Lauter Trendsetter

Kulturkommentar Was wäre so ein Buch schon, gäbe es die Verlagsvorschauen nicht? Katrin Schuster über das schönste Blendwerk des Literaturbetriebs

Es ist wieder soweit, beinahe täglich landet mindestens eine Verlagsvorschau im Briefkasten und will von den Rezensenten, Redakteuren und vielen anderen Büchermenschen gesichtet werden. Nur leider ist das nicht so einfach, denn die Lesbarkeit scheint oftmals kein Gestaltungskriterium gewesen zu sein. Bald weiß man wenigstens: Vom Inhalt des Buches erzählt immer der Text in der kleinsten Schriftgröße.

Viel wichtiger und deshalb in deutlich größeren Lettern gesetzt sind die Informationen über das geplante Marketing, die tatsächlich meist mehr aussagen als die Inhaltsangabe, siehe „Wir werben in Brigitte, ­Petra, Maxi und DB mobil“ oder „Große Onlinekampagne mit Buchtrailer: RTL, rtl.de, stern.de, Vox, Myspass, gmx.de“. Überhaupt wird nicht an Farben und Formen gespart, fast alle Vorschauen versammeln die verschiedensten Schriftgrößen und -arten, ihre Seiten sind bedeckt von Buttons, Schlagwortwölkchen, Pfeilen, Anführungs- oder Ausrufezeichen, eckigen oder runden Klammern sowie Häkchen und ­anderen unbeschreib­lichen Design­elementen.

Intensive Debatte!

Die Ähnlichkeit mit Büchern von Verschwörungstheoretikern ist freilich keine zufällige, denn Verlage scheinen ebenfalls mehr zu wissen als der normale Bürger. Bei Siedler etwa findet sich ein Buch im Frühjahrsprogramm, das „für eine intensive Debatte sorgt“, bevor es überhaupt erschienen ist. Die DVA wiederum verkündet schon jetzt die „große Aufmerksamkeit im Feuilleton und Literaturbetrieb“, die eins ihrer Bücher begleiten wird. Auch Knaus feiert den „großen internationalen Erfolg“ bereits vor dem Erscheinen, Kösel da­gegen „ein Debattenbuch, auf das viele warten“ und Blessing „das deutsche Thriller-Highlight des Frühjahrs“. Ganz zu schweigen von jenen Sachbüchern, die vom „Trendthema Vegetarismus“, „Trendthema Landlust“ oder auch „Trendthema Pikler-Pädagogik“ handeln, oder zu „Standardwerken“ erklärt werden, noch bevor sie in Druck gehen.

Hört man nicht auf dies PR-Geschwätz, dann lassen sich die wahren Trendthemen schnell feststellen. Das Glück ist sicherlich eines davon, „das ultimative Buch zum Thema ‚Glück‘“ erscheint bei DuMont, aber auch auf ­Covern anderer Werke liest man das Wörtchen überraschend häufig.

Dass man sich in diesen Heften nur schwer zurecht findet, ahnen die meisten Verlage – sonst würden die Buch­beschreibungen nicht von Checklisten flankiert, die wohl die zentralen Argumente vorstellen sollen. Dort finden sich dann nicht nur „Medienecho“, „Trendthema“, „Debattenbuch“ und „Bestseller“, sondern auch Hinweise auf Jahrestage (Winnenden, 9/11, „100 Jahre Chemie-Nobelpreis für Marie Curie“) und schöne Features („Mit Ausklappseiten und Stickern“, „Mit einem Vorwort von Sabine Christiansen“, „Ca. 550 Kilometer, mehr als 20.000 Fotos“) sowie Fingerzeige auf ein mögliches Publikum: „Eine unverzichtbare Lektüre für alle ‚Grünen‘“, „Ein Buch für alle, die sich für ‚unmögliche Lieben‘ und den rasanten Wandel der Gesellschaft interessieren“ oder „Für die Leser von Ralph ‚Sonny‘ Barger, Jay Dobyns und Bad Boy Uli!“. Zweifellos nicht zu überbieten an so schlichter wie zeitgemäßer Eleganz ist allerdings der Rowohlt Verlag. Im September 2011 erscheint dort der Roman Dein Blut auf meinen Lippen, laut Checkliste „Die berühmte Geschichte von Romeo Julia, aber mit Vampiren“.

Katrin Schuster bespricht für den Freitag auch Bücher, die sie in Verlagsvorschauen gefunden hat

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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