Eine Karriere in Clips

Autorenkino Rohmer, Pionier der Nouvelle Vague, starb im Alter von 89 Jahren. Wir blicken in sieben kurzen Clips auf seine Karriere zurück

Le Signe du Lion / Im Zeichen des Löwen (1959)

Rohmers erster Film war ein waschechtes Produkt der aufstrebenden Nouvelle Vague. Eine lose gegliederte Geschichte, eine Low-Budget-Produktion aus einem zweitklassigen Pariser Studio, die sich sinnträchtig im Quartier Latin entfaltet, wo ihr Held auf der Jagd nach Beute zwischen den Häusern herumstreunt. Godards Außer Atem und Truffauts Sie küssten und sie schlugen ihn stellten den Film jedoch in den Schatten. Rohmer musste seinen Rhythmus erst noch finden.

La Collectionneuse/ Die Sammlerin (1968)

Die dritte von Rohmers sechs „moralischen Erzählungen“ wartet mit einem trockenen, scherzhaften Kampf der Geschlechter auf. Die Sammlerin ist eine kleine Nymphe, die jede Nacht einen anderen Mann mit nach Hause nimmt und von ihren beiden Kumpels, die sie gerne zähmen wollen, immer weiter wegdriftet. Der Schauplatz St. Tropez zeigt, dass Rohmer ebenso einen Sinn für die weiten französischen Landschaften hat wie für die hektische Metropole Paris.

Ma nuit chez Maud/ Meine Nacht bei Maud (1970)

Rohmers legendärstes Drama. Jean-Louis Trintignant brilliert in der Rolle eines katholischen Ingenieurs, der sich der schlauen, gebildeten Maud (Francoise Fabian) mental und emotional (wenn auch nicht körperlich) geschlagen geben muss. Der Film beweist, dass eine einfache Unterhaltung so sinnlich – und erotisch aufgeladen – sein kann wie tatsächlicher Sex. Dies ist der Film, von dem Richard Linklater vermutlich alles gelernt hat.

Le genou de Claire/ Claires Knie (1972)

Mit Claires Knie sicherte sich Rohmer seinen Ruf als großer Poet der spießbürgerlichen Hemmungen. Der Film erzählt die Geschichte eines zugeknöpften Geschäftsmannes, der auf einer Urlaubsreise vom Anblick eines nackten Körperteils überwältigt wird. Während die Welt des Helden um ihn herum zerfällt, behält Rohmer mit leichter Hand alle Teile in der Luft – und hält sie abwechselnd ins Sonnenlicht, damit wir sie uns besser ansehen können.

Le rayon vert/ Das grüne Leuchten (1986)


Das grüne Leuchten vereint Realismus und die fantastische Kunst des Märchens. Rohmer baut rund um eine Pariser Sekretärin, die einen Sommer lang einsam ist, ein gespenstisches Essay über die weibliche Einsamkeit auf. Niemand beherrschte es so gut wie er, dem Alltäglichen eine Offenbarung zu entlocken. Keiner seiner Filme hat einen so zauberhaften Schlussakkord wie dieses sonnen-gesprenkelte Kleinod.

Conte d’été/ Sommer (1996)

Rohmers Sommer ist passender Weise die wärmste und verführerischste seiner „Erzählungen der vier Jahreszeiten“. Sie erzählt die Geschichte eines überdrehten jungen Studenten (Melvil Poupaud), der sich zwischen drei Mädchen hin- und hergerissen fühlt, während er an der bretonischen Küste unterwegs ist. Mit dieser geschmeidigen, auf eine seltsame Art erschütternden Geschichte über die Sünden der Jugend strafte der Regisseur sein fortgeschrittenes Alter Lügen.

Les Amours d’Astrée et de Céladon (2008)

Gegen Ende seines Lebens lief Rohmer mit diesem Film Gefahr, den harten Kern seiner Fans zu verprellen. Er wandte sich von seinen fein abgestimmten, zeitgemäßen Dramen ab und versuchte sich an der Vergangenheit. Sein Schwanengesang Les Amours d’Astrée et de Céladon ist eine Adaption eines Schäferromans, den Honore D’Urfes im siebzehnten Jahrhundert schrieb. Schauplatz ist das Gallien des fünften Jahrhunderts, von Schäfern und Nymphen bis hin zu Druiden, die über die Minne plaudern, ist hier alles geboten. Rohmers letzter Film war ein eigentümliches Unterfangen, das auf merkwürdige Weise berauschend war. Diese Romanze schlich sich an und bezeugte offenherzig, dass Rohmer auch mit 87 Jahren noch ein Regisseur war, der für einzigartige Filme steht. Dieses letzte Werk machte dem Ausnahmetalent alle Ehre.


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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Xan Brooks, The Guardian | The Guardian

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