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Kultur : Schlechter Stil

Til Schweiger will noch vor seinem ersten Auftritt als "Tatort"-Kommissar den kanonischen Vorspann der Reihe modernisieren: Er weiß nicht, was auf dem Spiele steht

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Was der Tatort ist außer lang­lebig, erfolgreich und beliebt, lässt sich so leicht nicht sagen. Der Tatort ist so groß, dass er kaum Grenzen hat – fast alles lässt sich in die Reihe, die seit über 40 Jahren in der ARD läuft, integrieren. Das war von Beginn an so: Die Abenteuer des von Sieghardt Rupp gespielten Zollfahnders Kressin etwa waren als eigene Fernsehfilme geplant, im Rahmen des Tatort sind sie dann gelaufen, weil die ARD das Konzept seinerzeit schnell umsetzen wollte und Stoff brauchte.

Der Tatort also hält viel aus, was vermutlich eine Erklärung für seine Langlebigkeit ist. Weil die Reihe immer größer war als ihre Protagonisten, konnten Misserfolge rasch korrigiert werden – die enzyklopädische Fanseite tatort-fundus.de verzeichnet unter den Ermittlern „20 Eintagsfliegen“, also Schauspieler, die nur einmal die Rolle als Tatort-Kommissar verkörperten.

Solche Flexibilität und Geräumigkeit kann allerdings auch Probleme ver­ursachen, vor denen neben dem Tatort in Deutschland vielleicht nur noch die Edition Suhrkamp von Willy Fleckhaus steht: dass die Reihe selbst erkennbar bleiben und zugleich ein Verhältnis zu ihren einzelnen, sich verändernden Teilen unterhalten muss. Was den Tatort erkennbar macht durch alle Zeiten hindurch sind drei Dinge: der Vorspann, die Sendezeit und ein – mehr oder weniger – krimalistischer Fernsehfilm, der um bundesweit platzierte, wiederkehrende Protagonisten organisiert ist. Während die Bestellung dieser Prota­gonisten mit der Zeit geht und deren Lokalisierung für Abwechslung sorgt, sind Vorspann und Sendezeit feste Kategorien, die der Reihe erst geschichtliche Bedeutung, die selbsterklärende Praxis eines Rituals verschaffen.

Vorspann als Hauptfilm

Insofern ist es ein Politikum, wenn der neue Hamburger Kommissars­darsteller Til Schweiger noch vor Drehbeginn zur seiner Auftaktfolge jetzt forderte, den seit Beginn quasi unveränderten Vorspann zu überarbeiten. Die Zumutungen eines frisch engagierten, unbegründet selbstbewussten Führungspersonals beginnen früh, könnte man stöhnen. Oder, wie etwa die SZ, großzügig kommentieren: „Na, wenn es nur der Vorspann ist.“

Der Tatort ist zu einem Großteil aber eben dieser Vorspann. Und wohin pseudomodernisierende Weiterentwicklungen führen, kann man am Beispiel des Polizeiruf 110 sehen, dessen Eingangs­sequenz schon zu DDR-Zeiten öfter geändert wurde, ehe – auch weil diese Tradition sich aus politischen Gründen nicht ungebrochen fortschreiben ließ – seit einigen Jahren ein liebloses Etwas aus dem Katalog für Standard Fernsehkriminalfilmanfänge in die jeweiligen Folgen einführt – der Charakter einer Reihe lässt sich so nicht ausprägen.

Schweiger weiß nicht, was auf dem Spiel steht, wenn er den kanonischen Tatort-Vorspann als „outdated“ bezeichnet. Ein Begriff, der auf seine Jahre in Hollywood verweist, die als Backstory seines hiesigen Erfolgs nicht unwichtig sind. Und die noch in der Ausstattung seiner Filme erkennbar werden, in denen Deutschland in eine anamerikanisiert-nostalgische Welt verwandelt ist. Seiner Vorliebe für Sepia, Oldtimer und Fifth-Avenue-Look kann Schweiger in seinen Filmen gern und viel Raum geben.

Nur im Tatort-Vorspann nicht. Und es bleibt zu hoffen, dass die ARD-Hierachen das genauso sehen und Schweiger die Instrumente ihrer zähen Verwaltungsstrukturen zeigen. Der Tatort ist auch größer als Til Schweiger. Andernfalls könnte er bald nicht mal mehr langlebig, erfolgreich und beliebt sein.

Matthias Dell schreibt jeden Sonntag 21.45 Uhr über den aktuellen Tatort/Polizeiruf auf freitag.de

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