Ein Schwerpunkt der Weltwasserwoche in Stockholm: der globale Versorgungsmangel. Wer hierzulande Wasser sparen will, sollte zuerst in seinen Einkaufswagen schauen
Sauberes Trinkwasser kommt in Deutschland aus dem Wasserhahn – ein unglaublicher Luxus, der allerdings kaum jemandem bewusst ist. Etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung leiden bereits an Wasserknappheit, Tendenz steigend dank Klimawandel und intensiver Landwirtschaft. Um Lösungen für die aktuellen und kommenden Wasserprobleme zu finden, trafen sich in dieser Woche mehr als 1.500 Experten in Stockholm zu Internationalen Wasserwoche. Ein viel diskutiertes Thema zur Bekämpfung der Wasserknappheit war auch in diesem Jahr der Ansatz des „virtuellen Wassers“ – ökologisch sinnvoll, aber ökonomisch fragwürdig.
Um zu verstehen, was virtuelles Wasser eigentlich ist, muss man verstehen, dass Wasser eine besondere Ressource ist. Man kann es beispi
verstehen, dass Wasser eine besondere Ressource ist. Man kann es beispielsweise nicht verbrauchen, wohl aber nutzen. Wenn man beispielsweise mit Leitungswasser seine Blumen gießt, so versickert das Wasser in Teilen ins Erdreich, füllt den Grundwasserspiegel auf und kann wieder aus einem Brunnen entnommen werden. Ein anderer Teil des Wassers verdunstet oder wird über Flüsse ins Meer geleitet, wo es später als Regen seinen Weg zurück ins Grundwasser findet. Im Wasserkreislauf ist die Menge des Wassers stets konstant.Durstige Landwirtschaft Während in einem wasserreichen Land wie Deutschland das Wasserdargebot stets höher als die potentielle Nutzung ist, sieht dies in wasserarmen Gebieten ganz anders aus. Dort steht die landwirtschaftliche Produktion auch in Konkurrenz zur Trinkwasserversorgung, und vielerorts wird dem Kreislauf zu viel Wasser entnommen. Der Wasserkreislauf ist zwar global immer ausgeglichen, regional gibt es allerdings Verschiebungen. Wenn eine Orangenplantage in Südspanien beispielsweise mit Grundwasser künstlich beregnet wird, verdunstet ein großer Teil des Wassers. Als Regen fällt er jedoch nicht in Südspanien, sondern in regenreichen Gebieten wie Deutschland. In der Folge sinkt der Grundwasserspiegel in Südspanien und die Region droht auszutrocknen.In einer Orange stecken 50 Liter virtuelles Wasser. Soviel Wasser wird benötigt, um die Orange reifen zu lassen. Wenn man also in Deutschland eine spanische Orange in seinen Einkaufswagen legt, so hat man auch 50 Liter virtuelles Wasser aus Spanien importiert. Wer also Wasser sparen will, der sollte zu allererst in seinen Einkaufswagen schauen. Eine Tasse Tee entspricht 35 Liter virtuellen Wassers, eine Tasse Kaffee 145 Litern und ein Kilo Rindfleisch sogar 14.000 Litern.Produktionsort ist entscheidendSollen wir nun aber Vegetarier werden, um die Wasserknappheit der Welt zu lindern? Nein, denn es kommt darauf an, wo das Rind gezüchtet wird. Auch bei der Tierzucht und der landwirtschaftlichen Produktion der Futtermittel, die das Gros des „Wasserverbrauchs“ bei der Tierzucht ausmacht, wird kein Wasser verbraucht. Bei der natürlichen oder künstlichen Beregnung der Felder geht der absolute Großteil des Wassers ins Erdreich, wo er den Grundwasserstock füllt, der andernorts wieder abgezapft wird. Auch das Wasser, das die Zuchttiere trinken, geht in diversen Formen wieder in den Kreislauf zurück.Sowohl in Mitteleuropa, als auch in den meisten landwirtschaftlich genutzten Regionen Nordamerikas gibt es ein Überangebot an Wasser. Da genügend Wasser versickert, haben weder das entnommene Trinkwasser, noch das Wasser, das für die Zucht der Futtermittel genutzt wird, eine negative Auswirkung auf den Grundwasserspiegel.Auch wenn virtuelle 14.000 Liter in einem Kilo deutschen oder amerikanischen Rindfleisch stecken, so stellt diese Menge nur einen abgeschlossenen Kreislauf in einem wasserreichen Gebiet dar. Ganz anders verhält es sich allerdings, wenn Rinder oder die Futtermittel zur Rinderzucht aus wasserarmen Regionen stammen. Auch in Israel, Saudi-Arabien, Australien oder in wasserarmen Teilen Indiens werden Rinder gezüchtet, und hier hat die Zucht vielerorts negative Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel.Ein Ausweg aus dem DilemmaEin Ausweg aus diesem Dilemma ist der Handel mit virtuellem Wasser. Ökologisch sinnvoll wäre es daher, Futtermittel und Rindfleisch aus wasserreichen in wasserarme Regionen zu exportieren. Mais aus dem wasserreichen mittleren Westen der USA hat beispielsweise einen exzellenten „Wasser-Fußabdruck“. Für die Produktion einer Tonne Mais benötigt man dort nur 489 Kubikmeter Wasser – und dies in einer Region, in der das Wasserdargebot wesentlich größer als die Nutzung ist. Um die gleiche Menge Mais in Indien zu produzieren, benötigt man 1.927 Kubikmeter Wasser – die fünffache Menge.Es wäre ökologisch oft sinnvoll, den Handel am „Wasser-Fußabdruck“ auszurichten, für die wasserarmen Entwicklungsländer wäre dies jedoch ökonomisch oft katastrophal, da die Erwerbsstruktur in diesen Ländern oft auf den Anbau agrarischer Exportgüter ausgerichtet ist. Hier ist ein Paradigmenwechsel vonnöten. Ägyptische Erdbeeren auf deutschen Esstischen sind eine Sünde wider die Natur und die Nachhaltigkeit. Ähnlich verhält es sich mit kenianischen Rosen, südspanischen Orangen oder israelischen Zitronen.Wenn man in Deutschland als Konsument ökologisch korrekt mit der Ressource Wasser umgehen will, benötigt man mehr als nackte Zahlen. Es ist beispielsweise uninteressant, ob Tee aus dem indischen Assam 35 Liter virtuelles Wasser enthält – die Region Assam gehört zu den niederschlagsreichsten der Welt. Wichtiger als die Menge virtuellen Wassers sind daher die klimatischen Bedingungen in der Herkunftsregion. Mit jedem T-Shirt aus usbekischer Baumwolle trägt der Konsument seinen Anteil dazu bei, dass der Aralsee noch weiter austrocknet. Baumwolle aus dem subsaharischen Afrika oder aus den meisten Teilen Indiens kommt hingegen ohne künstliche Bewässerung aus. Aber woher soll der Konsument wissen, wo die Baumwolle für sein T-Shirt gewachsen ist?