erschossen und in einer verlassenen Militärbasis hausen sie. Fukushima sei Dank konnten wohl noch rechtzeitig explodierende Kernkraftwerke in die Handlung eingebaut werden, die mangels bedienender Menschen und funktionierender Kühlanlagen überkochen.
Die Handlung ist alles Andere als überzeugend und originell und wirkt durchgehend wie eine kölnisch-rheinische Version von 28 DAYS LATER. Die darstellerischen Leistungen sind in Ordnung. Ein Publikum der besonderen Art kann man immerhin mit gelungenen Make-up-Effekten und etwas Blutbad überzeugen. Aber die Gesichter der Zombies sehen eher aus wie vertrocknete Gurkenmasken und beim Erschießen gibt es computeranimierte Blutspritzer. Ausstattung und Szenen des menschenleeren Köln sind allerdings sehr gelungen und der Film hat Tempo. Neu ist, dass die Untoten akrobatisch sehr vielseitig sind, aus dem Stand über Mauern und Zäune hopsen und an Fassaden hoch klettern können. Gedreht wurde ohne Filmförderung und ohne Beteiligung von Fernsehsendern und unter diesem Aspekt verdient der insgesamt professionell gemachte Film Respekt. Mangels Schlaf döse ich ein paar mal weg, bekomme aber alles Wesentliche mit.
Gedreht wurde auf englisch, um den Film besser international vermarkten zu können, und so gibt es immerhin schon eine Vermarktung in Großbritannien.
Im ersten Drittel des Films schmiert die Digitalprojektion ab und es dauert einige Minuten zur Wiederherstellung. Danach müssen wir ein paar mal den Atem anhalten, weil das Bild still steht; das sind dann auch tatsächlich einige der spannendsten Momente dieser Vorstellung. Der Regisseur ist sehr unzufrieden, da nach der Reperatur die Farben sehr unecht auf der Leinwand erscheinen. Pech gehabt. So ist das eben mit Digitalprojetkionen. Entweder ein Kinobetreiber schafft sich die beste Digitalprojektion an die es gibt oder die einzige Alternative lautet 35mm.
Note = 4+

3:00 Uhr: Harald musste unbedingt noch auf eine Filmpartie gehen und mir den Schlaf rauben. Wir kommen in der Pension an und sind nicht die Letzten. Wenn jemand durch das Treppenhaus oder den Flur läuft, knarrt es laut. Benutzt jemand nebenan das Waschbecken, gluckert es Minuten lang in meiner Duschkabine. Das sind nicht optimale Bedingungen, aber ich schlafe zum Glück verhältnismäßig gut und lange.

Fortsetzung hier ...

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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