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Kultur : Sind Autobahnen und Nichtraucherschutz vergleichbar?

Nikotinprävention als Schlacht gegen eine Weltverschwörung: Im Kampf gegen die Tabakindustrie beruft sich ein US-Professor auf die Gesundheitspolitik der Nazis

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Glaubt man der Bundesregierung und diversen Gesundheitsverbänden, ist es ein Zeichen fortgeschrittenen Bewusstseins, wie ernst die Bürger den Nichtraucherschutz nehmen. Nicht nur werde das Rauchverbot in Kneipen weitgehend widerstandslos „angenommen“. Auch machen die Deutschen viel Sport und ernähren sich „biobewusst“. Zum von der Welt­gesundheitsorganisation ausgerufenen 19. Weltnichtrauchertag, der an diesem Donnerstag begangen wird, laden Freiwilligeninitiativen unter Parolen wie „Vitamin statt Nikotin“ die ver­bliebenen Süchtigen ein, die Wonnen des Verzichts kennenzulernen.

Doch dass Nichtrauchen seit einiger Zeit „cool“ ist, wie es Projekte zur Nikotinprävention behaupten, beschert nicht nur der Gesundheitsindustrie Gewinne, sondern macht auch Gurus populär, die ihre Kritik an der „Tabakindustrie“ als Kampf gegen eine Welt­verschwörung betreiben. Einer der prominentesten unter ihnen ist der Stanford-Professor Robert N. Proctor, der als erster Historiker in einem Prozess gegen die US-amerikanische Tabakindustrie ausgesagt hat und sich mit dem Wandel gesellschaftlicher Vorstellungen von Gesundheit beschäftigt. In den neunziger Jahren hat er die Gesundheitspolitik der Nazis untersucht, darunter deren Anti-Raucher-Kampagnen. In seinem gerade erschienen Buch Golden Holocaust bezichtigt er nun absurder Weise ausgerechnet die Tabak­industrie eines der Shoa vergleichbaren Verbrechens und betreibt damit eine Angstpropaganda, die grotesk ist. Proctor aber konnte der Gesundheitspolitik der Nazis schon immer positive Seiten abgewinnen. Bereits in seinem Buch Blitzkrieg gegen den Krebs bescheinigte er ihnen eine „sozial verantwortliche“ Gesundheitspolitik, weil sie Rauch­verbote erlassen, den Gebrauch von Asbest eingeschränkt und vegetarische Ernährung gefördert hätten.

Was Proctor als Ausdruck einer Dialektik verharmlost, der zufolge auch repressive Regime den Fortschritt befördern können, ist heute Teil des Alltagsbewusstseins. Viele Menschen nehmen sich selbst allein als Stoffwechselsystem wahr, das regelmäßig entgiftet und regeneriert werden muss. Für den Weltnichtrauchertag wird seit seinem Be­stehen mit Plakaten und Slogans geworben, die diese Paranoia befördern. Das diesjährige Werbeplakat zeigt einen in ein Tabakblättchen eingerollten, von den Händen eines Finsterlings zerquetschten Menschen, darüber die Parole: „Lass dich nicht einwickeln! Rauchen kennt nur einen Gewinner: die Tabakindustrie.“ Dass auch Genuss ein Gewinn sein kann und Genuss und Gesundheit nicht das gleiche sind, wird dabei vergessen. Man sollte sich also nicht einwickeln lassen von den Gesundheitsschützern.

Magnus Klaue ist Germanist, er raucht nicht

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