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Kultur : Wider die Zurichtung des Selbst

Tanja Turnaskyjs Film "Eine flexible Frau" entromantisiert nicht nur den Berufsstand der Architekten

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Es gehe darum, Bilder zu finden für die Besonderheit dieser Orte, sagt Greta (Mira Partecke) in Tatjana Turanskyjs Film Eine flexible Frau einmal. Dieses Credo könnte für Turanskyjs Film selbst gelten, dessen Ästhetik einer bestimmten Form von Theater nahe ist (nicht zufällig haben Performer von Gruppen wie She She Pop oder Gob Squad Gastautritte) und der sich sperrt, die Erwartungen eines Sozialdramas zu erfüllen, welches man den Programmschemata der Öffentlich-Rechtlichen als „Fernsehfilm der Woche“ unterjubeln könnte. Greta ist 40 und ohne Job. Sie heuert bei einem Call-Center an, das Fertighäuser verkauft, was nicht nur ihr Sohn für „assi“ hält. Greta fungiert als Platzhalterin, wenn für einen Investorenbesuch aus China für eine Brachenbesichtigung eine Architektin gebraucht wird, wo es lediglich um billige Funktionsbaukunst geht. Sie fragt auf Rat der Arbeitsagentursfrau bei Freunden nach, ob sie nicht in deren Büros arbeiten könnte.

Greta ist aus einem Leben gefallen, in dem alles zu funktionieren hat. Als sie in Oberhausen eine Schulfreundin wiedertrifft, die in Sicherheit und Wohlstand lebt, und diese fragt, was sie so mache, antwortet Greta: „Geschieden, ein Sohn, Lukas heißt der, der ist 12.“

Solche Bilanzen passen nicht in die ökonomisch determinierte Welt, durch die Greta sich bewegt: Die Dialoge von Eine flexible Frau – ob im Call-Center oder auf der Arbeitsagentur – sind durchzogen von einer neutralisiert gut gelaunten Servicesprache. Insofern interessiert sich Turanskyjs Film für die, wie Greta einmal sagt, „Psychografie eines Ortes“ – und dabei für die Lücken, die dem Einzelnen bleiben, um seine Würde zu bewahren. Was wäre trauriger als der ICE-Schaffner, dem man das Schulungsseminar anmerkt, das ihn Angebote aus dem Bordrestaurant durch den Zug säuseln lässt in einer Form, die nicht die seine ist? Greta ist der Widerspruch (obwohl das zu aktiv, zu bewusst klingt) gegen solche Zurichtung des Selbst, und der Preis, den sie dafür zahlt, ist ihre Verlorenheit.

Der Architektinnenberuf eignet sich nicht nur dazu, prekäre Arbeitsverhältnisse sichtbar zu machen, sondern macht aus Eine flexible Frau einen ungewöhnlichen Berlin-Film. Das Hauptstadt-Bild wird hier nicht romantisch aktualisiert, wie Tom Tykwer es vor kurzem in Drei getan hat (Freitag vom 23. Dezember): Turanskyjs Berlin ist manchmal kaum zu identifizieren, die geschmacklich globalisierte Fassade der Townhouse-Siedlungen könnte genauso gut in Dubai oder in Hamburg gebaut werden.

Nicht nur in seinem Blick auf das spezifisch Weibliche an Gretas allseits flexibilisierter Persönlichkeit (Bastian Trost führt als eine Art gendertheoretischer Stadtführer durch Gretas Leben) spielt Eine flexible Frau auf das feministische bundesdeutsche Kino an; die abstrakten Videoaufnahmen Gretas beim Beratungsgespräch erinnern zudem an die mythischen Anteile des Defa-Films der siebziger Jahre, der mit solcher Überhöhung versucht hatte, sich von einer Realität fernzuhalten, der er nicht zu nahe kommen durfte.

Eine flexible Frau wird ein Film für wenige bleiben – was auch daran liegt, dass er bei aller Kritik und Abstraktion als melancholisches Resümee einer Berlin-Genera­tion gesehen werden kann, die in den neunziger Jahren ihren Individualismus in Freiräumen pflegte, bevor der Ernst der Hauptstadtwerdung die Seifenblasen vom eigenen Ich platzen ließ.

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