Das war knapp: In letzter Minute haben sich alle Parteien im nordrhein-westfälischen Landtag dazu entschlossen, den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMSTV) nun doch abzulehnen. Damit öffnen sie den Weg für Nachverhandlungen des zuletzt lautstark kritisierten Texts. Auch wenn sich alle Parteien auf die Fahne schreiben werden, vor allem sie selbst hätten den unpopulären Vertrag verhindert - der Erfolg wäre ohne die parteiübergreifende Koalition von Internet-Aktivisten unmöglich gewesen.
Sie haben in den vergangenen Wochen in offenen und nicht so offenen Briefen, durch Tweets, Mails und Anrufen bei Abgeordneten nicht nur eine derartige Welle der Ablehnung erzeugt, dass selbst die Papier-Presse nicht umhin kam, die aufwallende Kritik wahrzunehmen. Sie demaskierten auch die demokratieschädliche Haltung einiger Abgeordneter, die meinten, ihre inhaltliche Bedenken schadlos hinter "parlamentarischen Zwängen" zurückstellen zu können.
Und so ist das Scheitern des JMSTV auch ein ermutigendes Beispiel dafür, dass Netzaktivisten nicht zwangsläufig erst dann gehört werden müssen, wenn es schon zu spät ist. "Für uns und die "Netzgemeinde" bedeutet dies, dass Netzpolitik von den Parteien ernst genommen wird", sagte Alvar Freude vom Vertragskritischen Arbeitskreis gegen Netz-Sperren und Zensur. Wirklich sollten sich Landes- und Bundespolitiker aller Parteien besser überlegen, ob sie es sich in Zukunft werden leisten können, die Netzöffentlichkeit bei der Beratung von sie betreffenden Gesetzen auszusperren. Noch ist die Zahl der Fälle gering, in der Protest im virtuellen Raum die Politik nachweisbar und direkt beeinflusst hat. Die Entwicklungen des heutigen Tages beweisen aber: Das wird nicht so bleiben.