Politik
:
Gegen die Guerilla Gottes
Die Staaten Nordafrikas wollen in ihrer Sicherheitspolitik mehr kooperieren, um eine Afghanisierung ihrer Region zu verhindern
Dass die Sahara-Sahel-Zone und damit Nordafrika wegen der ökologischen Krise noch ärmer wurden, ist bekannt. Wegen drohender Entführungen zieht die Region auch immer weniger Touristen an. Selbst die Rally Paris-Dakar wurde 2010 nach Chile verlegt. Im Bewusstsein der Europäer ist das Gebiet vorrangig Transitraum für Flüchtlingsströme. Die nordafrikanischen Staaten selbst sehen sich neben dem Menschenhandel mit ausuferndem Drogentransfer konfrontiert, der ansässigen Terror-Filialen die Kassen füllt.
So trafen sich Ende März in Algier die Außenminister von Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Libyen, Burkina Faso sowie des Gastgeberlandes und mussten zunächst ein Versäumnis einräumen: Die vor Jahren gefassten Beschlüsse zu grenzüberschreitender Kooperation von Polizei und Geheimdiensten werden ignoriert oder bleiben die gewünschten Erfolge schuldig. Wenn die nördliche Atlantik-Küste besser überwacht wird, hat das bisher nur den Effekt, dass Kokain aus Kolumbien oder Afghanistan über den Golf von Guinea geschmuggelt wird, bevor es Ägypten erreicht. Von dort führt die Route über den Hafen von Alexandria nach Osteuropa.
Unerschöpfliche Ressourcen
Die Drogen-Spediteure sind sowohl mit dem organisierten Menschenhandel als auch Nordafrikas Al-Qaida-Residenzen vernetzt, teilweise sogar identisch. Dieser Organismus speist sich aus unerschöpflichen finanziellen Ressourcen. Er überlebt mit einer beeindruckenden technischen Basis, die es beispielsweise ermöglicht, schnellere Geländewagen zu haben als algerische oder libysche Ordnungskräfte. Al-Qaida holt zu Militäroperationen aus, unter denen nach wie vor Algerien bis in seinen dicht besiedelten Küstenstreifen hinein am meisten leidet. Die Guerilla Gottes kann es wagen, auch in schwelende Regionalkonflikte wie den um die Kabylei einzugreifen und sich mit der Armee Gefechte zu liefern wie zuletzt im Januar 2010.
Algerien, das bis zum 11. September 2001 von westlichen Menschenrechtsorganisationen wegen seines harten Vorgehens gegen Terroristen geächtet und mit Boykottdrohungen überzogen wurde, gilt seither als erfahrenes Mitglied einer Gemeinschaft der Anti-Terror-Krieger. Die logistische Hilfe, die aus dem Westen kommt und die Sicherheit der großen Erdöl- wie Erdgasförderanlagen garantiert, ist mit Verzicht auf Souveränität verbunden. US-Streitkräfte verfügen über ein eigenes Rollfeld auf dem Algier-Airport und haben Zugang zu algerischen Abhöranlagen. Anderen Sahara-Sahel-Staaten assistieren die Amerikaner bei der Trans-Sahara-Counter-Terrorism-Initiative, indem Armee und Polizei für den Anti-Guerilla-Krieg ausgebildet werden. Wenn diese Länder jetzt in Algier erklären, Sicherheit auch ohne fremden Beistand gewährleisten zu können, ist das auch ein Zugeständnis an die eigene Bevölkerung, die einer wachsenden Fremdbestimmung wenig abgewinnt. Tatsächlich könnten die Sahara-Länder untereinander mehr tun, um eine Afghanisierung der Region zu verhindern.
So bekennt auch die Konferenz der Außenminister, Quelle des Terrorismus sei nicht religiöser Fanatismus, sondern Rückständigkeit. Teile der Sahara-Sahel-Region würden kaum Anteil am Wirtschaftsleben ihrer Länder nehmen. Darin manifestiert sich ein seit Jahrhunderten schwelender Konflikt zwischen sesshaften und nomadisierenden Völkern, deren Kräfteverhältnis jähem Wandel unterliegt. Während die ehemals nomadisierenden Tuareg früher die sesshaften Völker militärisch dominierten und zu Tribut-Zahlungen zwangen, üben letztere heute die Regierungsgewalt aus.
Nomadisierende Tuareg
Die heute Mächtigen haben weder etwas übrig für den Anspruch der Tuareg auf einen eigenen Staat noch für deren Bestreben, wenigstens ihr altes Handelsmonopol mit den Vorteilen zu nutzen, die heute im Drogen-Geschäft und Menschen-Schmuggel liegen. So kommt es, besonders in Mali und Niger, immer wieder zu Aufständen und Zusammenstößen zwischen lokaler Community und nationaler Armee.
In den Ölstaaten Libyen und Algerien sind die Tuareg durch höhere sozialer Standards besser integriert. Doch auch hier gelang es nicht, ihnen neue ökonomische Projekte nahe zu bringen. Über das offenkundig große Elend der meisten Tuareg kann sich nur wundern, wer nicht in Betracht zieht, dass der Drogen- und Menschenhandel, mit dem die Stammesführer enorme Gewinne erzielen, die Stammesstruktur insgesamt erhält und sogar stärkt. Wenn mit einem Einsatz von 30.000 Euro am Atlantik durch den Drogen-Transfer nach Ägypten 150.000 zu verdienen sind, werden alte Loyalitäten eher erhalten, als dass Menschen Gefallen an den Mühen der Oasen-Landwirtschaft finden. Dass Tuareg seit Jahrzehnten auf den Erdölfeldern im algerischen Ain Amenass arbeiten, zeigt aber, dass die Erschließung von Bodenschätzen – unter privilegierter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung – das geeignete Mittel wäre, deren Interessen und die ihrer Staaten in Deckung zu bringen.
ahel-Zone und damit Nordafrika wegen der ökologischen Krise noch ärmer wurden, ist bekannt. Wegen drohender Entführungen zieht die Region auch immer weniger Touristen an. Selbst die Rally Paris-Dakar wurde 2010 nach Chile verlegt. Im Bewusstsein der Europäer ist das Gebiet vorrangig Transitraum für Flüchtlingsströme. Die nordafrikanischen Staaten selbst sehen sich neben dem Menschenhandel mit ausuferndem Drogentransfer konfrontiert, der ansässigen Terror-Filialen die Kassen füllt.So trafen sich Ende März in Algier die Außenminister von Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Libyen, Burkina Faso sowie des Gastgeberlandes und mussten zunächst ein Versäumnis einräumen: Die vor Jahren gefassten BeschlXX-replace-me-XXX252;sse zu grenzüberschreitender Kooperation von Polizei und Geheimdiensten werden ignoriert oder bleiben die gewünschten Erfolge schuldig. Wenn die nördliche Atlantik-Küste besser überwacht wird, hat das bisher nur den Effekt, dass Kokain aus Kolumbien oder Afghanistan über den Golf von Guinea geschmuggelt wird, bevor es Ägypten erreicht. Von dort führt die Route über den Hafen von Alexandria nach Osteuropa.Unerschöpfliche RessourcenDie Drogen-Spediteure sind sowohl mit dem organisierten Menschenhandel als auch Nordafrikas Al-Qaida-Residenzen vernetzt, teilweise sogar identisch. Dieser Organismus speist sich aus unerschöpflichen finanziellen Ressourcen. Er überlebt mit einer beeindruckenden technischen Basis, die es beispielsweise ermöglicht, schnellere Geländewagen zu haben als algerische oder libysche Ordnungskräfte. Al-Qaida holt zu Militäroperationen aus, unter denen nach wie vor Algerien bis in seinen dicht besiedelten Küstenstreifen hinein am meisten leidet. Die Guerilla Gottes kann es wagen, auch in schwelende Regionalkonflikte wie den um die Kabylei einzugreifen und sich mit der Armee Gefechte zu liefern wie zuletzt im Januar 2010.Algerien, das bis zum 11. September 2001 von westlichen Menschenrechtsorganisationen wegen seines harten Vorgehens gegen Terroristen geächtet und mit Boykottdrohungen überzogen wurde, gilt seither als erfahrenes Mitglied einer Gemeinschaft der Anti-Terror-Krieger. Die logistische Hilfe, die aus dem Westen kommt und die Sicherheit der großen Erdöl- wie Erdgasförderanlagen garantiert, ist mit Verzicht auf Souveränität verbunden. US-Streitkräfte verfügen über ein eigenes Rollfeld auf dem Algier-Airport und haben Zugang zu algerischen Abhöranlagen. Anderen Sahara-Sahel-Staaten assistieren die Amerikaner bei der Trans-Sahara-Counter-Terrorism-Initiative, indem Armee und Polizei für den Anti-Guerilla-Krieg ausgebildet werden. Wenn diese Länder jetzt in Algier erklären, Sicherheit auch ohne fremden Beistand gewährleisten zu können, ist das auch ein Zugeständnis an die eigene Bevölkerung, die einer wachsenden Fremdbestimmung wenig abgewinnt. Tatsächlich könnten die Sahara-Länder untereinander mehr tun, um eine Afghanisierung der Region zu verhindern.So bekennt auch die Konferenz der Außenminister, Quelle des Terrorismus sei nicht religiöser Fanatismus, sondern Rückständigkeit. Teile der Sahara-Sahel-Region würden kaum Anteil am Wirtschaftsleben ihrer Länder nehmen. Darin manifestiert sich ein seit Jahrhunderten schwelender Konflikt zwischen sesshaften und nomadisierenden Völkern, deren Kräfteverhältnis jähem Wandel unterliegt. Während die ehemals nomadisierenden Tuareg früher die sesshaften Völker militärisch dominierten und zu Tribut-Zahlungen zwangen, üben letztere heute die Regierungsgewalt aus.Nomadisierende TuaregDie heute Mächtigen haben weder etwas übrig für den Anspruch der Tuareg auf einen eigenen Staat noch für deren Bestreben, wenigstens ihr altes Handelsmonopol mit den Vorteilen zu nutzen, die heute im Drogen-Geschäft und Menschen-Schmuggel liegen. So kommt es, besonders in Mali und Niger, immer wieder zu Aufständen und Zusammenstößen zwischen lokaler Community und nationaler Armee.In den Ölstaaten Libyen und Algerien sind die Tuareg durch höhere sozialer Standards besser integriert. Doch auch hier gelang es nicht, ihnen neue ökonomische Projekte nahe zu bringen. Über das offenkundig große Elend der meisten Tuareg kann sich nur wundern, wer nicht in Betracht zieht, dass der Drogen- und Menschenhandel, mit dem die Stammesführer enorme Gewinne erzielen, die Stammesstruktur insgesamt erhält und sogar stärkt. Wenn mit einem Einsatz von 30.000 Euro am Atlantik durch den Drogen-Transfer nach Ägypten 150.000 zu verdienen sind, werden alte Loyalitäten eher erhalten, als dass Menschen Gefallen an den Mühen der Oasen-Landwirtschaft finden. Dass Tuareg seit Jahrzehnten auf den Erdölfeldern im algerischen Ain Amenass arbeiten, zeigt aber, dass die Erschließung von Bodenschätzen – unter privilegierter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung – das geeignete Mittel wäre, deren Interessen und die ihrer Staaten in Deckung zu bringen.