Sichtbares Zeichen

Vertriebene Ein Angebot zum Rückzug unter Bedingungen: Wie die Union den Konflikt lösen will, den sie mit der FDP und mit Polen, nicht aber mit Erika Steinbach hat

Erika Steinbach hat für ihren Rückzug aus dem Rat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung Bedingungen gestellt, und ihre Worte waren noch kaum verklungen, da trat schon Kanzleramtsminister Ronald Pofalla auf, um zu erklären, dass die Union es "wohlwollend prüfen und am Ende auch unterstützen" werde. Der Vorgang ist einerseits nicht weiter erstaunlich, gehören doch Steinbach und Pofalla derselben Partei an, eben der Union. Andererseits ist Pofallas Äußerung natürlich ein Versuch, die Regierung festzulegen, der er angehört. Das ist offensichtlich eine konzertierte Aktion. So also will die Union den Konflikt lösen, den sie mit der FDP und mit Polen, nicht aber mit Erika Steinbach hat.

Was sind Steinbachs Bedingungen? Erstens soll die Bundesregierung auf ihr Recht, über den Besetzungsvorschlag des Vertriebenenbunds im Stiftungsrat zu entscheiden, in Zukunft verzichten, so dass Steinbachs Rückzug den Charakter einer einmaligen Ausnahme erhielte. Zweitens beansprucht der Bund mehr als die jetzt drei von dreizehn Sitzen, damit, wie es heißt, die Vielfalt der "Vertreibungsregionen" besser zum Ausdruck komme. Dem Selbstdarstellungswillen dient auch die Forderung, die Fläche der geplanten Stiftungsausstellung müsse erweitert werden. Drittens soll die Stiftung aus der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums gelöst werden, die Begründung ist, dass es sich um eine "Menschenrechtsstiftung" handle.

Und nicht um Geschichte? Der historische Kausalzusammenhang soll nicht oberstes Prinzip sein? Dieser Zusammenhang ist eben durch die Einbindung ins Historische Museum institutionalisiert. Die Besucher des "Deutschlandhauses" in Berlin-Kreuzberg, wo die Ausstellung eingerichtet werden soll, wären, wenn es dabei bliebe, auf die andere Ausstellung im Haus Unter den Linden verwiesen und könnten sich dort ausführlich über das Dritte Reich und seine Vernichtungsfeldzüge in Osteuropa informieren. Dieser Feldzüge wegen wurden ja die Umsiedlungen von in Osteuropa lebenden Deutschen, die die Form von Vertreibungen annahmen, 1945 im Potsdamer Protokoll der Siegermächte festgelegt. Die Rechtsgültigkeit dieses Protokolls ist freilich noch von keiner Regierung der Bundesrepublik anerkannt worden.

Nach der Rechtslage ist die Verständigungspolitik aller Bundesregierungen der übergreifende Aspekt der Ausstellung. Und nun sollen sie auf die Prüfung der Frage verzichten, ob der Vertriebenenbund Verständigungsbereitschaft zeigt oder nicht. Und das wird ausgerechnet heute von ihr verlangt, wahrscheinlich weil Steinbach meint, ihr Vorschlag sei ein Musterbild des Versöhnungswillens. Hat sie ihn doch damit begründet, dass eine Regierung ohne Entscheidungsrecht "sich nie wieder erpresst fühlen könnte von irgendeinem der Nachbarländer, da sie ja nicht mehr zuständig für die Berufung in den Stiftungsrat ist". Wir werden also von Polen "erpresst", und das zu sagen zeigt Verständigungsbereitschaft?

Die Ausstellung soll einmal "Sichtbares Zeichen" genannt werden. Ein solches haben Erika Steinbach und die Union jetzt gesetzt, aber nicht für den Ausstellungszweck. Bleibt die Frage, welches Zeichen die FDP setzen wird. Wenn man zu fantasieren anfängt, wünscht man sich eine FDP, die ihre absurde Steuerreform zurückzieht und der Anmaßung des Vertriebenenbunds weiterhin widersteht. Der Vertriebenenbund ist nämlich keine ausländische Macht, über deren "Bedingungen" verhandelt werden müsste. Aber wer weiß, vielleicht kommt es gerade umgekehrt.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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