Ein Familienabenteuer in 3D

Film Das Filmfestival in Cannes startete würdig: Der Animationsfilm "Oben" aus den Disney-Pixar-Studios verbindet technische Innovation mit traditionellen Stärken

Das Cannes Filmfestival ist mit Oben, einem bezaubernden Animationsfilm von Peter Docter von den Disney-Pixar-Studios, würdig eröffnet worden. Zum ersten Mal wurde zum Auftakt ein Animationsfilm ausgesucht, und zum ersten Mal handelt es sich um einen Film mit einer zusätzlichen Dimension - denn Oben wurde in Super-Hi-Tech-3-D gefilmt.
Oben ist wirklich ein reizender Film: Intelligent, lustig und übermütig weckt er Erinnerungen an klassische Abenteuergeschichten aus der Feder von Sir Arthur Conan Doyle oder Jules Verne. Und an Filme wie Frank Capras It's a Wonderful Life oder Albert Lamorisses The Red Balloon. Allerdings hatte ich manchmal das Gefühl, dass mein Herz von einer kleinen unsichtbaren Laserrakete erwärmt wurde, die vom Bildschirm abgefeuert, digital direkt in meine Brust gesteuert wurde.

In der englischen Originalversion leiht der Schauspieler Ed Asner der Figur Carl Fredricksen seine Stimme. Fredricksen ist ein einsamer, grummeliger Witwer und ehemaliger Ballonverkäufer mit einem verwegen, von Spencer Tracy inspirierten Gesicht. Er lebt allein in seinem alten Haus, das skrupellose Baulöwen abreißen wollen, um die Erweiterung eines seelenlosen Wohn- und Einkaufszentrum abzuschließen.
Zunächst sieht es so aus, als hätten die Makler und ihre Anwälte Carl in der Tasche. Aber er denkt nicht daran, ihnen sein Haus zu überlassen und fasst einen großartigen Plan: Er bindet tausende bunte Heliumballons ans Dach und bald schon schweben er und sein kleines Haus davon. Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um bei diesem wunderbar surrealen Anblick nicht zu schmunzeln.

Auf nach Shangri-La!

Den bittersüßen Hintergrund zu Carls Geschichte liefert ein Vorspiel: Er und seine Sandkastenliebe und spätere Frau Ellie wollten einst, inspiriert durch den gescheiterten Abenteurer Charles Muntz, selbst auf Entdeckungsreise gehen. Ihr gesamtes Erwachsenenleben hindurch hielt sich in ihrem Herzen den Wunsch lebendig, eines Tages von zuhause in die vergessene Welt von Paradise Falls, tief im geheimnisvollen südamerikanischen Dschungel aufzubrechen. Doch es gab immer wieder Schwierigkeiten und der Traum des kinderlosen Ehepaares erfüllte sich nie. Im Film entschließt sich Carl dazu, zu Ehren seiner verstorbenen Frau ins südamerikanische Shangri-la zu fliegen. Unterwegs entdeckt er zu seinem großen Erstaunen, dass er einen blinden Passagier an Bord hat, den achtjährigen Pfadfinder Russel.

Das großartiges Familienabenteuer gewinnt zwar durch die 3D-Präsentation - in den Erfolgshimmel abheben wird es aber aufgrund traditioneller Stärken: seiner guten Geschichte, den starken Charakteren und der findungsreichen Animation sowie der altmodischen Tugenden von Klarheit und Einfachheit .
Und da wäre noch etwas, über das man sich den Kopf zerbrechen kann: Dream Works, der große Rivale von Pixar/Disney, hat in seiner großartigen Animation Shrek einige kleine Seitenhiebe auf Disney versteckt – könnte das Bild all dieser bunten Ballons nicht eine freche Verhohnepiepelung des Ballon-Logos von DreamWorks darstellen?
Wie dem auch sei, Oben ist ein toller Film und ein fröhlicher Festivalauftakt: unterhaltsam und von großer visueller Intensität.


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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Peter Bradshaw aus Cannes, The Guardian | The Guardian

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