S21 - Gruselmärchen als Betthupferl

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Ihre Freitag-Redaktion

In ihrem Nachtmagazin berichtete die Aktuelle Kamera (die sich listig in Tagesschau umbenannt hat) vergangene Nacht über die abgeschottete Netzwelt der total verbohrten S-21-Gegner, die sich, so ein Experte der Stuttgarter Hochschule der Medien , damit jeglicher journalisitischer Kontrolle entzögen; eigentlich ein Brüller, wenn's nicht so schlimm wäre.

Aber sehen Sie selbst...






...Und noch einmal zum Nachlesen -falls man glaubt, sich verhört zu haben:

SWR:
Sie wollen gehört werden mit ihrer Kritik mit ihrer Wut. Jeden Montag suchen die Gegener von Stuttgart 21 die Öffentlichkeit, doch nicht die öffentlichen Medien, denen sagen sie die Meinung, gerne unerkannt. [Interview mit einem Mann unter schwarzem Schirm:] 'Wir sind ein bisschen unfroh über die Berichterstattung', andere erzürnen sich öffentlich [eine Frau:] 'Es wird gar nicht genau hingeschaut und dann berichtet' [ein Mann:] 'Ich persönlich boykottiere sogar euer Sender, ich schalt des nie wieder ein'. Zu einseitig sei die Berichterstattung, von der Bahn manipuliert, von großen Interessensgruppen beeinflusst. Manche haben aus dieser Überzeugung ihre Konsequenzen gezogen. [eine Frau:] 'Ja ich hab also den Fernseher alles abgeschaltet, alles abgedreht, ich nehm nichts mehr. [.] Ich informier mich selber' Wo denn? 'Internet'. Der Medienwissenschaftler Franco Rota beobachtet diesen Rückzug ins Netz seit langem und mit großer Besorgnis.

Rota:
Besorgt in so fern, dass man schon sagen kann, dass ein Rückzug ins Netz gleichzeitig auch heißt, dass sich ganze gesellschaftliche Gruppen, ob größere oder kleinere zurückziehen von der allgemein zugänglichen Öffentlichkeit, dass sie sich in Netzen sozusagen verschanzen, immunisieren und damit nicht mehr in der öffentlichen Diskussion direkt stehen.

SWR:
Eine Gegenöffentlichkeit wollen sie schaffen im Netz. Dazu haben die Gegner von Stuttgart 21 eigene Kamerateams [cams21.de], die jede Aktion filmen. Eigene Internetportale mit Blogs und Diskussionsforen [parkschuetzer.de], theoretisch offen für jedermann, in der Realität jedoch bleibt man hier gern unter sich. Ein Medium wie geschaffen auch für Medienschelte. [Zitate aus parkschuetzer.de aus dem Zusammenhang gerissen - vieles abgedeckt, sichtbare Sätze:] 'Die Medien sind gleichgeschaltet und dem Machtkartell unterworfen' ist da zu lesen 'die Kunst der Propaganda hat Hochkonjunktur', Kampagnen-Journalismus aus der Steinzeit' und immer wieder '#Lügenpack'

Rota:
Ich kann im Netz natürlich logischerweise völlig losgelöst von journalistischer Kontrolle meine eigene Meinung posten, platzieren, ich kann suggestiv formulieren, ich kann manipulativ formulieren und aus diesem Grund ist das natürlich ja eben eine Verkürzung von Transparenz.

SWR:
Transparenz, Kommunikation, das ist es, was die Gegener immer fordern, viele aber ziehen sich immer weiter zurück, raus aus dem öffentlichen Diskurs rein ins Netz.

Die so angeprangerten haben es sich nicht nehmen lassen -auch das untrügliches Zeichen ihrer Verbohrtheit und Weltabgewandtheit- dem Nachrichtenmagazin daraufhin einige Post zukommen zu lassen, Beispiel:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Sendung "Nachtmagazin" vom 12.7.2011, speziell zu dem Beitrag über Stuttgart 21, mein folgender Kommentar:

Die Berichterstattung allgemein, nicht nur bei Ihrem Sender, leidet ziemlich unter einem Mißverhältnis.

Irgendwelches Fehlverhalten der Kritiker des ProjektesS21 wird groß berichtet, Teilnehmerzahlen dagegen eher klein geschrieben, Ausnahme natürlich Tumulte, klar doch.

Dagegen findet eine erstaunliche Förderung der DB AG statt, indem deren nicht immer ehrliches Verhalten, wenn überhaupt, nur mit den mildesten Formen der Kritik bedacht wird, wenn es nicht gleich ganz als in der Verantwortung des früheren Bahnchefs liegend entschuldigt wird.

Ihnen fehlt ein Beispiel?

Die DB AG hat den Stresstest bestanden, aber die Prüfer prüfen noch.

Der DB AG wurde mittlerweile unter anderem im Magazin "Spiegel" nachgewiesenen die "Schönung" der Kosten der Neubaustrecke Stuttgart Ulm vor der entscheidenden Beschlussfassung des Parlaments über die Aufnahme des für den Stuttgarter Tiefbahnhofes essentiellen Projektes in den Bundesverkehrswegeplan, mit den der DB AG bekannten Zahlen wäre das Projekt gar nicht erst in die Förderung aufgenommen worden.

Das geschah in welcher Absicht?

Vielleicht können Kommunikationsforscher das Rätsel lösen, weshalb eine DB AG ihren eigenen Eigentümer, den Bund, hinter die Fichte geführt hat.

Betrug mag ich das nicht nennen, das wäre doch wieder so ein Vorwurf aus den abgeschotteten Tiefen des Internets.

Jedenfalls wurde der Bahnchef zitiert, jetzt keine rückwärtsgewandte Diskussion führen zu wollen.

Und der Kommunikationswissenschaftler der Uni Stuttgart hat sich mächtig angestrengt, eine neue, man weiß noch nicht, welcher Religion angehörige Parallelgesellschaft entstehen zu sehen und ihre Risiken plastisch schaudernd zu beschreiben. €ine ganz gefährliche Entwicklung, diese Abschottung, gut, dass Sie, vom "Nachtmagazin", gesehen haben, dass es nur einige Hunderte waren.

Und dennoch werden die X mal hundert Kritiker mit ihrer Kreativität letztlich das Immobilienprojekt S21 zur Strecke bringen, und zwar, indem an immer mehr Stellen deutlich wird, wie das eigentlich zusammengeschustert worden ist, in welchem Ausmaß Mandatsträger über Angelegenheiten abgestimmt haben, die ihnen nahezu immer "geschönt" dargestellt worden waren, und wie grotesk teuer und riskant die Zerschlagung eines funktionsfähigen Bahnknotens samt minderwertigem Ersatz werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Oder dieser:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihren gestern im Tagesschau-Nachtmagazin ausgestrahlten Beitrag zu Stuttgart 21 verstehe ich auch als eine Art „Antwort“ auf meine Kritik (10. Juli 2011; siehe Textanlage) an Ihrer Berichterstattung.

Wiederum ist dies ein Beitrag des SWR, wiederum erstellt von derselben Journalistin, die bereits häufiger selektiv und tendenziös über den Bürger-Protest gegen S21 berichtete.

Erkennbar wird hierbei u.a. auch eine Denk- und Sichtweise, welche der ehemalige Ministerpräsident B/W Stefan Mappus (CDU) in seiner Reaktion bezüglich der Proteste im September 2010 mit dem Satz: „Ich nehme den Fehdehandschuh auf“ offenbarte. Eine Folge dieser Denkart waren über 400 z.T. schwer verletzte Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger am 30. September 2010. Vom Schaden an der Reputation der Demokratie und ihren Institutionen ganz zu schweigen.

Sie haben also nicht verstanden. Sie machen also weiter. Sie legen sogar noch einen Zahn zu. Seien Sie jedoch versichert: Sie verrennen sich weiterhin geradewegs hinein in eine undemokratische Sackgasse. (Leider auch noch gebührenfinanziert durch genau die Öffentlichkeit, gegenüber der Sie einen vertraglich geregelten Informations- und Bildungsauftrag haben.)

Ihr Beitrag und der darin bemühte Experte von der Stuttgarter Hochschule der Medien (HDM) machen einen schweren inhaltlichen Fehler: Sie postulieren einen Gegensatz zwischen Öffentlichkeit und Internet. Natürlich ist Ihnen da kein journalistischer oder redaktioneller fauxpas unterlaufen. Der Fehler MUSS gemacht werden, um -wieder einmal- den Protest gegen S21 diffamieren zu können. Im konkreten Fall wird suggeriert, dass das Netz ja vor allem dunkle Seiten hat und in diesen halbseidenen Ecken sich die Gegner von S21 einbunkern und jeglicher Kontrolle weitestgehend entziehen.

Das ist zunächst einmal und eigentlich ziemlich lächerlich; es klingt nach „Argumenten“, die 1968 etwa vor „Haschisch spritzenden“ und „Stromgitarre spielenden“ Langhaarigen warnten. Wenn es nur insgesamt und in seiner Demagogie nicht so gefährlich wäre, was Sie da fortgesetzt betreiben. -Sind Sie so „bissig“, weil Sie Angst haben? Wovor?..

Über all dem „entgeht“ Ihnen -schon wieder!- (ich wies in meiner letzten Zuschrift an Sie bereits darauf hin), dass die eigentlich lichtscheuen Akteure, die S21-Betreiber, sich eklatant und fortgesetzt einer sogar gesetzlich vorgeschriebenen Transparenz entziehen. Ihre Berichterstattung pervertiert inhaltlich so in Folge und wiederholt nach dem Motto: „Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken.“

Dass sich die Kritiker von S21 u.a. auch in eine virtuelle Öffentlichkeit zurückziehen, um zu kommunizieren und zu informieren, dass sie dabei z.T. anonym bleiben wollen, weil sie mitunter die Erfahrung machten, dass sie auf öffentlichen Straßen und Plätzen grundlos zusammengeknüppelt und verletzt worden sind (und dies bislang ungesühnt blieb), kann man ihnen wohl nicht allen Ernstes zum Vorwurf machen. Darüber hinaus machen diese Menschen tagtäglich die Erfahrung, dass die Masse der Medien (u.a. Sie) darüber verzerrt berichtet und -quasi als höhnisches „Sahnehäubchen“- eine offensichtlich äußerst befangene Justiz sie auch noch mit Hausdurchsuchungen, Klagen und Strafen überzieht und kriminalisiert.

Ihr Eifer bei der Berichterstattung über Repression und Menschenrechtsverletzungen, Ihre (journalistische) Parteiergreifung gegen Ungerechtigkeiten weltweit ist groß (und das ist gut so!). Allerdings scheinen Sie beharrlich blind zu sein und es bleiben zu wollen, wenn dies möglicherweise und offensichtlich vor der eigenen Haustür geschieht. Dass Sie dafür massiv kritisiert werden, lässt Sie nicht innehalten und nachdenklich werden; nein, Sie glauben „zurückschießen“ zu müssen. Damit aber machen Sie sich langsam äußerst verdächtig, geraten so -evident- in den Geruch, sich mit den fortgesetzten, nachweislichen Betrügereien der S21-Btreiber gemein zu machen. Mal ehrlich: Sie wundern sich doch nicht wirklich, dass die Leute sauer auf Sie sind und Ihnen nicht mehr glauben, oder?

Medien schwindeln manchmal. Das ist ärgerlich, aber zunächst nicht ganz so schlimm; es liegt wohl auch in der Natur der Sache, dass das hin und wieder passiert. Ein Phänomen der sich etablierenden postdemokratischen Strukturen aber ist, dass mit einer Dreistigkeit und Redundanz verzerrt und im Ergebnis faustdick GELOGEN wird, so dass dies die Menschen und ihr Denken nachhaltig vergiftet. Das aber zerstört die Grundlagen unseres Zusammenlebens.

Darüber einmal und ganz konkret im Zusammenhang mit S21 nachzudenken, empfehle ich Ihnen dringend. Sie hätten dadurch die Chance, Ursache und Wirkung in diesem Prozess zu erkennen. Sie könnten dann (aber erst dann!), ausgewogen und weitestgehend objektiv berichten und, wo es angebracht ist, auch fundiert kritisieren. (Gegen die Ausführung einer solchen, handwerklich gut gemachten Kritik hätte ich nichts einzuwenden. Auch dann nicht, wenn sie die S21-Kritiker selbst beträfe.)

Aber bitte: verschonen Sie mich und vor allem andere Zuschauer mit Ihrer aufwändig, wiewohl inhaltlich schlecht gemachten, fortgesetzten und subtilen S21-Propaganda. (Dafür sind andere „zuständig“. Und die werden dafür nicht mit Rundfunk-Gebühren finanziert...) Sie verspielen Ihre Seriosität und Ihre Glaubwürdigkeit ansonsten insgesamt und unwiederbringlich. Und das nun wäre wirklich schlimm.

Mit freundlichen Grüßen

Auch der besorgte Experte von der HDM bekam etwas Schriftliches. Nachlesen kann man dies hier.

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