Mit einer Megaparty zum Atomausstieg?

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Wer nicht über die politischen Debatten in Deutschland informiert war, konnte denken, die Love Parade wäre am Samstag noch mal in Berlin unterwegs gewesen. Überall Musik und feiernde Menschen. Doch wer genauer hinsah, dem mussten die vielen Anti-AKW-Symbole auffallen. Die Quelle war schnell zu finden. Für fünf Euro konnten die Fähnchen an einen Stand hinter dem Hauptbahnhof erstanden werden. Es war klar: hier hatte die Anti-AKW-Demo zu ihrer Umzingelung des samstäglich leeren Regierungsviertels eingeladen. Die Veranstalter sprachen von einem überragenden Erfolg, weil hunderttausend Menschen daran teilgenommen haben sollen. Solche runden Zahlen sollten immer hinterfragt werden. Aber auch wenn sie stimmen, muss man doch fragen, ob die Demo nicht nur quantitativ sondern auch inhaltlich die richtige Zuspitzung in einer Zeit war, wo Politik und Wirtschaft die AKW weiterlaufen lassen wollen. Da sollte man doch einige kritische Fragen stellen, die in der medialen Verarbeitung des Großevents kaum gestellt worden sind.

Lobbying für die Erneuerbaren

Wenn man weiß, wie viele Menschen mittlerweile im Sektor der erneuerbaren Energie arbeiten, verwundert die hoheTeilnehmerzahl bei der Aktion nicht. Hinzu kommen noch die gut vernetzten Lobbyorganisationen der Erneuerbaren, die auch alle in Berlin ihren Sitz haben. Es ist natürlich legitim, dass die genauso Lobbying machen, wie Siemens und Co. Aber die Aktivitäten der Anti-AKW-Bewegung hatten historisch eine andere Zielrichtung. Sie thematisierten den Atomstaat, den Zusammenhang von Abbau demokratischer Rechte und den Bau von AKW und die Destruktivität eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das sich am Beispiel der Atomenergie gut belegen lässt.

Von alldem war am Samstag wenig zu hören und zu sehen. Nur einige Flugblattverteiler der Ökologischen Linken oder der Kampagne „Castor Schottern“ setzen hier einige andere Akzente.

Anti-Atom-Partei SPD?

Die sind auch bitter nötig, wenn die Anti-AKW-Bewegung ein Faktor werden soll, der Politik und Wirtschaft ernsthafte Probleme bereitet. Dass sich eine SPD, die alle AKW-Pläne mitgetragen hat, sich in Berlin als Anti-AKW-Partei inszeniert, ist wahltaktisch verständlich. Dass es da aber nicht einen Einwand von den Zigtausenden Demonstranten gab, wirft schon einige Fragen auf. Dass sich die Grünen als alte Anti-AKW-Partei gerieren, ist noch verständlicher. Aber gab es von den Anti-AKW-Initiativen vor Ort nicht heftige Kritik am rot-grünen Atombeschluss, der zunächst einmal nicht den Ausstieg sondern den Weiterbetrieb der AKW garantierte?Wahrscheinlich hat sich der radikalere Teil der AKW-Gegner am Samstag so vornehm mit eigenen Akzenten zurück gehalten, weil er im November beim Castor-Transport eine zumindest stillschweigende Zustimmung von den Teilen der Bewegung erhofft, die am Samstag auf der Straße wahren. Ob dieses Kalkül aufgeht, wird sich im November zeigen. Wenn dann ein Prozent der angeblich hunderttausend Regierungsviertelumzinger im Wendland antanzt, kann wirklich von einer Renaissance der Anti-AKW-Bewegung gesprochen werden. Mit einer Party im Regierungsviertel, auch das zeigt die Geschichte der AKW-Bewegung, wird sich Siemens und Co. kaum beeindrucken lassen.


Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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