Lebensmittelskandale überrollen uns mit geradezu geisterhafter Regelmäßigkeit: Fast jedes Jahr werden Verbraucher aufgeschreckt, weil sie in der unmittelbaren Vergangenheit Gammelware – von BSE-verseuchtem Rindfleisch über Ekelwurst bis hin zu kotverdrecktem Käse – verzehrt haben könnten. Neben Fleischprodukten sind oft die Eier betroffen. Pünktlich zur Grünen Woche in Berlin hat uns die Futtermittelindustrie nun ein neues Stinke-Ei ins Nest gelegt: In mehreren Bundesländern sind zwischen 12. November und 23. Dezember – zur besten Weihnachtsbackzeit! – in mindestens vier Bundesländern dioxinverseuchte Eier in den Handel gekommen.
Nur der Prägestempel
Der Biodieselhersteller Petrotec hatte die für industrielle Zwecke vorgesehenen dioxinhaltigen Mischfette an den holländischen Händler Olivet geliefert, der sie wiederum an den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein weiter vertrieben hat. Wie sie in die dort hergestellten Tierfutterfette gelangten – ob absichtsvoll aus Gewinngründen oder durch menschliches Versagen – ist noch nicht geklärt. Bis zu 3.000 Tonnen wurden davon hergestellt und als Futterbeimischungen weiter verbreitet. Bis zu 150.000 Tonnen Tierfutter für Legehennen, Mastgeflügel und Schweine könnten inzwischen in Umlauf sein. In Niedersachsen wurden bereits 1.000 Betriebe gesperrt, in Nordrhein-Westfalen etwa 8.000 Legehennen getötet; doch der Skandal weitet sich aus, immer mehr Bundesländer sind betroffen.
Im Unterschied zu verdorbenen Stinke-Eiern ist Dioxin, das sich im Eigelb sammelt und lebenslang im menschlichen Körper anreichert, nicht riech- oder schmeckbar. Nur der Prägestempel könnte also Auskunft geben, ob die Verbraucher entsprechende Eier im Kühlschrank haben. Bislang hat aber ausschließlich NRW die Kennnummern veröffentlicht, während dem zuständigen Ministerium im besonders betroffenen Niedersachsen Verschleppung vorgeworfen wird.
Gefährliches Einfallstor
Ob durch schärfere Kontrollen, „neue Spielregeln“ für die Futtermittelindustrie, wie sie Agrarministerin Ilse Aigner ankündigt, oder durch härtere Sanktionen derartige Lebensmittelskandale verhindert werden können, ist fraglich. Sicher könnten einige „schwarze Schafe“ abgeschreckt werden, wenn sie mit hohen Gefängnisstrafen rechnen müssten; doch die Risiken der industriellen Lebensmittelherstellung – insbesondere im Bereich der Tierprodukte und Fleischproduktion – sind systemimmanent, und gerade das Tierfutter ist ein gefährliches Einfallstor. Dass beim aktuellen Skandal Bio-Eier wahrscheinlich nicht betroffen sind, hängt auch damit zusammen, dass die Kontrollen dichter, Betriebsgrößen und Bezugsketten überschaubarer sind.
Die Leidtragenden von derartigen Skandalen sind in aller Regel die Verbraucher, aber auch die ahnungslosen Nutztierhalter, die verseuchtes Futter an ihre Tiere verfüttern; und nicht zuletzt die Tiere selbst, die für die billige Lebensmittelherstellung – vorzeitig – ihr Leben lassen müssen. Veganer werden sich dieser Tage wieder einmal darin bestätigt fühlen, dass sie auf das Gelbe vom Ei verzichten. Wollen wir anderen es aber weiter genießen, müssen wir indessen auch unsere Verbrauchergewohnheiten überprüfen und wie viel es uns wert ist.
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