Wie schnell die Sache mit den Einheitssymbolen in die Hose gehen kann, hat Google gezeigt. Am 3. Oktober erschien das Logo der Suchmaschine variiert: mit zwei Händen, die sich im Händedruck vereinigen. Die Zweideutigkeit dieses Symbols war den Suchmaschinisten entgangen.
Eher unglücklich lief auch die Geschichte des geplanten deutschen Einheitsdenkmals; die Wettbewerbsergebnisse wurden am Feiertag vorgestellt. Schon diese Inszenierung zu historischen Daten nervt: Am 9. November 2007 hatte der Bundestag die Errichtung eines Berliner Freiheits- und Einheitsdenkmals beschlossen. Gewünscht war eine Art eierlegende Wollmilchsau: Auf dem Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals für Wilhelm I. sollte zugleich an die friedliche Revolution von 1989 unter besonderer Würdigung der Leipziger Bewegung, an die deutsche Einheit und an die deutschen Einheitsbestrebungen der letzten Jahrhunderte erinnert werden.
Nach einem gescheiterten Wettbewerb wurde abgespeckt und neu ausgelobt. Die nun vorgestellten – gleich drei – Siegerentwürfe verdeutlichen aber nur die Absurdität des Unternehmens: eine überdimensionale Schaukelschale, ein überdimensionaler kniender Mann und ein überdimensionales semantisches Rätsel. Und natürlich muss alles irgendwie historisch Aufgeladene auf dem Schlossplatz abgeladen werden, wo eines Tages auch noch die Schlossattrappe erstehen soll.
Aber wozu braucht die deutsche Einheit eigentlich ein Denkmal? Ist nicht das Land selbst mit all den Spuren der Geschichte, mit seinen gegenwärtigen Konflikten und Prozessen, das eigentliche Symbol der Vereinigung?
In der Bernauer Straße stauen sich derweil die Touristenbusse. Jahrelang waren Besucher in der Stadt herumgeirrt mit der ratlosen Frage: „Where is the wall?“ Für Ausländer ist die Mauer ein Symbol des Kalten Krieges und der Teilung Europas. Nachdem die Mauer bis auf wenige Reste beseitigt worden war, erkannten die Tourismusindustrie und schließlich sogar die Berliner Politik den Fehler – nun entsteht entlang der Bernauer Straße eine Gedenklandschaft. Gleichzeitig konnte eine engagierte Ausstellung auf dem Alexanderplatz zur ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung und der politischen Wende 1989 gerade noch bis zum 3. Oktober gerettet werden, die Stadt wollte sie eigentlich viel früher verschwinden lassen. Soviel zur Erinnerungskultur.
Wozu aber ein Denkmal für den Beitritt der DDR nach Art. 23 GG, während gleichzeitig unzählige denkmalgeschützte Gebäude vor sich hin gammeln oder gleich vernichtet werden? In Deutschland wird Geschichte gern in Stein gemeißelt. So gibt es längst ein deutsches Einheitsdenkmal. Überdimensioniert thront es seit über 100 Jahren in Rüdesheim über dem Rhein: die „Germania“. Im hohen Sockel eingraviert ist die Wacht am Rhein, die Hymne auf den Sieg der Deutschen über die Franzosen 1871. Damals wurde Wilhelm I. zum Kaiser gekrönt – genau jener Wilhelm, auf dessen Denkmalsockel nach dem Wunsch des Bundestages das neue Einheitsdenkmal entstehen sollte. So schließen sich Kreise.
Und das Denkmal verfehlt seine Wirkung nicht. Bei unserem Familienausflug erkletterten die Kinder verbotenerweise den Germania-Sockel, während sich die Erwachsenen über den martialischen Kitsch amüsierten.
Ulrike Steglich ist Autorin in Berlin