Wie im Wilden Westen

Bagdad Aus Ex-Militärs, Paramilitärs und schießwütigen Desperados rekrutiert sich das Personal von westlichen Sicherheitsunternehmen, die heute Bagdads Grüne Zone bewachen

Die Verhaftung des Mitarbeiters einer britischen Sicherheitsfirma in der Grünen Zone von Bagdad, dem die Ermordung zweier seiner Kollegen zur Last gelegt wird, hat einmal mehr ein Schlaglicht auf das Gebaren der in der irakischen Hauptstadt engagierten privaten Sicherheitsfirmen geworfen. „Sharkey“, einer dieser Dienstleister, der sechs Jahre in Bagdad gearbeitet hat, protokolliert hier seine Erfahrungen:

In der Grünen Zone geht es oft zu wie im Wilden Westen: Gruppen von höchst ungleichen Persönlichkeiten werden an unberechenbaren, düsteren Orten zusammengewürfelt und sollen miteinander klar kommen. Die Grundstücke sind kleine, von Mauern aus Beton umgebene Festungen, ausgestattet mit allen Annehmlichkeiten des Westens, einschließlich Alkohol. Manche der Leute arbeiten permanent unter Stress, andere sollten gar nicht erst dort sein. Hinzu kommt das weitere Umfeld, in dem dies geschieht. Der Irak ist kein Ort wie jeder andere. Gleiches gilt für die Grüne Zone, in der die meisten Unternehmen ihren Sitz haben. Als würde es nicht reichen, dass hier junge, bis an die Zähne bewaffnete Männer zusammenleben müssen, verfügen die meisten Einrichtungen auch noch über eine Bar.

Gewehre und Bier

Vor ein paar Jahren kam es auf dem Gelände der britischen Botschaft zu einer Schlägerei, an der 50 Männer beteiligt waren. Sie waren jung, widerwärtig viele von ihnen nahmen Steroide. Sie hatten sowohl Gewehre dabei als auch Bier, was eigentlich ein absolutes Tabu sein müsste. Ein Freund aus dem Regiment war für den Schutz eines hochrangigen irakischen Politikers zuständig, als plötzlich zwei Typen vom Special Air Service (SAS/die älteste Spezialeinheit der Welt), mit denen er unterwegs war, die Waffen zogen und sie aufeinander richteten. Zu Schüssen kam es nicht, aber es fehlte nicht viel.

Die meisten Sicherheitsfirmen können die eine oder andere Geschichte über wie auch immer geartete Gewalttätigkeiten zu Protokoll geben. Vor ein paar Jahren war ich in einem unauffälligen Auto in der Nähe des Airports von Bagdad unterwegs, als einer der Blackwater-Leute direkt über mich hinweg schoss, weil er der Ansicht war, ich sei ihm zu nahe gekommen. Ich konnte es nicht fassen und knöpfte ihn mir auf der Stelle vor. Einige Tage später sah ich ihn nachts in einer Bar sitzen. Als er zu mir herüberkam, dachte ich zunächst, er wolle sich mit mir prügeln, doch er reichte mir die Hand und bat mich um Entschuldigung. Ich nahm an, und wir betranken uns gemeinsam.

Aufträge flatterten herein

Als im Mai 2003 die Besatzungsphase des Krieges begann, spezialisierten sich die Sicherheitsfirmen auf ehemalige Angehörige aller drei britischen Spezialdienste der Armee – der SAS, der SBS, einer Spezialtruppe der Royal Navy, und der DET, einer in Nordirland operierenden Einheit aus dem britischen Geheimdienst. Als dann aber die Aufträge größer wurden, und man mehr Leute benötigte, wandten sich die Dienstleister auch an ganz gewöhnliche ehemalige Militärangehörige, die über wesentlich weniger Erfahrung im Personenschutz verfügten.

Die Aufträge flatterten nur so herein – man wurde gierig und ließ die Standards schleifen. Es wurden Leute eingestellt, die über keine militärische Erfahrung verfügten: Türsteher von Kneipen und Leute, die einen Kurs als Bodyguard absolviert hatten und sich fortan Sicherheitsdienst nennen wollten. Da gab es aus der Dritten Welt stammende Paramilitärs, Söldner aus Südafrika und Desperados auf der Suche nach dem schnellen Geld. Viele von ihnen waren schießwütig und aufbrausend. Sie hatten keine Ahnung, welches Risiko sie eingingen, und wie sie damit umgehen sollten. Die Standards sanken in einem Maße, dass massive Lohnkürzungen unvermeidlich waren. Manche von ihnen verdienten nur 175 Pfund Sterling (ca. 200 Euro) am Tag. Ich habe vor 15 Jahren 250 (knapp 300 Euro) bekommen, als ich noch in Südfrankreich stationiert war.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Sharkey, The Guardian | The Guardian

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