Hannelore Krafts Nein: Die SPD, die NRW-Wahl, Rot-Grün und die Linke

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Hannelore Kraft hat jetzt erstmals klar ein Bündnis mit der Linken nach der Landtagswahl in NRW ausgeschlossen. Diese Nachricht macht am Freitag die Runde und hat schon zu harschen Reaktionen geführt. Der designierte Linkspartei-Chef Klaus Ernst hielt der SPD-Frau „Dummheit“ vor. Die neue Qualität sozialdemokratischer Distanzierung von der Linken war am Donnerstagabend in der ZDF-Talkrunde mit Maybrit Illner zu besichtigen – und bestand vor allem darin, dass bei dem Hinweis auf die angebliche Regierungsunfähigkeit der Linkspartei das Wörtchen „derzeit“ weggelassen wurde. Aus Versehen? Oder aus Kalkül?

Dass es in der Sendung irgendwann auf die rot-rote Koalitionsthematik hinauslaufen würde, war abzusehen. Kein Gespräch, kein Interview in den vergangenen Wochen ohne die Frage, ob die SPD oder die Linke denn nun mit dem jeweils anderen vielleicht doch ein Regierungsbündnis in Düsseldorf eingehen könnten. Richtig ausgeschlossen worden ist das weder von der einen noch von der anderen Seite, die Sprachregelung lautete: „derzeit nicht“. Oder es wurden Bedingungen genannt, die mindestens erfüllt sein müssten. So blieb offen, ob es nicht am Abend des 9. Mai oder in den Tagen danach eine andere Antwort geben könnte

"Nein": Hannelore Kraft bei Maybrit Illner (mehr)
"Derzeit" nicht koalitionsfähig": Hannelore Kraft im Deutschlandfunk (mehr)
"Derzeit nicht regierungsfähig": Hannelore Kraft in der Zeit (mehr)

Kraft hat nun „Nein“ gesagt und erstmals den Zusatz weggelassen. Vor ihrer Antwort hatte Illner noch einmal nachhaken müssen. Die SPD-Kandidatin verwies zur Erklärung auf das Personal der Linken. „Da muss man sich nur anschauen, was im Programm steht und welche Leute da Politik machen.“ Das war leicht - aber keine Begründung für den Kurswechsel in der Koalitionsfrage, wenn der denn überhaupt geplant war. So oder so: Ein derart deutlicher Ausschluss einer Regierungszusammenarbeit mit der Linkspartei wird die Sozialdemokraten bis nach der Wahl verfolgen. Man wird sie immer wieder daran erinnern. Die CDU wird ihr das Stückchen wieder und wieder hinhalten. Kraft sitzt jetzt in der „Ypsilanti-Fall“, sie hat sich freiwillig dort hinein begeben, wie Klaus Ernst zornig aber nicht ohne Berechtigung erklärt hat.

"Diese SPD-Politikerin ist politikunfähig": Reaktion der NRW-Linken (mehr)
NRW-Linke bleibt gesprächsbereit (mehr)

Für die Linkspartei mag es gar nicht so schlecht sein, in der Opposition sitzen gelassen zu werden. Dort gedieh sie bisher gar nicht schlecht. Für die SPD wird es nun dagegen eng. Die Rückkehr auf die Regierungsbank in Nordrhein-Westfalen, im so genannten “Stammland”, wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Stabilisierung. Auch bundespolitisch wäre ein Ende von Schwarz-Gelb in Düsseldorf wichtig. Doch darauf, dass es für Rot-Grün reicht, können sich die Sozialdemokraten nicht verlassen. Zwar wird das Retro-Modell eifrig bemüht, was schwierig ist, wenn man in Wahrheit nicht über die unangenehme Vergangenheit sprechen möchte. Rot-Grün, das klingt nach Agenda 2010, nach enttäuschten Grünen, nach einer Regierung, der irgendwann die geistige Luft ausging. Da mag der Meinungsforscher Richard Hilmer noch so sehr von einem „Revival“ sprechen. Sein Argument dafür ist eines dagegen: „Es gibt deutliche Parallelen zu 1998.“ Eben.

"Wir machen Rot-Grün. Ohne Scherz": Andrea Nahles bei derwesten.de (mehr)

Stefan Reinecke hat in der Tageszeitung die Fallstricke genannt, welche die rot-grüne Autosuggestion mit sich bringt: Der Plan, auf diese Weise die Linkspartei aus dem Landtag zu halten, kann scheitern. Dass die Partei von Noch-Chef Oskar Lafontaine gerade in einer Umfrage bei fünf Prozent taxiert wurde, heißt noch gar nichts. Die Fehlertoleranz in dieser Ergebnisregion ist ziemlich groß. Außerdem ist die rot-grüne Lagerstrategie in Wahrheit gar keine – die Grünen antichambrieren unverdrossen bei der CDU. Es ist alles andere als eine Versicherung, dass Rot-Grün in Umfragen zurzeit die „beliebteste“ Farbvariante ist – das interessiert nach der Wahl keinen mehr. Hannelore Kraft könnte am Ende neben der Linkspartei in der Düsseldorfer Opposition sitzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden