Es ist naturgemäß absurd, einen Fernsehfilm, wie der "Polizeiruf 110" einer ist, dauernd drohend mit einer Realität abzugleichen, die da draußen angeblich herrscht, nicht aber in unserem Fernsehapparat. Was man umgedreht aber sagen kann über die Realität, die die "Polizeiruf"-Folge mit dem bemerkenswert nichts sagenden Titel "Schatten" vom Fernseher in unser Wohnzimmer strahlt: Da sieht's aus, wie die FDP sich das vorstellt. Es gibt nur noch oben und unten, und dazwischen allenfalls die Kommissare Schmücke und Schneider. Oben ist in Schatten das Arzt-Business, wie es Frau Dr. Kugler (Sandra Speichert) und Herr Dr. Winter (Markus Knüfken) verstehen: Porsche, schicke Wohnung, Tennisplatz. Vor diesem Hintergrund wirkt die Auskunft von Frau Dr. Kugler, g
rau Dr. Kugler, getätigt in eben ihrer schicken Wohnung, es habe noch nicht mal zur zweiten Sprechstundenhilfe gereicht, etwas dämlich. Soll sie wohl auch, denn naturgemäß dürfen Geld, Porsche und Tennisplatz nicht glücklich machen, zumindest nicht in deutschen Fernsehfilmen, weshalb Frau Dr. Kugler und Herr Dr. Winter mit unserer Sympathie nicht zu rechnen haben. Bei Ausgleich: MordDie gehört schon eher dem Mann von Frau Dr. Kugler, dem Allgemeinmediziner Herrn Dr. Kugler, wenn er nur nicht so schnell ermordet werden würde. Außerdem ist für ihn die Rolle des Hahnreis reserviert, weil er nicht nur die ökonomischen Interessen seiner Frau und seines Kompagnons nicht teilte, sondern diese beiden offenbar auch das Bett. Herr Dr. Kugler jedenfalls begriff Medizin als Sozialfürsorge und behandelte unversicherte illegale Migranten in seiner Praxis. Warum dieses Engagement nicht vereinbar sein darf mit ökonomischen Interessen, bleibt das Geheimnis des Drehbuchs, das von der einstigen Heiner-Müller-Mitarbeiterin Renate Ziemer gemeinsam mit Hans-Werner Honert verfasst wurde. In gewisser Weise wird damit der Glaube an Vermittlung torpediert: Der Versuch eines gesellschaftlichen Ausgleichs wird mit Mord bestraft.Unten meint die illegalen Migranten wie Leonid Tscherkassow (Leon Palamarciuc), die in Abbruchhäusern wohnen, in denen die Tapete hängen geblieben ist, die sich von Verbrechen ernähren müssen und auf windige Manchester-Kapitalisten-Unternehmer wie Robert Menge (kann Michael Schenk demnächst bitte mal einen Guten spielen?) angewiesen sind, die in die Fabrikhalle kommen, um anzuscheißen ("Legt mal einen Zahn zu!"). Immerhin muss man dem Film zugute halten, dass er im Wohnzimmer der deutschen Mehrheitsgesellschaft um Verständnis für die Geworfenheit der illegalen Migranten wirbt – auch wenn dauernd von "Ausländern" die Rede ist, was den opinion leadern des Integrationsdiskurses doch voll "nineties" erscheinen muss. Schmücke (Jaecki Schwarz) betont den alternativenlosen Zwang zur Migration, der einer Auffassung von fröhlich-freiwilligem Parasitentum in unserem anständigen Deutschland widerspricht; Schneider (Wolfgang Winkler) verspricht dem auskunftsfreudigen Bedürftigen Hilfe in schwereren Tagen und spendet zehn Euro.Dauernd fährt ein Auto vorbeiDas Auseinanderklaffen der gesellschaftlichen Schichten bekommt dem Hallenser Polizeiruf nicht besonders gut. Es wirkt alles immer ein wenig bemüht und künstlich – so ähnlich wie die Autos, die in jedem zweiten Bild vor einem Gebäude vorfahren, und die irgendwie so aussehen, als gehörten sie da nicht hin, weil die Autos in solchen Filmen, in denen die Stadt durchaus Gebrauchsspuren aufweist immer alle niegelnagelneu sind. Oder zumindest geputzt. So ist Schatten ein Film, in dem dauernd irgendwelche Autos vor irgendwelchen Gebäuden vorfahren – und das ist vielleicht nicht nur ein Problem der Regie, sondern mehr noch unserer Fortbewegungsmanier, weshalb es absolut passend ist, dass Schmücke in diesem Fall viel Wert auf das Zu-Fuß-Gehen legt.Um DanielWs Anregung aus der letztwöchigen Diskussion aufzunehmen: Das Männer-Bild, das die Kommissare im Hallenser "Polizeiruf" vorstellen, ist ein ungewöhnliches. Die beiden Herberts, Schmücke und Schneider, vermitteln seit je den Eindruck eines so genannten alten Ehepaars, worauf auch in diesem Fall angespielt wird ("Wir müssen ja nicht immer Händchen halten"). Verstärkt wird der Eindruck durch das Wissen um Jaecki Schwarzens Homosexualität, auch wenn die von der Rollenfigur nicht thematisiert wird – es gibt dem Verhältnis der beiden ein eigenes Gepräge und erschwert die Zuschreibungen von typisch männlich und typisch weiblich. Nicht unberührt von der Ehe-Ähnlichkeit der Beziehung zwischen den beiden Kommissaren bleiben die Kontakte nach außen: Das Verhältnis von Schneider und seiner Gabi (Karin Düwel), in dessen Zentrum diesmal ein auszubauender Bungalow rückt, wirkt wenig überzeugend.ERWARTBARE ANTWORTEN AUF DIE FRAGEN EINES KOMMISSARS: "Kann ich was für Sie tun?" – "Finden Sie den Mörder meines Mannes!"ÜBERRASCHENDE ANTWORT AUF EINE BELANGLOSE FRAGE: "Wie lange sind Sie verheiratet?" – "Zu lange."