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Politik : Die eigene Haut

Die Sozialversicherung für 80 Millionen Deutsche soll künftig durch eine Bad Bank des Staates kofinanziert werden. Ein Modell auch für die Entwicklungshilfe?

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Gerade hat die Welternährungsorganisation FAO mitgeteilt, dass durch die Weltwirtschaftskrise, die für Afrika auch eine Absatzkrise ist, die Zahl der Hungernden bis Ende des Jahres auf eine Milliarde Menschen steigt. Einmal mehr ist das vor neun Jahren ausgegebene UN-Milleniumsziel, den Hunger bis 2015 zu halbieren, Makulatur. Nun könnte die Zahl der um ihr Überleben Kämpfenden 2015 höher liegen als 2000.

Hat man, seit sich die Berliner Koalitionäre als Konfektionäre in eigener Sache ihren Rock zurecht schneidern, schon bemerkt, dass ihnen etwas näher sein könnte als die eigene Haut? Wird Parteigängern, Anhängern, Wählern – kurzum der Klientel – wenigstens angedeutet, man habe im Wahlkampf wohl etwas über seine Verhältnisse gelebt und geredet? Das könne im wahren Leben nicht so bleiben. Wurde auf diesem Koalitionsbasar schon irgendetwas darüber gesagt, wie künftig die Entwicklungszusammenarbeit finanziert werden soll, wenn die FAO derart alarmierende Nachrichten verbreitet? Es gibt immerhin die Verpflichtung aller EU-Staaten aus dem Jahr 2006, die dafür eingesetzten Gelder bis 2015 auf einen Wert von 0,7 Prozent der Bruttosozialproduktes (BSP) anzuheben. Zuletzt lag Deutschland bei 0,35 Prozent, jede weitere Steigerung stand schon in der großen Koalition unter Finanzierungsvorbehalt. Das dürfte nun erst recht so bleiben. Aber wenn Sozialversicherung und Steuersenkungen durch eine Bad Bank des Staates kofinanziert werden und die Koalitionäre dies nicht als Buchungstrick abqualifiziert wissen wollen – warum dann nicht die Entwicklungsgelder gleichfalls aus diesem Portefeuilles bestreiten? Gerade haben die hiesigen Dichter und Denker bei der Buchmesse in Frankfurt gegen China aus dem Vollen schäumen dürfen. Was ist mit dem Existenzrecht von einer Milliarde Menschen in Afrika und Südasien?

Menschenrechtspolitik könnte sich hier über ein Maximum an Anstrengungen legitimieren, indem sie darauf drängt, das reiche Staaten leisten, was bei der Entwicklungshilfe als Minimum gilt – 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) dafür einzusetzen. Und zwar sofort. Diese Quote wurde nicht etwa zusammen mit den Milleniumszielen von 2000 verkündet. Es war sage und schreibe 1964, als auf der 19. UN-Generalversammlung deren ghanaischer Präsident Alex Quaison-Sackey davon sprach, die Industrieländer müssten 0,7 Prozent ihres Sozialproduktes für arme und unterentwickelte Nationen aufbringen, und der Westen dies im Prinzip akzeptierte. 45 Jahre später wird dieser Wert noch immer unterschritten.

Kaum jemand im Westen scheint ein Gespür für die globale Gefahr riskieren zu wollen, die durch den Überlebenskampf von einer Milliarde Menschen besteht. Der Frieden im Süden ist davon bedroht oder bereits verloren. Die innere Ruhe des Nordens sollte davon mindestens erschüttert sein. Es geht um Menschen, denen es nicht allein an Nahrungsmitteln fehlt, sie können in der Regel auch kein sauberes Wasser trinken und nie einen Arzt aufsuchen. Krankheit und Seuchen sind die Folge. Auch ihnen ist die eigene Haut näher. Näher aber als jedes Hemd und jeder Rock.

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