Empfehlung der Woche

Survival of the Nettest

Survival of the Nettest

Dirk Brockmann

Hardcover, gebunden

288 Seiten

24 €

Zur Empfehlung
Dokumentale

Dokumentale

International Documentary and Media Festival Berlin

Veranstaltungsorte: Atelier Gardens, Kiezkinos und andere Lieblingsorte in Berlin

Vom 12. bis 22. Juni 2025!

Zur Empfehlung
Das Fest geht weiter!

Das Fest geht weiter!

Robert Guédiguian

Drama

Frankreich, Italien 2023

106 Minuten

Ab 12. Juni 2025 im Kino!

Zur Empfehlung
Der Welt Lauf

Der Welt Lauf

Beitrag zur Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“

Panorama Museum

Am Schlachtberg 9 | 06567 Bad Frankenhausen / Thüringen

Vom 11. Mai bis 17. August 2025

Zur Empfehlung

Kultur : Sind Autobahnen und Nichtraucherschutz vergleichbar?

Nikotinprävention als Schlacht gegen eine Weltverschwörung: Im Kampf gegen die Tabakindustrie beruft sich ein US-Professor auf die Gesundheitspolitik der Nazis

Zum Kommentar-Bereich

Glaubt man der Bundesregierung und diversen Gesundheitsverbänden, ist es ein Zeichen fortgeschrittenen Bewusstseins, wie ernst die Bürger den Nichtraucherschutz nehmen. Nicht nur werde das Rauchverbot in Kneipen weitgehend widerstandslos „angenommen“. Auch machen die Deutschen viel Sport und ernähren sich „biobewusst“. Zum von der Welt­gesundheitsorganisation ausgerufenen 19. Weltnichtrauchertag, der an diesem Donnerstag begangen wird, laden Freiwilligeninitiativen unter Parolen wie „Vitamin statt Nikotin“ die ver­bliebenen Süchtigen ein, die Wonnen des Verzichts kennenzulernen.

Doch dass Nichtrauchen seit einiger Zeit „cool“ ist, wie es Projekte zur Nikotinprävention behaupten, beschert nicht nur der Gesundheitsindustrie Gewinne, sondern macht auch Gurus populär, die ihre Kritik an der „Tabakindustrie“ als Kampf gegen eine Welt­verschwörung betreiben. Einer der prominentesten unter ihnen ist der Stanford-Professor Robert N. Proctor, der als erster Historiker in einem Prozess gegen die US-amerikanische Tabakindustrie ausgesagt hat und sich mit dem Wandel gesellschaftlicher Vorstellungen von Gesundheit beschäftigt. In den neunziger Jahren hat er die Gesundheitspolitik der Nazis untersucht, darunter deren Anti-Raucher-Kampagnen. In seinem gerade erschienen Buch Golden Holocaust bezichtigt er nun absurder Weise ausgerechnet die Tabak­industrie eines der Shoa vergleichbaren Verbrechens und betreibt damit eine Angstpropaganda, die grotesk ist. Proctor aber konnte der Gesundheitspolitik der Nazis schon immer positive Seiten abgewinnen. Bereits in seinem Buch Blitzkrieg gegen den Krebs bescheinigte er ihnen eine „sozial verantwortliche“ Gesundheitspolitik, weil sie Rauch­verbote erlassen, den Gebrauch von Asbest eingeschränkt und vegetarische Ernährung gefördert hätten.

Was Proctor als Ausdruck einer Dialektik verharmlost, der zufolge auch repressive Regime den Fortschritt befördern können, ist heute Teil des Alltagsbewusstseins. Viele Menschen nehmen sich selbst allein als Stoffwechselsystem wahr, das regelmäßig entgiftet und regeneriert werden muss. Für den Weltnichtrauchertag wird seit seinem Be­stehen mit Plakaten und Slogans geworben, die diese Paranoia befördern. Das diesjährige Werbeplakat zeigt einen in ein Tabakblättchen eingerollten, von den Händen eines Finsterlings zerquetschten Menschen, darüber die Parole: „Lass dich nicht einwickeln! Rauchen kennt nur einen Gewinner: die Tabakindustrie.“ Dass auch Genuss ein Gewinn sein kann und Genuss und Gesundheit nicht das gleiche sind, wird dabei vergessen. Man sollte sich also nicht einwickeln lassen von den Gesundheitsschützern.

Magnus Klaue ist Germanist, er raucht nicht

sticky banner image

Lesen, was wirklich zählt

4 Wochen für nur € 4