Aung San Suu Kyi sein Mann

Kino Der Film, der scheinbar zu den Nachrichten passt: Luc Besson zeichnet in "The Lady" ein privates und wenig differenziertes Bild von Myanmars bekanntester Politikerin

Aktueller kann ein Film kaum sein, möchte man meinen. Am Wochenende ist in Myanmar, früher Burma, gewählt worden. Zum ersten Mal seit langer Zeit stand das Ergebnis nicht vorher fest und als Resultat wird die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi wohl eine Rolle im politischen Apparat übernehmen, die sich ihrer weltweiten Bedeutung für Myanmar institutionell annähert.

Und dann kommt an diesem Donnerstag mit The Lady von dem französischen Regisseur Luc Besson ein Film in die Kinos, der die Lebensgeschichte Aung San Suu Kyis erzählt bis kurz vor diesem Wochenende. Aktueller kann ein Film nicht sein.

Dass Aktualtität eine prekäre Kategorie ist, lehrt etwa das Fernsehformat der Tagesschau vor 20 Jahren. Wer diese schaut, entwickelt eine demütigere Vorstellung von der Zeit, die politische Veränderungen in Anspruch nehmen. Man stößt in den nun ausgestrahlten Folgen der ARD-Nachrichtensendung auf Dauerbrenner wie den Israel-Palästina-Konflikt, bekommt die europäische Krise als ungewisse Zukunft einer sich konstitutierenden Zusammenarbeit erzählt und begegnet eben Aung San Suu Kyi, die im Herbst 1991 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde und im Haus ihrer Eltern unter Arrest stand.

Immer werden Koffer gepackt

Das Leben der Lady handelt also von einer bewundernswerten Ausdauer, sich der Militärdiktatur friedlich zu widersetzen, die gegen den Vater Aung Sans, Vorkämpfer für Myanmars Unabhängigkeit, 1947 geputscht hatte. Besson, der sich einen Namen gemacht hat mit einem opulenten europäischen Actionkino, übersetzt die Langsamkeit des oppositionellen Beharrens in blinden Aktionismus. The Lady besteht aus lauter Handlungen, die das Stadttheater aus einem betriebsamen Schwank ableiten könnte. Im Fernsehen läuft was über Prosteste in Myanmar und umgehend werden Koffer gepackt. Es werden überhaupt sehr viele Koffer gepackt in The Lady. Der Film hat keinen Rhythmus, keine Zeit, er atmet nicht, sondern macht nur.

Und was er macht, summiert sich zu einem Bild wie aus dem Kalten Krieg, das resistent ist gegen jeden komplexeren Gedanken (Drehbuch: Rebecca Frayn). So wie Aung San Suu Kyi, gespielt von Michelle Yeoh, einem globalen Star aus Hongkong, alle Attribute des Guten und Gerechten auf sich vereint, kommen ihre Gegenspieler nie hinaus über das Fratzenhafte einer grundsätzlichen Bösartigkeit. Europäische Klaviermusik, mit der die Eingesperrte in der Isolation sich tröstet, ist ihnen fremd und verdächtig. Besonders emotionale Szenen wie die Ermordung des Vaters zu Beginn werden auf Zeitlupe runtergedrosselt, damit das Heldenhafte an ihnen deutlich hervortritt. Immer geht es darum, eine in jeder Hinsicht überlegene Unschuld gegen eine grobschlächtige Verkommenheit auszuspielen: Von den Konfliktlagen in Myanmar am Ende der achtziger Jahre erfährt man ungefähr so viel wie über die Einstellung der Mutter: „Politik war ihr immer sehr wichtig.“

Dazu passt, dass The Lady die private Seite Aung San Suu Kyi betont – ihre Ehe mit dem britischen Wissenschaftler Michael Aris (David Thewlis). Die Rückkehr nach Myanmar aus dem Londoner Exil bedeutet dann folgerichtig, dass der politische Kampf seiner Frau den Forscher zum Kindererziehen und Bügelnlernen verpflichtet. Die Ehe stiftet den Rahmen, der Film endet mit Michaels Krebstod 1999, dem ein Epilog folgt, den man als Vermächtnis vom Verzicht des Gatten auf seine Frau verstehen kann.

Das Unaktuelle, bezogen auf heutige Reflexionsräume, an The Lady ist, dass der Film sich so richtig fühlt.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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