Geld macht Liebe

Kino Die Regisseurin Małgorzata Szumowska setzt in „Das bessere Leben“ Prostitution vorurteilsfrei in Szene. Der Film krankt jedoch am Blick auf die Ökonomie der Geschlechter

Im edlen Hausanzug schreibt die Upper-Class-Journalistin Anne (Juliette Binoche) am heimischen Schreibtisch für ein Pariser Magazin einen Text über Escort-Frauen. Befragt hat sie dafür die Studentinnen Alicja (Joanna Kulig) und Charlotte (Anaïs Demoustier), die dem anrüchigen Job nur Positives abgewinnen können.

Sie werden von ihren Freiern respektiert, verbringen mit ihnen aufregende oder fürsorgliche Stunden, müssen keine Beziehungsarbeit leisten und können sich die Phasen von Langeweile sparen, die eine Ehe mit sich bringt. Was die sanfte Charlotte und die temperamentvolle Alicja von ihrer Arbeit berichten, hat mit Demütigung und Schmutz nichts zu tun. Sie verdienen gutes Geld und genießen es, von smarten Anzugträgern begehrt zu werden. Spät wird diese Sicht relativiert.

Charlotte und Alicja wollen ihre prekäre Herkunft hinter sich lassen und gelangen dahin, wo die Freier und Anne schon sind: in eine Welt, in der über Geld nicht gesprochen wird. Die Journalistin, von Binoche fahrig und merkwürdig ziellos gespielt, staunt über die Selbstverständlichkeit, mit der die Mädchen Sex gegen Geld tauschen. Dass sie dabei auch sexuell auf ihre Kosten kommen, weckt Annes Libido.

Ökonomische Verstrickung der Geschlechter

Leider lenkt diese überflüssige Nebenhandlung in Das bessere Leben ab vom weitaus aufwühlenderen Blick auf die Ökonomie und Arbeitsteilung der Geschlechter. In der Zeit, in der Anne an ihrem Artikel arbeitet, bereitet sie einmal in der Küche ein festliches Mahl vor. Der Chef ihres Mannes hat sich angekündigt. Die Zubereitung des Geschäftsessens, Annes abendlicher Auftritt als elegante und verführerische Gattin, dienen allein der Repräsentation, der Statuspolitik ihres Mannes. Ist das nicht auch ein Tauschgeschäft, nur in der Ehe?

Dass die Sphären der Mädchen und die ihrer Freier durch die Figur der Anne ineinander verschränkt sind, ist ein interessanter Kniff in Das bessere Leben. Die Brisanz der Konstellation wird allerdings nicht ausgeschöpft, die Figur der Journalistin enttäuscht. Anders als ihre Antagonistinnen steckt sie voller Klischees und begegnet ihren Geschlechtsgenossinnen mit stets ungetrübter Sympathie und Solidarität, ja mit mädchenhafter Schamhaftigkeit.

So verdrängt die von Aggressionen befreite Atmosphäre, die plaudernde Frauen verbreiten, eine Geschichte, deren Exposition mehr versprochen hatte. Annes heimische Konflikte, ihre neu entdeckte, sexuelle Aufbruchstimmung sind schauspielerisch zum Teil gewagt umgesetzt, fallen aber thematisch gegenüber den fragwürdigen und riskanten Strategien der Studentinnen deutlich ab.

Die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska wollte mit Das bessere Leben studentische Prostitution vorurteilsfrei in Szene setzen und die weiblichen Perspektiven austauschen. Das ist durchaus geglückt. Nur angerissen wird dagegen das Interesse der Mädchen an Ökonomie; wie sie sich jenseits der Prostitution, etwa im Studium, gegenüber Männern schlagen. Und wenn Anne ihrem Vater die Füße massiert und Charlotte im nächsten Bild einen Freier in seinem Büro tröstet, stellt der Film die Behauptung auf, Frauen seien Expertinnen für körperliche Zuwendung – auch das wird nicht weiter verfolgt. Dafür nimmt Annes Privatleben zu großen Raum ein. Dennoch gelingt Szumowska ein aktueller und provokanter Blick auf die ökonomische Verflechtung der Geschlechter. Und es bleibt das Erschrecken über junge Frauen, die den Objektstatus ihres Körpers offensiv einsetzen.

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