Warum sitzt der Mann bei Jauch?

Euro Thilo Sarrazin hat ein Buch gegen den Euro geschrieben und bleibt sich treu: er provoziert und fühlt sich wieder einmal missverstanden

Thilo Sarrazins letzter Satz fasst alles wunderschön zusammen: „Wenn man jemanden hasst, darf man nicht über ihn reden, das ist der einzige Weg, wie man ihn tot kriegt.“ Bitteschön, da ist er wieder: Sarrazin der Verkannte, Sarrazin der Totgeschwiegene, Sarrazin, der wackere Aufklärer der Nation, der sich über die bescheuerten Medien amüsiert – in diesem Fall ist es der Stern, den er „ganz schön blöde“ findet.

Viel mehr ist kaum zu sagen über Sarrazins Auftritt bei Günther Jauch am Sonntagabend. Der Ex-Beamte, Ex-Senator und Ex-Bundesbanker hat mal wieder ein Buch geschrieben. „Thilo Sarrazin ist zurück“, so titeln die Jauch-Leute in einem Einspieler. Diesmal schafft nicht Deutschland sich ab, sondern Europa den Euro – oder das könnte es jedenfalls schadlos, findet Sarrazin. Denn geholfen hat die gemeinsame Währung nach seiner Lesart niemandem, dagegen hat sie angeblich die bis 1999 so prächtig vorangekommene europäische Integration gestoppt und sät nun nur Streit und Zwietracht.

Gezielte Provokation

Das alles hat Sarrazin auf 460 Seiten nach eigener Darstellung total differenziert dargestellt – und gewürzt mit einigen Klischees über die südeuropäische Mentalität und einigen gezielten Provokationen über die vom Holocaust induzierten Schuldkomplexe der Deutschen, die sie jetzt den angeblichen Irrsinn von Eurobonds in Erwägung ziehen lassen. Und damit rollt sie wieder, die große Sarrazin-Vermarktungsmaschine, die ihm im Stern bereits den Titel beschert hat als Aufgalopp für die große Sarrazin-Show zur Vorstellung seines Buches am Dienstag in Berlin.

Warum sitzt der Mann bei Jauch? Weil er diesmal nicht die Gelegenheit bekommen soll, sich als Opfer der großen Schweigeverschwörung zu präsentieren? Aber wer findet das wirklich interessant, was dieser Populist und Besserwisser zu sagen hat?

Die Sendung jedenfalls erschöpfte sich weitgehend darin, dass Sarrazin immer wieder auf die Grundthese und die tiefe Qualität seines Werks verweisen durfte, während der als Kontrahent geladene Ex-Finanzminister Peer Steinbrück zielstrebig daran vorbei diskutierte. Mit einzelnen Argumenten seines SPD-Parteikollegen hielt sich Steinbrück nicht lange auf, sondern warf ihm einfach pauschal Geschichtsvergessenheit vor. „Der Euro ist eine tragende Säule der europäischen Integration“: Der Satz war in Variationen auch die tragende Säule von Steinbrücks Argumentation. In der Vergangenheit seien Fehler geschehen, das ja, aber es hilft jetzt nichts, wir müssen nach vorne blicken. Viel konkreter wurde es nicht.

Ein gefährlicher Mann ?

Dazwischen belegte Steinbrück seine eigenen Qualitäten als Besserwisser und raunzte den Sarrazins Monologe nicht entschieden genug unterbindenden Moderator an: „Jetzt müssen Sie sich mal durchsetzen!“ Und er erregte sich seinerseits über die Unterstellung, er setze sich nur deshalb mit Sarrazin zu Jauch, um seine Kanzlerkandidatur zu unterfüttern. Unverschämt sei das.

Damit war praktisch das gesamte Empörungspotenzial zwischen den beiden alten Herren der SPD bereits verschlissen, und Steinbrück fand kein anderes Mittel der Herabsetzung mehr für Sarrazin als ein dahin gepfeffertes: „Nein, das ist kein gefährlicher Mann!“ Das kann man angesichts von Sarrazins bisherigem Schaffen durchaus anders sehen. Man kann es aber auch einfach lassen.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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