Einiges kommt zusammen im Hallenser Polizeiruf "Blutiges Geld": Arbeitsplatzsentimentalität, Kindesentführung, Mordversuch. Und einiges geht durcheinander. Macht nichts
Neues aus der Arbeitnehmerhölle. Der Hallenser Polizeiruf 110 mit dem Titel Blutiges Geld thematisiert die Nöte von Angestellten im Spätkapitalismus. Wie im Sonntagskrimi üblich wird dabei die Innenwelt der ermittelnden Polizei auf die Außenwelt des aufzuklärenden Falles bezogen: Während es im überfallenen Baumarkt um Entlassungen geht, müssen sich the two Herberts, Schmücke (Jaecki Schwarz) und Schneider (Wolfgang Winkler), mit einer neuen Kollegin arrangieren: Oberkommissarin Nora Lindner (Isabell Gerschke), die schon nassforsch die Kollegen am Tatort dirigiert, als Schmücke/Schneider erst eintreffen. Das führt umstandslos zu unserem neuesten Lieblingsaspekt bei der Sonntagskrimibeobachtung: den Geschlechterbildern. Die sind, wi
n Geschlechterbildern. Die sind, wie schon dargelegt, wenn auch nicht unkritisch aufgenommen, im Hallenser Fall eher originell: Auch in dieser Folge gelangt die Beziehung mit Gabi Rössner (Karin Düwel), die Herbert Schneider im richtigen Leben der Serie führt, über ein Alibi nicht hinaus – der Lebensmensch, wie der Freund von Jörg Haider mit Thomas Bernhard sagen würde, bleibt für Schneider the other Herbert, mit dem er sich wie ein giggelnder Teenager vor den eingeforderten Avancen von "Frau Rössner" drückt; dessen schlechte Launen er erträgt, dem er nicht krumm nimmt, wenn er keinen Finger bei der Gartenarbeit rührt und der ihn mit ein bisschen Zureden zum Öffnen jeder Tür überreden kann (ein toller running gag, by the way). Nora Lindner kommt in diese funktionierende Partnerschaft naturgemäß als Fremdkörper, zu der sie Jugendlichkeit und Weiblichkeit stempeln. Lindner: "Sie hatten doch Verstärkung angefordert". Schmücke: "Einen Mann". Der Witz dabei ist, dass OK Lindner durchaus "männlich" kühl zur Tat schreitet, in entscheidenden Situation aber "weiblich" gefühlig reagieren muss: Wenn sie etwa der Ärztinmutter Dr. Lund (Birge Schade) das Versprechen gibt, dass ihrer entführten Tochter nichts passieren wird (was Schmücke/Schneider vorher auch schon versucht hatten). Oder wenn sie final die entführte Tochter rettet und so lang mit quasi mütterlicher Rührung umarmt, bis man glaubt, es wäre ihre eigene. Die Rollenzuschreibungen in Halle, sie werden weiter für Spekulationen sorgen.In erster Linie aber ist OK Lindner die Neue, die die Arbeitsabläufe im routinierten Hallenser Kommissariat stört – Schmücke entpuppt sich als, darf man jetzt sagen, stutenbeißerischer Chef, der erst am Ende die Leistungen der jungen Ermittlerin zu würdigen weiß. Ziemlich bossy müssen die Hierarchien klar gemacht werden. Darum geht es, von der anderen Seite her, auch im Fall: Rita Dreher (Carin C. Tietze) wird im Baumarkt gekündigt, der immerhin so gut läuft, dass Lohnbuchhalterin Nathalie Schrade (Judith Richter) sich eine teuer-geschmackvoll eingerichtete Wohnung leisten kann (kann freilich auch an ihrer Beziehung zum "alten" Baumarkt-Chef liegen). Rita Dreher kündigt nach 15 Jahren, und kurz vor dem Überfall, bei dem ihr neuer Chef verletzt wird (wieso ermittelt eigentlich die Mordkommission in einem Krimi ohne Mord?), entlockt sie ihrem verblüfften Chef Manfred Weller (Oliver Hörner) den mitfühlenden Satz: "Da sparen wir uns die Abfindung." "Die hätte ich von ihnen doch sowieso nicht gekriegt", antwortet Rita Dreher, und diesen Umstand würden wir gern noch einmal von einem Arbeitsrechtler prüfen lassen. Er gehört zu den ungenauen Details in Blutiges Geld, die einen nicht weiter stören, wenn man nur dem Mainstream der Handlung folgt. Das Fernsehen ist halt kein Ort fürs Arbeitsrecht, sondern für mittlere Gefühle, und so entpuppt sich als Motiv für den Rachefeldzug featuring Kindesentführung und versuchtem Mord die Kränkung, den Arbeitsplatz nach so langer Zeit verloren zu haben. "Der Baumarkt, das war mein Leben", sagt Rita Dreher, und ist damit die Angestellte, die sich der Hyperkapitalist wünscht, aber trotzdem gehen lässt. Verstehe diese Hyperkapitalisten, wer will.Das Setting von Blutiges Geld ist also unrealistisch, aber der Fall macht trotzdem Spaß – weil, altbacken hin, altbacken her, Jaecki Schwarzens Schmücke das Nölen so gut steht. Außerdem ist unsere Fortbewegungskritik vom letzten Mal prompt erhört worden – und durch Halle geht es diesmal mitunter auf der Schwalbe. Dagegen ist grundsätzlich nie etwas zu sagen, das steht jeder Stadt gut. Auch Halle mit seinen engen Straßenbahnschluchten, die wir immer wieder gern sehen.DIE EWIGE NOSTALGIE DER SUBALTERNEN: "Der alte Chef war in Ordnung."DAS GIBT ES NUR IM FERNSEHEN: Internetcafé-Betreiber, die in Bauhaus-esken Häusern leben.